Paris . In Russland, Slowakei und Nordirland könnten bei der Auslosung am Sonnabend aber auch weit leichtere Gegner warten.

Die Wunden sind noch lange nicht verheilt. Und auch Bundestrainer Joachim Löw wird beim Kurztrip zur EM-Auslosung nochmals mit den schrecklichen Stunden des 13. November konfrontiert. „Natürlich wird die Rückkehr nach Paris auch für mich speziell“, erklärte Löw noch immer unter dem Eindruck des hautnah erlebten, unfassbaren Terrors in der französischen Metropole vor einem Monat. Nur langsam rückt für den Chef der deutschen EM-Mission 2016 der Sport wieder in den Mittelpunkt, wenn am Sonnabend(18.00 Uhr/ZDF) im betongrauen Palais de Congrès die EM-Vorrundengegner für sein Team ausgelost werden.

„Frankreich wird ein hervorragender Gastgeber sein, in den nächsten Tagen genauso wie beim Turnier selbst. Wir haben also auch allen Grund, uns auf die Europameisterschaft zu freuen, den Blick nach vorn zu richten“, sagte der Bundestrainer vor der rund einstündigen Auslosungs-Zeremonie. Die Show soll mit den berühmten, frech-frivolen Cancan-Tänzerinnen und dem bekannten DJ David Guetta auch signalisieren, dass sich die EM-Gastgeber und ihre Millionen Gäste ein stimmungsvolles Kontinental-Championat von irren Extremisten nicht zerstören lassen wollen.

Am Freitag machten erst einmal nur ein langer Bauzaun mit dem EM-Symbolen und einige Sicherheitskräfte vor dem Kongresspalast auf die Auslosung aufmerksam. „Frankreich ist ein Fußball-Land, die Franzosen lieben den Fußball. Sie werden herzliche und gute Gastgeber sein und alles für das höchstmögliche Maß an Sicherheit tun“, betonte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff, der mit Löw und der gesamten Sportlichen Leitung nach Paris reiste, dennoch zuversichtlich.

"Todesgruppe" für Deutschland nicht möglich

Dem Europameister und Golden-Goal-Finalschützen wird sechs Monate vor dem Eröffnungsspiel am 10. Juni im Stade de France, wo das deutsche Team nach dem Freundschaftsspiel gegen die Franzosen die Terrornacht verbracht hatte, eine große Ehre zuteil. Mit den weiteren einstigen Titelhelden David Trezeguet (Frankreich), Antonin Panenka (Tschechien) und Angelos Charisteas (Griechenland) darf Bierhoff als „Losfee“ die erstmals 24 EM-Starter auf sechs Gruppen verteilen.

Weltmeister Deutschland wird wie Frankreich, Titelverteidiger Spanien England, Portugal und Belgien aus Topf eins gezogen. ‎Dann werden unter Leitung von Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino die Teams aus den weiteren drei Töpfen dazu gelost, bis das Spielplanpuzzle für die zehn Stadien in neun Spielorten perfekt ist.

Die Hoffnung der Franzosen, dass ihr Held und Uefa-Präsident Michel Platini trotz Sperre wegen Korruptionsverdacht doch noch bei der Auslosung dabei sein könnte, zerschlug sich am Vortag. Der Internationale Sportgerichtshof CAS lehnte den Einspruch Platinis gegen seine 90-tägige Suspendierung ab.

Die Teilnehmerzahl wurde aufgestockt

Für das Löw-Team, das sein EM-Stammquartier in Evian Les-Bains am Genfer See beziehen wird, könnten zumindest unbequeme Vorrunden-Gegner warten. Italien (bei einem Turnier noch nie von Deutschland bezwungen), Schweden (das 4:4 nach 4:0-Führung ist noch in unguter Erinnerung) und Irland (knöpfte in der jüngsten Quali dem Weltmeister vier Punkte ab) wären mögliche Gruppen-Kontrahenten. In Russland, Slowakei und Nordirland könnten aber auch weit leichtere Gegner warten.

„Entscheidend sind für uns nicht die Gegner, entscheidend sind wir selbst. Alles hängt von uns ab. Und deswegen bin ich sehr optimistisch“, sagte Löw, der nach der Auslosung endlich konkret planen kann. „Wir haben oft genug bewiesen, dass wir in der Lage sind, die Zeit der Vorbereitung optimal zu nutzen. Das wird uns auch diesmal gelingen.“ Nach 1972, 1980 und 1996 soll es nun auch europäisch den vierten Stern für Deutschland geben.

Dass die Teilnehmerzahl aufgestockt und der Modus damit komplizierter wurde, sieht Löw mit gemischten Gefühlen. „Aus sportlicher Sicht fand ich ein 16er-Feld für eine Europameisterschaft besser und auch für die Fans reizvoller. Ich kann aber verstehen, dass die kleineren Nationen eine Aufstockung positiv sehen.“

Bierhoff hält Überraschungen beim auf 30 Tage ausgeweiteten Turnier für durchaus möglich, nachdem Teams wie Nordirland, Island, Wales, Österreich und die Slowakei schon in der Ausscheidung einige Topnationen geärgert hatten. „Warum nicht? Die Qualifikation hat gezeigt, dass es kein Selbstläufer ist, am Ende vorn zu stehen“, bemerkte der Teammanager. „Auch wir hatten Probleme mit der Konstanz, waren nachlässig und haben Punkte liegen lassen.“

Im Turnier selbst aber werde die DFB-Elf „diese Schwächen abstellen, da bin ich ganz sicher“, betonte Bierhoff. Löw ergänzte: „Turniere spielen zu können, ist für mich die größte Freude in meiner Tätigkeit als Bundestrainer.“ Frankreich wird für den 55-Jährigen das fünfte als Cheftrainer - es wird ohne Frage ein besonderes. Von den 23 Kollegen bei der Endrunde 2016 ist nur der Spanier Vicente del Bosque mit einem WM-Titel und einem EM-Sieg erfolgreicher - Löw könnte zu ihm aufschließen.

Die Fans können sich ab Montag um Tickets für die deutschen EM-Spiele bewerben. In den Verkauf gehen insgesamt 800 000 Tickets, die für Anhänger der teilnehmenden Mannschaften reserviert sind. Rund 20 Prozent der Karten pro deutsches Spiel bekommt der Deutsche Fußball-Bund für seine Fans.

Die Lostöpfe für die EM-Gruppenauslosung am Sonnabend (18.00 Uhr/ZDF und Liveticker auf abendblatt.de) im Palais des Congrès in Paris:

Topf 1: Frankreich (Gastgeber/A1), Spanien (Titelverteidiger), Deutschland, England, Portugal, Belgien

Topf 2: Italien, Russland, Schweiz, Österreich, Kroatien, Ukraine

Topf 3: Tschechien, Schweden, Polen, Rumänien, Slowakei, Ungarn

Topf 4: Türkei, Irland, Island, Wales, Albanien, Nordirland