Hamburg. Insolvenzverwalter Böhm verbreitet demonstrativ Zuversicht. Fitzek kehrt auf Trainerbank zurück. Mäzen Rudolph will sich am Sonnabend äußern

Spaß? Hat Christian Fitzek gerade Spaß gesagt? Ja, wirklich, er wiederholt diesen Satz sogar noch zweimal: „Die Arbeit mit dem gesamten Team macht sehr viel Spaß.“ Er wie auch Gideon Böhm, der vorläufige Insolvenzverwalter, seien „Feuer und Flamme“ für die HSV-Handballer.

Das sind Worte, wie man sie nicht unbedingt erwartet vom Geschäftsführer eines Clubs, der am Abgrund taumelt. Am Dienstag hat Fitzek als Geschäftsführer der HSV Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG beim Amtsgericht Hamburg ein Insolvenzverfahren beantragt, weil Gehälter nicht überwiesen, Mieten nicht bezahlt, Beiträge und Steuern nicht abgeführt werden konnten. Jetzt liegt das Schicksal des deutschen Meisters von 2011 und Champions-League-Siegers von 2013 in den Händen von Gideon Böhm, 47, einem promovierten Fachanwalt, akkurater Scheitel, Brille, ruhige Stimme. Er war vor zehn Jahren bereits mit der Insolvenz der Vorgängergesellschaft Omni Sport betraut. Aber diese Fälle ließen sich nicht vergleichen.

Zwei Tage lang haben Böhm und seine zahlreichen Kollegen von der Kanzlei Münzel & Böhm Unterlagen studiert, mit Gläubigern und Dienstleistern gesprochen. Das war erst der Anfang, aber Böhm wagte sich am Freitag bei einer Pressekonferenz im NH-Hotel Altona mit ersten Aussagen an die Öffentlichkeit. Die wichtigste: „Es gibt eine realistische Chance für ein tragfähiges Sanierungskonzept.“

Böhm will sein Gutachten „bis Mitte, Ende Januar“ dem Insolvenzgericht vorlegen. Dieses entscheidet dann darüber, ob ein Verfahren eröffnet wird, was den Tabellenfünften am Saisonende acht Pluspunkte kosten würde. Vier weitere werden voraussichtlich abgezogen, weil es dem HSV nicht gelang, das bilanzielle negative Eigenkapital zum Jahresende im Vergleich zu 2012 um 30 Prozent abzubauen.

Aber Böhm und Fitzek war spürbar daran gelegen, positive Botschaften zu verbreiten. Man habe es „hinbekommen, die nächsten Spiele zu spielen“, sagte Böhm: an diesem Sonntag gegen den SC Magdeburg (15 Uhr, Barclaycard Arena), am Mittwoch in Lübbecke und am Sonntag kommender Woche gegen Göppingen. Er habe „extrem positive Signale“ von den Gläubigern und Dienstleistern empfangen, allen voran vom Arenabetreiber, was ihn davon ausgehen lasse, dass der HSV seine Heimspiele auch im neuen Jahr dort austragen kann. Und die Mannschaft habe „ganz toll reagiert“.

Die Spieler hatten zwei Monate kein Gehalt bekommen. Inzwischen, so ist zu hören, ist eine Zahlung angewiesen worden. Böhm hat bereits eine „Insolvenzgeld-Vorfinanzierung“ eingeleitet, womit eine Entlohnung der Profis bis einschließlich Dezember und der Mitarbeiter bis einschließlich Januar gewährleistet wäre. Aber dann? Laut Böhm ist „die Bezahlung der Gehälter gesichert“. Ja, er sehe nicht einmal die Notwendigkeit, sich von einigen der hoch bezahlten Profis zu trennen: „Ich will ein Konzept erarbeiten, das die Spieler davon überzeugt, in Hamburg zu bleiben.“ Ein vorzeitiger Abgang von Adrian Pfahl zum 1. Januar, den sein künftiger Verein Frisch Auf Göppingen anstrebt, sei keineswegs unausweichlich. Pfahl selbst könnte einen ablösefreien Abgang erwirken, weil ihm der HSV zwei Monatsgehälter schuldet.

Ein Totalausverkauf scheint jedoch nicht zu befürchten zu sein. Kapitän Pascal Hens, der wie Johannes Bitter am Freitag mit auf dem Podium saß, schloss einen Wechsel praktisch aus: „Ich werde im März 36 Jahre alt – wo soll ich denn hin.“ Bei Bitter, 33, dürfte der Fall etwas anders liegen. Der frühere Nationaltorwart, seit 2007 die Nummer eins in Hamburg, könnte noch einige Jahre auf höchstem Niveau halten. Er selbst sagt: „Ich wäre doch der Letzte, der hier weggeht.“

Aber auch Bitter und andere Leistungsträger wie Hans Lindberg werden spätestens nach der Europameisterschaft im Januar in Polen Klarheit darüber haben wollen, ob und wie es in Hamburg weitergeht. Die Zeit drängt. Am 15. Februar endet die Wechselfrist. Bis 1. März muss ein Lizenzantrag für die kommende Bundesligasaison eingereicht sein. Und die Sanierung müsste bis 10. April abgeschlossen sein, um den Zwangsabstieg in die Zweite oder Dritte Liga noch abzuwenden. Wobei es findigen Juristen gelingen könnte, diese Bestimmung aus den Angeln zu heben.

Die Bundesliga dürfte trotz des erheblichen Imageschadens der vergangenen eineinhalb Jahre ein hohes Inter­esse daran haben, den Standort Hamburg zu erhalten. Dass der HSV überhaupt die Lizenz für die laufende Saison bekommen hatte, halten Kritiker für politisch motiviert.

Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann hatte in der aktuellen Krise allerdings wiederholt auf die Sicherheit verwiesen, die der HSV im Lizenzierungsverfahren hinterlegt hatte. Offenbar geht es um eine Patronatserklärung von Andreas Rudolph im Umfang von zwei bis drei Millionen Euro, deren Auszahlung der Mäzen verweigert haben soll. Böhm konnte oder wollte zu der Sache nichts sagen, versprach aber eine „sorgsame Prüfung“.

Rudolph, 60, hatte noch im November mit den großen HSV-Gläubigern um eine Stundung und einen Erlass der Schulden gerungen, soll sich dann aber zurückgezogen haben. Der Medizintechnik-Unternehmer (GHD), der die Handballer in den vergangenen elf Jahren mit 40 Millionen Euro in Form von Zuschüssen und Darlehen unterstützt haben soll, hat für Sonnabend ausgewählte Medien zu einem Gespräch geladen, „um die momentane Situation aus meiner Sicht darzustellen“.

Böhm hat zu Rudolph und dessen Bruder Matthias, der die Mehrheitsanteile an der Betriebsgesellschaft hält, noch keinen Kontakt gehabt. Das sei auch vorerst nicht notwendig: „Wir reden im Moment nicht mit Altgläubigern über einen Forderungsverzicht, sondern nur mit den für den Spielbetrieb relevanten Dienstleistern dar­über, inwieweit sie uns entgegenkommen.“ Wer jetzt eine Eintrittskarte kaufe oder den HSV anderweitig unterstütze, tilge damit keine Altschulden, sondern trage ausschließlich zur Sicherung des Spielbetriebs bei.

Noch am Freitag konnte vermeldet werden, dass die Partnerschaft mit der Bahn um ein Jahr verlängert werde. Für Nachrichten dieser Art ist künftig die Agentur Konstruktiv-PR zuständig. Die Geschäftsstelle ist nur noch mit sportlichen Dingen betraut. Geschäftsführer Fitzek kehrt für die verbleibenden drei Spiele nach zehn Jahren auf die HSV-Trainerbank zurück und vertritt Michael Biegler, der sich noch bis Anfang Februar ausschließlich um die polnische Nationalmannschaft kümmert. Fitzek: „Ich gehe davon aus, dass er danach zurückkehrt.“ Für den Januar sei eine andere Lösung geplant.