Belek. Der HSV muss am ersten Trainingslagertag gegen Wassermassen kämpfen. Coach Bruno Labbadia stellt das Training um und nimmt es mit Humor

Am Ende ist eben alles eine Einstellungssache. „Wie Zuhause! Herrlich. #Hamburg “, witzelte die HSV-Medienabteilung im Anschluss an das abgebrochene Vormittagstraining in Belek via Twitter und versah das ganze mit einem Foto vom strahlenden Bruno Labbadia im strömenden Regen. Der von oben bis unten durchnässte Trainer hatte wenige Minuten zuvor die erste Blitz-Donner- und Dauerregen-Einheit des Trainingslagers an der türkischen Riviera abbrechen müssen – und fand das im Anschluss nicht mal schlimm: „Das war schon heftig. Aber Spaß hat es trotzdem gemacht.“

Als überzeugter Wahl-Hamburger weiß Labbadia: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.

Tatsächlich klang es nur wenig einladend, was der Wetterbericht für den ersten Trainingstag des HSV am Mittelmeer vorhergesagt hatte. Morgens: Unbeständig, frische Böen. Mittags: Regen, starke Böen. Und abends: Gewittrig, noch stärkere Böen. Das Ganze abwechselnd garniert mit Blitz und Donner. Der frühere HSV-Profi Tunay Torun, mittlerweile in der Türkei bei Kasimpasa unter Vertrag, wollte sogar erfahren haben, dass es am Donnerstag rund um Antalya „einen der stärksten Stürme seit vielen Jahren“ geben sollte. Hosgeldiniz! Herzlich Willkommen im „türkischen Sonnenparadies“ (O-Ton eines Reiseführers). „Es soll ja besser werden“, orakelte Labbadia, der sich auch von dem Einwand, dass es nach zwei voraussichtlichen Sonnentagen am Freitag und Sonnabend praktisch nur noch regnen dürfte, keinesfalls entmutigen lassen wollte: „Wir geben die Hoffnung jedenfalls nicht auf.“

Der Coach, der trotz Regenrisikos seit Jahren ein überzeugter Belek-Fan ist, versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. „Natürlich mussten wir das Training ein bisschen umstellen. Aber statt Taktiktraining und Positionsspiel haben wir eben Spielformen einstudiert. Dabei muss man nicht so lange im Regen auf der Stelle stehen.“

Trotz gerade mal 15 Grad schien sich der modifizierte Übungsplan zumindest auf das Betriebsklima der Mannschaft positiv auszuwirken. Im Training wurde gescherzt und gelacht wie selten zuvor. Die obligatorischen Liegestütze für die Verlierermannschaft wurden vom Siegerteam mit lautem Gejohle quittiert, Lewis Holtby erlaubte sich seine Scherze mit den Hotelangestellten und selbst der eher introvertierte Artjoms Rudnevs schrieb nach der Unwettereinheit lächelnd im strömenden Regen Autogramme. „Mal abgesehen vom Wetter dürfen sich die Jungs über alle Annehmlichkeiten freuen, die man sich vorstellen kann“, sagte Labbadia, der für den Abend direkt eine Regenerationseinheit in der luxuriösen – und trockenen – Wohlfühloase des Sueno Deluxe ansetze.

Die erst vor einem halben Jahr eröffnete Edelanlage lässt wahrlich keine Wünsche offen. In dem Fünf-Sterne-Plus-Hotel, das aus der Ferne wie ein Ufo aus einer fernen Galaxie wirkt, gehören Spa, Sauna, Dampfbad und Hammam zur Grundausstattung. „Wir dürfen uns über einen außergewöhnlichen Komfort freuen“, sagt Labbadia, der bereits als Trainer von Greuther Fürth, Leverkusen und dem VfB Stuttgart auf das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis in Belek schwor. Und natürlich auch als HSV-Coach vor fünf Jahren.

Damals hatte Labbadia einem eher suboptimalen Trainingslager in Belek eine eher suboptimale Rückrunde folgen lassen. Der Rest der Geschichte ist bekannt – und soll sich in diesem Jahr auf keinen Fall wiederholen. „Natürlich wollen wir hier die Grundlagen für eine ähnlich gute Rückrunde wie die Hinrunde legen“, sagte der Coach, der noch bis zum Ende des Trainingslagers einen neuen Einjahresvertrag unterzeichnen will. Sollte er dann auch diesen erfüllen, man mag es kaum glauben, wäre er der erste HSV-Coach seit Trainerlegende Ernst Happel (1981 bis 1987 beim HSV), dem dieses Kunststück gelingen würde.

Im nasskalten Hier und Jetzt interessieren den wetterresistenten Fußballtrainer allerdings ganz andere Dinge. Inklusive der beiden Dauerpatienten Albin Ekdal und Gojko Kacar hat Labbadia 29 Spieler in Belek dabei. Dabei will der Trainer nicht nur eine mögliche Startelf für den Bundesligaauftakt gegen Bayern München (Fr., 22. Januar) finden, sondern auch die drei Nachwuchskräfte Finn Porath, Dren Feka und Kerim Carolus fordern und fördern. „Die Jungen haben Talent. Wir wollen sie langsam ranführen“, sagt Labbadia, der daran erinnert, dass es für den 18 Jahre alten Jugendnationalspieler Porath sogar das erste Profitrainingslager überhaupt ist. Dass der Youngster in seine Rolle erst einmal hineinwachsen muss, konnte man bereits auf dem Hinflug beobachten. Der kurzfristig ins Trainingslager eingeladene Porath, 1,79 Meter groß, „durfte“ während des Fluges den Ausgehanzug vom verletzten Marcelo Díaz, 1,66 Meter klein, auftragen. Ein echter Hingucker.

In den nächsten Tagen will Labbadia einen Einjahresvertrag unterzeichnen

Wer am Donnerstagnachmittag ganz genau hinschaute, konnte bei der zweiten Einheit des Trainingslagers sogar ab und an die Sonne hinter den dunklen Wolken hervorlugen sehen. „Ist doch gar nicht so schlimm“, sagte Clubchef Dietmar Beiersdorfer, der mittags via Istanbul gemeinsam mit Sportdirektor Bernhard Peters nachgereist war. In Hamburg würde auch nicht die Sonne scheinen, so Beiersdorfer, zudem sei er bei minus vier Grad abgereist. Eben alles eine Sache der Einstellung.