Hamburg. Marc Hornschuh hat sich beim FC St. Pauli in vier Monaten zur festen Größe entwickelt. Viele trauen ihm noch mehr zu

Tempoläufe zu absolvieren, anstatt zu spielen ist für keinen Fußballer ein beliebtes Alternativ­programm. Am Sonnabend aber blieb Marc Hornschuh und seinen Kollegen des FC St. Pauli keine andere Wahl. Nachdem schon tags zuvor das geplante Testspiel des Zweitliga-Vierten beim Lüneburger SK Hansa in Bardowick abgesagt worden war, fiel auch die daraufhin kurzfristig angesetzte Partie gegen denselben Gegner auf dem eigenen Trainingsgelände in Niendorf den widrigen Platzverhältnissen zum Opfer. Der Kunstrasenplatz an der Kollaustraße war nach Schneefall, Dauerregen und anschließendem Nachtfrost teilweise noch vereist. Kurz vor dem geplanten Anpfiff am späten Vormittag entschieden die Teamleitungen, dass das Risiko eines Spiels zu groß sei.

Die Gäste aus Lüneburg absolvierten stattdessen auf dem abgetauten Teil des Platzes eine reguläre Trainingseinheit, während die St. Paulianer vier jeweils vier Minuten lange, schnelle Läufe mit einer individuell festgelegten Herzfrequenz auf den beiden Naturrasenplätzen abreißen mussten.

„Es war natürlich schade, dass wir nicht spielen konnten. Nach einer Woche Training hätten wir das sehr gern gemacht. Aber vor allem die Außen­bahnen des Platzes waren noch hart und vereist. Gerade für mich als Au­ßenverteidiger wäre das problematisch geworden“, sagte Marc Hornschuh.

Am Sonntag war der Kunstrasen dank des Dauerregens wieder bespielbar, Trainer Ewald Lienen ließ daher sieben gegen sieben spielen. „Das war ein bisschen Ersatz für das ausgefallene Spiel“, sagte Hornschuh danach. Mit einem fulminanten Schrägschuss hatte er bei diesem Kick den linken oberen Torwinkel nur knapp verfehlt.

Angesichts seiner Entwicklung in den vergangenen nur gut vier Monaten beim FC St. Pauli musste sich der 24 Jahre alte Hornschuh nicht groß über das verpasste Erfolgserlebnis im Training grämen. Seit er am 31. August, also dem letzten Tag der vergangenen Sommer-Transferperiode, vom Zweitliga-Konkurrenten FSV Frankfurt zum Kiezclub gekommen ist, hat er alle 14 Zweitligaspiele bestritten, zwölf davon über die gesamte Spielzeit. Dabei hatte er bei seiner Vorstellung noch gesagt: „Ich weiß, dass ich als Back-up-Spieler geholt worden bin.“

Tatsächlich hatten St. Paulis Sportchef Thomas Meggle und Trainer Lienen Ausschau nach einem „polyvalenten“ Defensivspieler gehalten, der die vorgesehenen Stammkräfte auf den Innen- und Außenverteidiger-Positionen sowie im defensiven Mittelfeld ersetzen könnte. Hornschuh, den der FC St. Pauli schon seit Langem beobachtet hatte, passte genau in dieses Profil. „Ich hatte dann das Glück, dass ich gleich die Chance bekam zu spielen“, sagt er jetzt rückblickend. Durch die Verletzung von Jan-Philipp Kalla rückte Hornschuh auf Anhieb in die Startelf.

Bis heute hat der aus Dortmund stammende Hornschuh praktisch kein schlechtes Spiel für St. Pauli absolviert, sondern vielmehr in den meisten Partien eine ansprechende Leistung abgeliefert. Ein persönlicher Höhepunkt war dabei sein bisher einziges Tor beim 3:3 bei Union Berlin.

„Ich habe hier gar keine Anlaufschwierigkeiten gehabt, was auch daran lag, dass ich sofort das Vertrauen des Trainers gespürt habe“, sagt Hornschuh. Wie viele Beobachter des Teams hat er auch selbst den subjektiven Eindruck, schon länger als seit gut vier Monaten beim FC St. Pauli zu sein. Dass er doch erst kurz hier ist, wird eher daran deutlich, dass er sich noch längst nicht alle Sehenswürdigkeiten angeschaut hat. „Meine Mutter und mein Bruder waren schon auf dem Michel, als sie mich besucht haben. Als sie das gemacht haben, hatte ich aber Training“, erzählt Hornschuh.

Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass er genügend Zeit bekommen wird, Hamburg weiter zu erkunden. Sein Vertrag endet zwar bereits Ende Juni, doch der FC St. Pauli besitzt eine Option für eine weitere Saison. „Ich kann mir auch gut vorstellen, noch länger hier zu bleiben“, sagt Hornschuh.

Da trifft es sich gut, dass sich auch Sportchef Thomas Meggle eine längere Zusammenarbeit mit Hornschuh gut vorstellen kann. „Er hat sich hier parallel zur Mannschaft und zum gesamten Verein in der Zweiten Liga positiv zu einem Leistungsträger entwickelt. Ich denke, dass sich diese Entwicklung auch noch lange weiter fortsetzen kann“, sagte Meggle kürzlich im Interview mit dem Abendblatt.

Angesichts dieser Harmonie könnte sich anbieten, dass St. Pauli nicht nur die Option zieht, sondern sich gleich auf einen mittelfristigen Vertrag mit Hornschuh einigt. „Es hat erste Gespräche mit meinem Berater gegeben. Ich denke, dass es im nächsten Monat konkret wird“, sagt Hornschuh, der sich auch zutraut, im Laufe der Zeit eine Führungsrolle zu übernehmen. „Ich bin zwar ein ruhiger Typ, aber ich war auch schon Kapitän der U-23-Mannschaft von Borussia Dortmund und kann auf meine Art meine Mitspieler ansprechen“, sagt er dazu.