Hamburg. Aaron Hunt blickt vor seiner Rückkehr am Sonnabend auf sein Jahr beim VfL zurück

Aaron Hunt lag bereits am Boden, als ihm Jaroslav Drobny und Sven Schipplock unsanft folgten. Der Torhüter und der Stürmer des HSV waren soeben im Training aneinandergeraten. Zunächst foulte Schipplock Drobny, dann foulte Drobny Schipp­lock. Beide stürzten. Ein Duell der rüderen Art. Ein Disput, der aber schnell geklärt wurde. Hunt, der eher unfreiwillig in die Auseinandersetzung geraten war, bewertete die Szene anschließend mit einem Lächeln. „Ich finde es gut, wenn etwas Leben im Training ist. Die beiden haben sich ausgesprochen. So etwas gehört im Fußball dazu.“

Auch Hunt gehört beim HSV wieder dazu. Vor rund acht Wochen hatte sich der Spielmacher in der Partie gegen Bayer Leverkusen einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen. Nach langer Rehazeit ist er nun wieder bereit für die Startelf – rechtzeitig vor dem Duell gegen seinen vorigen Arbeitgeber VfL Wolfsburg „Ich fühle mich fit und habe ja auch noch zwei Tage Zeit, wieder voll hergestellt zu sein“, sagte Hunt am Mittwoch. Vor vier Monaten war der 29-Jährige aus Wolfsburg zum HSV gewechselt und hatte in Hamburg einen vielversprechenden Start hingelegt, ehe ihn die Verletzung stoppte.

In die Mannschaft hat sich Hunt schnell integriert, nun ist er auch privat in Hamburg angekommen. Mit seiner Frau Semra hat er vor Kurzem eine Wohnung am Mittelweg in Rotherbaum bezogen. „Für mich hat sich hier alles erfüllt, was ich mir vorgestellt habe. Vor allem habe ich eine gute Mannschaft vorgefunden“, sagt Hunt rückblickend über seine ersten Monate in Hamburg. Am Dienstagabend schaute er sich im Fernsehen an, wie seine ehemaligen Kollegen in der Champions League durch den 3:2-Sieg gegen Manchester United erstmals in der Vereinsgeschichte ins Achtelfinale einzogen. Seinen Wechsel nach Hamburg hat Hunt deswegen aber nicht bereut. „Ich habe mich gefreut, dass Wolfsburg das Spiel hochverdient gewonnen hat. Aber jetzt bin ich glücklich, hier zu sein.“

Ein Glücksgefühl, das er in seiner Zeit in Wolfsburg nur selten gespürt hatte. Nach 13 Jahren bei Werder Bremen wagte Hunt im Sommer 2014 den Schritt zu einem anderen Verein. Zum VfL Wolfsburg. Ein finanziell vergoldeter, aber sportlich vergeudeter Schritt. Zunächst setzte Trainer Dieter Hecking den langjährigen Bremer Leistungsträger in der Hinrunde fast ausschließlich auf die Bank. Hunt war gefrustet und hätte Wolfsburg am liebsten schon im Winter wieder verlassen, doch der VfL ließ ihn nicht ziehen. Zu Beginn der Rückrunde verletzte er sich dann auch noch am Knie und fiel nahezu für den Rest der Saison aus.

Ein verlorenes Jahr für Hunt, auch wenn er seine persönlichen Lehren gezogen hat. „Auch so ein Jahr bringt einen weiter. Natürlich habe ich mir den Wechsel anders vorgestellt. Aber im Fußball kann man nichts vorhersehen.“ Um wieder Fußball zu spielen, ging Hunt zum HSV und verzichtete auf Geld. „Es ist ja kein Geheimnis, dass Wolfsburg mehr Geld hat, aber der HSV ist der größere Verein“, sagt Hunt. Er hat seine Lockerheit wiedergefunden. Auf die Frage, was denn Wolfsburg und Hamburg unterscheidet, antwortete Hunt: „Das Nummernschild.“ Dann lacht er. Ihm ist anzumerken, dass er an sein Wolfsburger Jahr nicht mehr viele Gedanken verschwenden will. In seiner Vorbereitung auf die Partie am Sonnabend spiele die VfL-Zeit daher keine Rolle. „Ich war ja nicht lange da, deswegen gibt es auch keine großen Verbindungen“, sagt Hunt. Ob das Wiedersehen zumindest für ein wenig Zusatzmotivation sorge? „Vielleicht ein bisschen“, sagt Hunt. Wieder lacht er.

Ob Trainer Bruno Labbadia den Mittelfeldspieler am Sonnabend tatsächlich wieder für seine Startelf nominiert, lässt er noch offen. „Man darf nicht vergessen, dass er einige Wochen gefehlt hat. Ich weiß, welches Tempo und welche Intensität am Sonnabend auf uns wartet. Wolfsburg hat eine bärenstarke Mannschaft“, sagt Labbadia, macht Hunt aber gleichzeitig Hoffnung. „Aaron ist ein Spieler, der immer etwas kreieren kann, das tut uns gut. Wir sind froh, dass er wieder dabei ist.“

Nach der Einheit am Mittwoch unterhielt sich Labbadia mehrere Minuten mit dem Spielmacher. Gut möglich, dass Hunt seinem Trainer ein paar Einblicke in die taktischen Ausrichtungen der Wolfsburger gegeben hat. Immerhin spielte er an den ersten beiden Spieltagen der Saison noch im VfL-Trikot. „Ich weiß, wie die Wolfsburger spielen, was sie vorhaben, wie sie anlaufen“, sagt Hunt. Vor allem in der Offensive sehe er seinen Ex-Club gut aufgestellt. „Auf den Außenbahnen hat der VfL Spieler, die sich im Eins-gegen-eins durchsetzen können. Wir müssen aus einer gesicherten Defensive heraus spielen. So wie gegen Dortmund.“

Während der HSV vor drei Wochen sein Heimspiel gegen den BVB mit 3:1 gewann, verlor Wolfsburg gegen Dortmund am vergangenen Wochenende zum ersten Mal im eigenen Stadion nach zuvor 29 Spielen ohne Niederlage. Labbadia habe aber auch in dieser Partie eine „starke Wolfsburger Leistung“ gesehen. Aaron Hunt hat in jedem Fall ein vielversprechendes Konzept entwickelt, wie man es dem BVB gleichtun könnte. „Einfach auch gewinnen.“ Und dann kam es wieder, Hunts Lächeln.