Breslau. Handball-Nationalmannschaft bietet beim 29:19 gegen Ungarn bisher bestes EM-Spiel und darf weiter auf den Einzug ins Halbfinale hoffen

Steffen Fäth kam zur Seitenlinie gerannt, flüsterte Bundestrainer Dagur Sigurdsson etwas ins Ohr. Der nickte kurz und schickte dann Jannik Kohlbacher aufs Feld. Nächste Aktion: Hinter seinem Rücken passte Fäth den Ball auf Kohlbacher, der Kreisläufer traf frei vor dem Tor zum 12:6. 40 Minuten später siegten die deutschen Handballer bei der Europameisterschaft in Polen mit 29:19 (17:9) gegen Ungarn. Die jüngste Mannschaft (Altersdurchschnitt 24,9 Jahre) hat damit das Aufeinandertreffen der Turnierküken gegen das zweitjüngste Team aus Ungarn (26,3 für sich entschieden und sich alle Chancen gewahrt, das Halbfinale zu erreichen. Nächster Gegner ist am Sonntag (18.15 Uhr/ARD) Russland (28:28/HZ 15:15 gegen Schweden), letzter am Mittwoch (18.15 Uhr) Tabellenführer Dänemark.

„Gegen Ungarn sollten wir auf Augenhöhe spielen“, hatte Dagur Sigurdsson vor der Partie gesagt. Bereits nach etwas mehr als zehn Minuten war seine Mannschaft dem Gegner allerdings entwachsen. Die eingangs beschrieben Szene ist nur ein Beispiel dafür, wie abgebrüht die junge deutsche Auswahl inzwischen zu Werke geht. Auch Kapitän Steffen Weinhold gelang ein perfektes Anspiel auf Kohlbacher (15:9/27.), bevor Fabian Wiede, mit einem Pass über nahezu das gesamte Feld Linksaußen Rune Dahmke bediente (16:9/29.). In jedem Spiel dieser EM ist eine Steigerung der deutschen Auswahl zu beobachten, so auch am Freitagabend, als neben der Abwehr, die wieder geschlossene Stärke demonstrierte, zum ersten Mal eine Vielzahl unterschiedlicher Angriffsvarianten funktionierten.

Zur Halbzeit zog Ungarns Trainer Talant Dujshebaev noch die Augenbrauen hoch und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Als Wiede, mit sechs Toren bester deutscher Werfer, zu Beginn der zweiten Hälfte dann das 18:9 erzielte, konnte der zweimalige Welthandballer (1994, 1996) nur noch den Kopf schütteln. Die Deutschen ließen den Ball weiter zügig durch ihre Reihen laufen, Spielmacher Martin Strobel fand stets eine passende Anspielstation, und eine Viertelstunde vor Schluss lag die deutsche Auswahl derart klar in Führung (23:15), dass Sigurdsson Strobel vom Feld nahm und dem 21-jährigen Simon Ernst seinen ersten EM-Einsatz gewährte, der sogar zu seinem ersten Tor führte.

„Der Trainer hat vorher gesagt, die Ungarn liegen uns – und er hat recht behalten“, sagte der erneut starke Torhüter Andreas Wolff. Zehn Minuten vor Schluss durfte sein Kollege Carsten Lichtlein zwischen die Pfosten. Auch für den 35-jährigen, der noch nicht so recht in dieses Turnier gefunden hatte, lief alles zusammen. Zwei Minuten nach seiner Einwechslung konnte er mit einer Parade Selbstbewusstsein sammeln und hielt im Anschluss auch noch zwei Strafwürfe.

„Das war wieder eine grandiose Leistung“, lobte Sigurdsson. „Die Disziplin, dieser Wille, die Art und Weise, wie wir spielen, kostet viel Kraft und Energie, und das haben die Jungs alles gemacht. Wir konnten heute in der zweiten Halbzeit ein bisschen mehr wechseln als bisher. Dadurch haben wir wieder ein paar mehr Leute, die im Turnier drin sind. Wir sind voll im Soll und können jetzt ohne Druck die nächsten Aufgaben angehen.“