Hamburg. Garrett Festerling ist der Musterprofi im Hamburger Eishockeyteam. An diesem Freitag gegen Mannheim fehlt er erkrankt

Jasper Brinkmann

Nach dem Abschlusstraining am Donnerstagvormittag war er noch optimistisch. „Ich kämpfe mich durch“, sagte Garrett Festerling, der in dieser Kampfansage ausnahmsweise nicht die sportliche Krise seiner Hamburg Freezers zu verarbeiten suchte, sondern auf seine private Situation anspielte. Seit Tagen liegen Ehefrau, Tochter und die aus Kanada zu Besuch angereiste Mutter des Angreifers mit grippalen Infekten flach, sodass der 29-Jährige derzeit in Doppelfunktion als Krisenhelfer benötigt wird.

Wenige Stunden später schockte die Presseabteilung des Clubs aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) allerdings Medien und Fans mit der Nachricht, dass der Deutschkanadier wegen eines akuten Magen-Darm-Infekts im Heimspiel gegen den deutschen Meister Adler Mannheim an diesem Freitag (19.30 Uhr, Barclaycard-Arena) nicht auflaufen kann. Für das zweite Duell des Doppel-Heimspielwochenendes am Sonntag (14.30 Uhr) gegen die Nürnberg Ice Tigers ist der Mann mit der Rückennummer 14 allerdings wieder eingeplant.

Und das ist auch dringend vonnöten, denn wie sehr die um die Qualifikation für die Play-offs bangende Mannschaft von Cheftrainer Serge Aubin unter einem Ausfall ihres 174 Zentimeter kleinen Kraftpakets leidet, zeigte sich zu Beginn der Saison, als Festerling wegen einer Schambeinentzündung und zusätzlicher Leistenoperation wochenlang fehlte.

Keine Frage: Der Mittelstürmer, der in der deutschen Paradereihe mit David Wolf und Jerome Flaake in bislang 16 Saisonspielen fünf Tore und zwölf Vorlagen beisteuerte, ist als Aggressivanführer nicht zu ersetzen. Seine Präsenz auf dem Eis, die physische Wucht, mit der er die Gegner unter Druck setzt und zu Fehlern zwingt, ist in der von zu vielen Schönspielern belasteten Auswahl eine immens wichtige Komponente. Und auch wenn Garrett Festerling nach Niederlagen – davon kassierten die Freezers zuletzt drei in Serie – oft wirkt, als trüge er das Gewicht der gesamten Welt auf seinen Schultern, so ist er stets Profi genug, sich den Medien zu stellen und dabei nicht nur die üblichen Sprechblasen abzusondern. Und er kommt jeden Tag mit vorbildlicher Einstellung und großer Freude zur Arbeit.

„Ich hatte in den vergangenen Jahren einige schwere Verletzungen und weiß deshalb genau, wie es ist, wenn einem die Möglichkeit genommen wird, seinen Lieblingssport auszuüben. Also genieße ich jeden Tag, an dem ich Eishockey spielen darf“, sagt er. Das allerdings tut er erst seit wenigen Jahren. Als er im Sommer 2010 vom deutschen Meister Hannover Scorpions nach Hamburg wechselte, da traf man einen Spieler, dessen Selbstvertrauen unter dem Eis eingefroren zu sein schien. Demoralisiert von Meistertrainer Hans Zach, der ihm die DEL-Tauglichkeit abgesprochen hatte, zweifelte Festerling an der Fortsetzung seiner professionellen Karriere.

„Ich war damals sehr hart zu mir und konnte mit Druck nicht umgehen. In Hamburg habe ich, dank der Führung diverser Mitspieler, gelernt, dass es niemandem hilft, sich selbst runterzuziehen. Ich habe jetzt mehr Gelassenheit im Umgang mit Krisen“, sagt er.

Diese Gelassenheit sollte jedoch niemand mit Lethargie verwechseln. Wer Festerling im Training zusieht, der kann nachvollziehen, wenn er sagt: „Du musst so trainieren, wie du spielen willst, um bereit zu sein. Du weißt nie, wann es vorbei ist, deshalb musst du jeden Tag alles dafür geben, dich zu verbessern.“ Diesen Wettkampfgeist habe ihm sein eine Viertelstunde jüngerer Zwillingsbruder Brett, der seit Sommer 2014 für die Freezers spielt, eingeimpft. In vielen Stunden ihrer Jugend hatten die beiden auf dem zugefrorenen Teich in ihrem kanadischen Heimatdorf Zweikämpfe absolviert. „Brett hatte immer mehr Talent, er war größer und stärker, und ich war neidisch auf ihn. Aber er hat mich mitgerissen und mich gelehrt, niemals aufzugeben, für das zu kämpfen, was ich will“, sagt Garrett.

Diese Einstellung ist es, die beide Festerlings für die Freezers unverzichtbar macht. Dass es an diesem Freitag ohne Garrett zum Sieg reichen muss, macht die Aufgabe nicht leichter. Aber wenn alle Spieler sein Motto verinnerlichten, wäre schon viel gewonnen.