Hamburg. Nationalstürmer hält nach 1:5 gegen Wolfsburg Brandrede in der Kabine. Eine Analyse über die Schwachstellen im Team

Die Worte, die David Wolf am Freitagabend nach der 1:5-Pleite gegen die Grizzlys Wolfsburg in der Kabine an seine Mitspieler richtete, waren bis weit auf die Flure der Barclaycard Arena zu hören. „We are not a fu...ing team“, wir sind verdammt noch mal keine Mannschaft, war die Kernaussage des lautstarken Monologs, mit dem der deutsche Nationalstürmer seine Hamburg Freezers aufrütteln wollte.

Die Kritik zielte vor allem auf die derzeit fehlende Zusammenarbeit auf dem Eis ab. Menschlich harmoniert die Mannschaft größtenteils, jedoch bewegen sich viele Spieler auf dem Eis nicht außerhalb ihrer Komfortzone. Vermeintliche Leistungsträger laufen ihrer Form seit Wochen hinterher. Marcel Müller, als Königstransfer gefeiert, wartet seit 17 Spielen auf einen Treffer. Auch die vermeintlichen Leistungsträger Michael Davies, Phil Dupuis oder Morten Madsen sind mehr mit sich selbst beschäftigt, als dem Team zu helfen. Den Freezers scheint jene Mentalität abhandengekommen zu sein, die sie in den vergangenen Jahren ausgezeichnet hatte: mit harter Arbeit und hohem läuferischen Aufwand die Gegner niederzuarbeiten.

Es fehlt einem Teil der Spieler der unbedingte Wille, die Drecksarbeit zu machen und Fehler des Mitspielers auszubügeln. Ein Problem, das auch intern schon thematisiert wurde. Die Abgänge der Führungsspieler Duvie Westcott und Matt Pettinger im ver­gangenen Sommer konnten nicht kompensiert werden. Vor allem abseits der Eisfläche fehlen die beiden Routiniers als Anführer. Zudem sind die Freezers qualitativ in der Defensive im Vergleich zur Vorsaison schwächer geworden. Mit Ausnahme von Christoph Schubert und Mathieu Roy wackeln die Verteidiger gewaltig.

Probleme gibt es aktuell jedoch in allen Mannschaftsteilen. „Wir haben zu viele Passagiere, die sich nicht genug reinhängen. Einige Spieler müssen in den Spiegel gucken. Das Auftreten gegen Wolfsburg war inakzeptabel. Wir wurden niedergespielt, niedergekämpft. So kann man sich nicht präsentieren“, sagte Cheftrainer Serge Aubin, der sauer wie noch nie in seiner knapp 15-monatigen Amtszeit ist. „Ich schrecke vor nichts zurück, wenn es die Mannschaft wieder auf Kurs bringt“, drohte der ehemalige Profi, wohlwissend, dass seine Möglichkeiten zu reagieren limitiert sind.

Ein personelles Zeichen ist wegen der vielen Verletzten kaum möglich

Einen gesunden Spieler als Zeichen auf die Tribüne zu verbannen ist aus Mangel an Personal kaum möglich. Mit Stürmer Nico Krämmer (Schulterverletzung), Abwehrspieler Brett Festerling (Aufbau nach Nervenschaden in der Hand) und Mathieu Roy, dessen Einsatz im Heimspiel gegen die Eisbären Berlin an diesem Dienstag (19.30 Uhr, Barclaycard Arena) nach einer Augenverletzung fraglich ist, fehlen drei wichtige Spieler, was sich – und das darf als Erklärung für die mangelhafte Abstimmung gelten – wie ein roter Faden durch die Saison zieht.

Ein Mittel, um die Mannschaft wachzurütteln, wäre ein Wechsel zwischen den Pfosten. So würde es nicht überraschen, wenn Sébastien Caron nach überstandenem Bandscheibenvorfall gegen Berlin sein Comeback feiert, zumal Cal Heeter derzeit zwar ordentlich hält, aber nicht den Eindruck macht, den Freezers Spiele zu gewinnen. Fakt ist: Für Aubin ist es die größte Prüfung seiner noch jungen Laufbahn. Der Coach muss mit seinem Assistenten Stéphane Richer einen Weg finden, die Spieler in die Spur zu bringen und mehr taktische Variabilität an den Tag zu legen. Zu oft fehlt ein Plan B, wenn die ursprüngliche Spielidee nicht funktioniert. „Ich habe den Glauben nicht verloren, zweifle nicht am Team. Wir müssen jetzt zusammen­halten“, sagte Kapitän Schubert.

Bis zum Jahreswechsel stehen noch Heimspiele gegen Berlin und die Kölner Haie (28. Dezember) sowie Reisen zu den Straubing Tigers (26.) und den Krefeld Pinguinen (30.) auf dem Programm. Vom ursprünglich ausgegeben Saisonziel Top sechs sind die Hamburger punktetechnisch nicht weit entfernt, wohl aber leistungsmäßig. „Ich will einfach, dass wir hart arbeiten“, sagte Aubin. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich gegen den Erzrivalen, und die Freezers sollten sie nutzen.