Hamburg. Ex-Meister akzeptiert Lizenzentzug und tritt nicht mehr an. Der e. V. verwirft die Option Zweite Bundesliga und will mit SG-Gründung Insolvenz vorbeugen

Die HSV-Handballer werden den Lizenzentzug durch die Bundesliga akzeptieren. Insolvenzverwalter Gideon Böhm wird nach Abendblatt-Informationen nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, innerhalb einer Woche gegen die Entscheidung der Lizenzierungskommission vom vergangenen Mittwoch Beschwerde einzulegen. Damit ist die Rückstufung des früheren deutschen Meisters (2011) und Champions-League-Siegers (2013) in die Dritte Liga zur kommenden Saison rechtskräftig.

Grund war der geheime Erlassvertrag, den Mäzen Andreas Rudolph, 60, mit der HSV-Betriebsgesellschaft geschlossen hatte. Er schränkte Rudolphs Verpflichtungserklärung, mit der der HSV im Lizenzantrag eine Etatdeckungslücke von 2,5 Millionen Euro ausgeglichen hatte, um Einnahmen aus Ticketing und Sponsoring in fast der gleichen Höhe ein. Entsprechende Verträge hatte es bereits in den vergangenen Jahren gegeben, um Rudolphs Steuerlast zu senken. Anders als in der Vergangenheit aber hatte der Medizintechnik-Unternehmer die Finanzprobleme des HSV diesmal nicht mehr ausgeglichen. Die Insolvenz war die Folge.

Theoretisch könnte der HSV trotz des Lizenzentzugs die Bundesligasaison noch zu Ende spielen. Doch voraussichtlich am Dienstag wird Böhm den sofortigen Rückzug vom Spielbetrieb erklären. Die Entscheidung erfolgt in Abstimmung mit dem HSV Hamburg e. V. als Lizenznehmer. Das Präsidium um Karl Gladeck will den geplanten Neuaufbau nicht gefährden. Eine spielfähige Profimannschaft hat der HSV schon jetzt nicht mehr. Sechs Abgänge stehen fest, weitere unmittelbar bevor. Zudem fiele die Wettbewerbsverzerrung noch krasser aus, würde der HSV die verbleibenden 14 Spiele mit einer besseren zweiten Mannschaft bestreiten. Nun hingegen werden alle Ergebnisse annulliert (s. Tabelle). Resultat: Die Reihenfolge bleibt unverändert. Am meisten profitieren Göppingen und Lübbecke, die dem zuletzt Tabellenvierten je zweimal unterlegen waren.

Die Liga, aus dessen Präsidium sich HSV-Handball-Geschäftsführer Christian Fitzek, 54, bereits zurückgezogen hat, prüft nun, den Club in Regress zu nehmen. Doch ist ihr vor allem ein Image- und kein materieller Schaden entstanden – was sich vor Gericht schwer beziffern lassen wird. Auch eine Geldstrafe ist nicht zu erwarten. Konkret geschädigt sind dagegen die sieben Clubs, die gegen den HSV noch ein Heimspiel hätten. Von ihnen wie auch vom letztjährigen Absteiger GWD Minden drohen jetzt Schadenersatzklagen.

Das bedroht auch den geplanten Neustart. „Der HSV Hamburg ist als Lizenznehmer verbands- wie zivilrechtlich in der Verantwortung“, sagt der Anwalt Claus Runge, der lange Jahre dem Ehrenrat des Clubs angehörte. Gelingt es also einem Geschädigten, dem HSV schuldhaften Lizenzverlust nachzuweisen, hätte das wohl die Insolvenz auch des e. V. zur Folge. Dann aber dürfte weder die erste Mannschaft noch das U23-Oberligateam, das kurz vor dem Aufstieg steht, in der kommenden Saison in der Dritten Liga antreten.

Vereinschef Karl Gladeck schlug Kooperationsangebot aus

Allerdings hegt Runge Zweifel, ob ein Zusatzvertrag, wie ihn Rudolph mit der GmbH geschlossen hatte, unrechtmäßig ist: „Ich denke nicht, dass der HSV die Liga betrogen hat. Der Vorwurf des Lizenzbetrugs dürfte unbegründet sein.“ Wenn aber der HSV den Lizenzentzug akzeptiere, könne dies als Schuldeingeständnis zu werten sein.

Um den Neuaufbau nicht zu gefährden, hat Gladeck offenbar einen anderen Plan: Er will einen neuen Verein gründen, der mit dem HSV eine Spielgemeinschaft gründet. Sollte der Altverein Insolvenz anmelden müssen, würde das höchstklassige Spielrecht gemäß Statuten auf den neuen Verein übergehen. Im Fall einer Auflösung des HSV könnten sämtliche Mannschaften dann auf den neuen Club übergehen.

Ein solches Konstrukt könnte bis zum 30. April aufgestellt werden. Es bedarf zwar noch der Zustimmung des Hamburger Handballverbandes. Doch der dürfte schon wegen der Spielmöglichkeiten für seinen Nachwuchs großes Interesse haben, hochklassigen Sport in der Stadt anbieten zu können.

Es könnte sogar Zweitligahandball sein. Der SV Henstedt-Ulzburg hat dem HSV ein entsprechendes Kooperationsangebot gemacht. Demnach würden verbliebene HSV-Profis den Kader des abstiegsbedrohten Zweitligisten verstärken. In der kommenden Saison würde das Team dann unter einem neuen Hamburger Namen antreten.

Gladeck hat das Angebot aber ausgeschlagen. Wohl auch, weil Henstedt-Ulzburg bereits einen Kooperationsvertrag mit dem HSV Norderstedt geschlossen hat. Dieser neue Verein wiederum wurde von ehemaligen, inzwischen Rudolph-kritischen Hamburger Funktionären wie Frank Spillner und Holger Liekefett gegründet.

Sie sollen bereit sein, sich im Interesse eines Neuanfangs in den Hintergrund zurückzuziehen. Einen entsprechenden personellen Schnitt könnten mögliche Sponsoren auch vom HSV Hamburg fordern. In dessen Aufsichtsrat sitzt immer noch Rudolphs Bruder Matthias, der die Mehrheitsanteile an der insolventen Betriebs-GmbH hält.