Hamburg. Die Hamburg Towers gehören nach dem 73:63-Heimsieg gegen Spitzenreiter Jena zu den Anwärtern auf die Erste Liga

Die Hamburg Towers schmettern sich an diesem Montag in einem Tischtennisturnier die viel kleineren Bälle um die Ohren. Danach hätten seine Profis „gedibbert“, als Belohnung im Training, falls sie Tabellenführer Jena schlagen, erzählte Headcoach Hamed Attarbashi. Er lächelte gequält, aber als Ehrenmann hält er nun mal Wort. Spielmacher Anthony Canty vermutete seinen Point-Guard-Kollegen Steffen Kiese als Ping-Pong-Organisator: „Dem gefällt einfach alles.“

Den Tischtennisspaß haben sich die Towers wahrlich verdient, und Canty trug das fetteste Grinsen aller im Gesicht nach dem 73:63 (31:28)-Sieg zum Zweitliga-Rückrundenstart, dem siebten Heimerfolg in Serie. Der A2-Nationalspieler hatte zugleich eine Wette gegen seine Freundin Nina gewonnen, die ihm für den ersten Towers-Coup gegen Angstgegner Jena am Spielfeld seinen Lieblingsnusskuchen überreichte. Hätten die „Türme“ verloren, hätte sie ihn gehässig ans Publikum verteilt.

Die Spielerfreundin wäre damit nicht weit gekommen, denn die Inselparkhalle verzeichnete mit 3400 Zuschauern neuen Rekordbesuch. Schon Stunden vor der Partie hatten die Towers eine nicht ganz ehrlich gemeinte Entschuldigung auf Facebook gepostet: „Es wird leider keine Abendkasse geben. #Wirsindbisobenhinvoll.“ Auch die 400 Stehplätze für je zehn Euro gingen im Vorverkauf weg. Diese Karten für den Arenaumlauf werden erst seit dem Supercup mit Dirk Nowitzki im Spätsommer angeboten, seitdem ist das Spielzimmer der Towers fertiggestellt und fasst statt 3001 nun 3400 Plätze.

Sportdirektor Marvin Willoughby verspürte ein „wundervolles Gefühl“, als er die Towers, „sein Baby“, vor der neuen Rekordkulisse spielen sah. Nach dem abgeebbten Anfangshype keine Selbstverständlichkeit. Zu Saisonbeginn dribbelten die Elbkorbjäger nur noch vor 2000 bis 2300 Fans. Aber dann setzte man sich in der Geschäftsstelle am Kurt-Emmerich-Platz selbstkritisch zusammen und stellte fest, dass man die Werbung vernachlässigt habe, wie Mitgesellschafter und Pressesprecher Jan Fischer erzählt. Mit ihrem Minimarketingbudget reagierten sie im Oktober bereits damit, im Fahrgast-TV der Hamburger U-Bahnen für sich zu werben. Als nächstes sollen Plakate an den U-Bahnhöfen folgen.

Fischer schätzt, dass bloß zehn Prozent der Hamburger die Towers kennen und erst 40.000 bisher ein Spiel live erlebt haben. „In der Stadt schlummert noch ein Riesenpotenzial für Basketball.“ Außerdem hoffen die Towers bei der Sponsorensuche auf einen „Vattenfall-Effekt“: Der neue Exklusivpartner und langjährige Cyclassics-Titelsponsor leuchtete gegen Jena erstmals von den LED-Banden am Spielfeldrand. Bestimmt auch als Signal für andere große Unternehmen. Bundesverdienstordenträger Willoughby betonte: „Wir geben erst Geld aus, wenn wir es eingenommen haben. Wir wollen das positive Sportteam in Hamburg bleiben.“ Das war auch ein Seitenhieb in Richtung des HSV Handballs, des Meisters von 2011, Meisters im Über-seine-Verhältnisse-Leben und Meisters im Negativschlagzeilen produzieren. Willoughby würde seine Towers nicht von einem Mäzen abhängig machen, sagte er. Notfalls würde der 37-Jährige auch den bremsenden Spaßverderber geben, falls sich die Towers in dieser Saison sportlich für die Erste Liga qualifizierten. „Ich will auch in die Bundesliga, aber erst, wenn wir organisatorisch und wirtschaftlich so weit sind. Ich entscheide jedoch nicht allein, ich bin ja nur einer der Gesellschafter.“ Aber: Willoughby entscheidet viel im Club.

Mit dem Thema Aufstieg kann man sich in der Towers-Familie tatsächlich mal beschäftigen, denn das Attarbashi-Team hat nach Ligakrösus Rasta Vechta (82:74) nun eben auch Jena zu Hause besiegt. Man liegt zwar nur auf Platz fünf (mit zehn Siegen und sechs Niederlagen), doch nach dem 1:3-Fehlstart sind die Wilhelmsburger nun so richtig „im Flow“, wie die Basketballer sagen.

Beeindruckend ist vor allem die Kadertiefe. Wenn Bazou Koné, einer der ligabesten Deutschen der Hinrunde, mal nur drei Pünktchen wirft und nach einer angedeuteten Kopfnuss sechs Minuten vor Schluss einen Parkettverweis erhält – und ihm jetzt eine Sperre droht –, springen eben Canty ein (17 Punkte) oder Jonathon Williams. Der US-Forward traf wieder mal als Topscorer (18) und hatte nach einem 10:17-Rückstand per Monsterblock die Arena und sein anfangs zögerliches Team brachial wachgeschüttelt.

Der erneute Einzug in die Play-offs der besten acht sollte für diese Mannschaft kein Problem sein. Eine Topvierplatzierung erscheint auch machbar, dann hätte man in den Play-offs zunächst Heimrecht. „Wenn wir unter die ersten zwei kommen, hätten wir noch eine Runde länger Heimrecht“, sagte Willoughby. So weit hat er dann doch schon gedacht. Die zwei Play-off-Finalisten steigen übrigens auf. Coach Attarbashi denkt nur von Spiel zu Spiel, so fokussiert, dass der „Tatort“-Fan vor dem Jena-Spiel die Hamburg-Folge mit Helene Fischer als russische Killerin verpasste. „Oh Mist. Lief das schon? Aber zum Glück gibt’s die Mediathek.“