Zürich. Michel Platini hat sich die Reise nach Zürich erst gar nicht angetan. Seiner Meinung nach ist das Urteil längst gefallen.

Michel Platinis Anwälte waren mit 120 Seiten an Aktenmaterial bewaffnet. Viel Lesestoff also für die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes über eine angeblich normale Beratertätigkeit, die nicht einmal durch einen schriftlichen Vertrag begründet war. Stundenlang wurde Thibaud d'Alès als Vertreter des suspendierten Uefa-Präsidenten von der rechtsprechenden Kammer mit dem deutschen Richter Hans-Joachim Eckert an der Spitze angehört, Platini selbst hatte im Gegensatz zum ebenfalls gesperrten Fifa-Boss Joseph Blatter tags zuvor auf ein Erscheinen in Zürich verzichtet.

D'Alès fordert für seinen Mandanten einen Freispruch und die sofortige Aufhebung der Suspendierung, ähnliches war am Donnerstag aus dem Blatter-Lager zu hören. Bis Montag wollen sich die Ethiker zurückziehen und den Fall „in Ruhe reflektieren“, wie Marc Tenbücken als Sprecher des Gremiums verlauten ließ. Zwischen zehn und elf Uhr sei mit der Entscheidung des Gremiums zu rechnen.

Eine Entscheidung, die für Platini schon vor der Anhörung längst gefallen sei. Laut des früheren Ausnahmefußballers habe eine Vorverurteilung stattgefunden. Deshalb war er erst gar nicht nach Zürich zum Fifa-Sitz gereist. Jener Ort, an dem Platini ab 26. Februar als neuer Fifa-Präsident den Weltfußball regieren will.

Seine Chancen sind aber nicht die besten. Die ermittelnde Kammer der Ethikkommission hatte lebenslange Sperren gegen Blatter und Platini gefordert. Hintergrund ist eine Zwei-Millionen-Franken-Zahlung aus dem Jahr 2011. Nach Darstellung der beiden Spitzenfunktionäre handelt es sich um eine verspätete Honorarzahlung für Dienste aus den Jahren 1998 bis 2002. Einen Vertrag dazu gibt es nicht.

Am Donnerstag hatte Blatter vor der Ethikkommission ausgesagt und beteuert, dass die Zahlung völlig korrekt gewesen sei. „Der Platini-Vertrag ging durch die Finanzkommission, durch das Exekutivkomitee und durch die Kontrollorgane. Er passierte auch den Kongress. Alles wurde abgesegnet“, sagte Blatter im Interview der Schweizer „Weltwoche“.

Platini hofft auf Entlastung durch ein internes Uefa-Dokument vom 12. November 1998, in dem über seine Tätigkeiten bei der Fifa berichtet wird. Darin soll von einem Jahresgehalt von einer Million Schweizer Franken die Rede sein. Auch ein möglicher Posten als Fifa-Sportdirektor soll erwähnt sein.

Im Falle einer Verurteilung dürfte die Angelegenheit beim Internationalen Sportgerichtshof CAS landen. Sowohl Blatter als auch Platini hatten diesen Schritt bei einem Negativentscheid angekündigt. Die Zeit eilt: Am 26. Februar findet der außerordentliche Fifa-Kongress in Zürich statt. Den will Blatter als rehabilitierter Chef leiten, bevor sein Nachfolger gewählt wird. Diesen Posten strebt Platini an, der nur bei einem sofortigen Freispruch zum noch ausstehenden Integritätscheck zugelassen wird.

Ob Platini - einst Favorit auf die Blatter-Nachfolge - im Falle eines Freispruchs aber überhaupt noch die nötigen Stimmen für eine Wahl bekommt, erscheint fraglich. Der englische Verband hat sich bereits abgewendet. „Was immer auch mit Michel Platini passiert, bin ich der Meinung, dass wir jemanden brauchen, über den es keine Zweifel gibt“, sagte Martin Glenn als Geschäftsführer des englischen Verbandes FA und betonte: „Der Fußball und die Fifa brauchen einen Wandel und müssen auch erkennen, dass eine Veränderung nötig ist. Sollte die Anklage nicht komplett aus der Welt geschafft werden, wäre das schwierig.“