Möglicherweise haben sich die Handballer ihren Sieg aber teuer erkauft. Für das Dänemark-Spiel bangt Deutschland um seinen Kapitän.

Breslau. Carsten Lichtlein rannte wie entfesselt zum Spielfeldrand und umarmte stürmisch Bundestrainer Dagur Sigurdsson. Mit dem letzten entschärften Wurf rettete der Torhüter den deutschen Handballern bei der EM in Polen den vierten Sieg in Serie und die Chance aufs Halbfinale. Im zweiten Hauptrundenspiel bezwang der WM-Siebte am Sonntag in Breslau Russland mit 30:29 (17:16). Damit kommt es am Mittwoch (18.15 Uhr/ARD) zum mit Spannung erwarteten Endspiel gegen den Titelanwärter Dänemark um den Einzug in die Medaillenrunde. „Wir haben es Gott sei Dank über die Bühne gebracht. Kompliment an die Jungs“, sagte Sigurdsson in der ARD.

Zwei Tore fälschlicherweise aberkannt

Vor rund 6200 Zuschauern lieferte die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) ein Spiel wie eine Achterbahnfahrt mit vielen Höhen und Tiefen. Darüber hinaus erwischte das portugiesische Schiedsrichter-Gespann einen rabenschwarzen Tag. Zwei reguläre Treffer der deutschen Handballer, bei denen der Ball klar hinter der Linie war, wurden nicht gegeben. Zudem ließen die Unparteiischen zur Freude der Russen mehrmals bei klaren Fouls, die sowohl einen Siebenmeter als auch eine Zweiminutenstrafe zur Folge hätten haben müssen, weiterspielen.

Mit Herz und Moral trotzten die deutschen Handballer aber dem Schiri-Irrsinn. Beste deutsche Werfer waren Christian Dissinger mit sieben und Erik Schmidt mit sechs Toren. Möglicherweise haben sich die Handballer ihren Sieg aber teuer erkauft. Kurz vor Schluss musste Kapitän Steffen Weinhold mit Oberschenkel-Problemen verletzt vom Platz. Auch Dissinger zog sich eine Muskelverletzung zu. Ob sie für den Showdown in drei Tagen gegen Dänemark ausfallen, soll noch am Abend bei Untersuchungen im Krankenhaus festgestellt werden. „Es sieht bei beiden nicht gut aus. Wir werden auf jeden Fall nachnominieren“, sagte Bundestrainer Dagur Sigurdsson.

Julius Kühn vom VfL Gummersbach und Kai Häfner von der TSV Hannover-Burgdorf werden zur Mannschaft in Breslau stoßen. Bereits vor der EM waren der eigentliche Kapitän Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki, Patrick Wiencek, Michael Allendorf und Paul Drux wegen Verletzungen ausgefallen.

Nervöse Anfangsphase der Deutschen

Die Anspannung vor der Partie war groß. Immerhin hatte Sigurdsson eindringlich vor der Stärke der unbequemen Russen gewarnt. „Sie spielen guten Handball“, meinte der Isländer. Sie seien inzwischen weit weg von ihrem früheren Kraft-Handball. „Sie sind moderner geworden.“

Mit dem Startsignal wich zwar die Anspannung, wurde aber durch Unsicherheit abgelöst, die erst nach und nach verschwand. Das DHB-Team agierte zunächst fahrig und in der Abwehr nicht konsequent genug. Nach Fehlwürfen und ungenauen Ballwechseln musste der WM-Siebte einem 4:7-Rückstand (8.) hinterherlaufen. Doch in gewohnter Manier zog sich die deutsche Mannschaft aus diesem Tief. In mühevoller Kleinarbeit holte sie die drei Tore auf und ging beim 11:10 (21.) erstmals in Führung.

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Weil die Russen aber vor allem über ihre Kreisspieler gefährlich blieben und zu Toren kamen, konnte sich das deutsche Team nicht absetzen. Immer wieder musste es den Ausgleich hinnehmen, sicherte sich aber eine 17:16-Pausenführung. „Wir haben nicht optimal gespielt und führen trotzdem. Jetzt kommen wir anders aus der Kabine raus und holen uns die zwei Punkte“, versprach Torhüter Andreas Wolff zur Pause in der ARD kühn.

Lichtlein zeigte Weltklasse-Leistung

Die Kampfansage setzte die deutsche Mannschaft in beeindruckender Weise um. Mit zwei schnellen Tore erhöhten Steffen Fäth und Steffen Weinhold auf 19:16 (33.). Zwar schmolz der Vorsprung in Unterzahl auf 19:18 (36.). Doch mit drei Treffern nacheinander sorgten der wurfgewaltige Christian Dissinger und sein Kieler Club-Kollege Rune Dahmke für das 23:19 (40.) und die erste Vier-Tore-Führung.

Carsten Lichtlein, der in der 23. Minute für Wolff ins Tor gekommen war, bot seine beste EM-Leistung und entschärfte zahlreiche Würfe. Zudem steigerte sich die Abwehr um den 2,10-Meter-Hünen Finn Lemke. Mit dem schönsten Tor Tages erzielte Kreisläufer Erik Schmidt das 25:20 (44.), indem er unter Bedrängnis artistisch mit einem Rückhandwurf über die Schulter traf. Danach zog aber wieder der Schlendrian beim Torwurf ins deutsche Team ein. Der Vorsprung war beim 26:26 (52.) dahin und das DHB-Team musste zum Ende zittern.