Hamburg. Der FC St. Pauli tritt an diesem Sonntag beim 1. FC Kaiserslautern an. Dort gelang im Mai ein existenziell wichtiger Erfolg

An den Abend des 8. Mai dieses Jahres hat Jan-Philipp Kalla noch sehr intensive Erinnerungen. „Wir saßen im Hotel in Kaiserslautern und schauten uns die Freitagspiele der Zweiten Liga an. Wir waren vor dem Spieltag auf dem 15. Platz, und dann mussten wir vor dem Bildschirm mit ansehen, dass Aalen in Düsseldorf, 1860 München in Frankfurt und Sandhausen in Leipzig gewannen. Plötzlich waren wir wieder auf einem direkten Abstiegsplatz und wussten, dass wir am nächsten Tag unbedingt punkten müssen“, erzählt Kalla.

Dabei schien die Aufgabe im Fritz-Walter-Stadion auf dem Kaiserslauterer Betzenberg alles andere als leicht lösbar. Der FCK ging als Tabellenzweiter in die Partie, die „Roten Teufel“ hatten sich fest vorgenommen, gegen den Abstiegskandidaten aus Hamburg drei womöglich vorentscheidende Punkte für die eigene Rückkehr in die Erste Bundesliga einzufahren.

Bekanntlich kam alles ganz anders. Dank einer sehr stabilen defensiven Leistung und einer nahezu optimalen Effizienz in der Offensive gelang dem FC St. Pauli ein 2:0-Sieg. Der im rechten Mittelfeld eingesetzte Hamburger Kalla nutzte einen Fehlpass des damaligen Lauterers Kerem Demirbay zum Führungstreffer kurz nach der Halbzeitpause. Marcel Halstenberg verwandelte wenig später einen an Christopher Buchtmann verursachten Foulelfmeter zum 2:0. Dies war der Endstand, St. Pauli blieb auch nach diesem Spieltag „über dem Strich“, der Sieg auf dem „Betze“ war existenziell wichtig für den Klassenverbleib des Kiezclubs.

„Ich fahre gern nach Kaiserslautern“, sagt Kalla vor dem Spiel an diesem Sonntag (13.30 Uhr, Sky live und Liveticker abendblatt.de) angesichts der noch recht frischen Erinnerung. Auch zwei Jahre zuvor war er schon dabei, als es am letzten Spieltag der Saison 2012/13 einen 2:1-Erfolg am selben Ort gab.

Unter Druck stehen die St. Paulianer auch diesmal wieder, wenngleich unter völlig anderen Grundvoraussetzungen. Zwei Niederlagen in Folge hat das Team von Cheftrainer Ewald Lienen zuletzt hinnehmen müssen, jetzt droht die dritte Pleite hintereinander, was dem Team noch nie passiert ist, seit Lienen am 16. Dezember vergangenen Jahres das Traineramt übernommen hat. Doch St. Pauli würde diesmal bei einer Niederlage eben nicht auf einen Abstiegsplatz stürzen, sondern mit einiger Wahrscheinlichkeit nur aus dem Führungstrio der Zweiten Liga herausfallen.

Die Ursachen für die beiden jüngsten Niederlagen hat Cheftrainer Lienen längst ausgemacht, woraus sich auch die wichtigste Maßgabe für das Spiel am Sonntag ergibt. „Wir haben insgesamt als Mannschaft nicht das gleiche Abwehrverhalten hinbekommen wie in den Wochen zuvor. Vielleicht hat dabei der Sieg zuvor gegen Düsseldorf (4:0, die Red.) eine Rolle gespielt. Wir hatten bei beiden Niederlagen jeweils mehr Ballbesitz. Aber das ist nicht entscheidend. Die Defensive muss stehen. Und das hat nicht allein etwas mit den Abwehrspielern zu tun. Jeder Innenverteidiger wird Probleme bekommen, wenn die anderen nicht mitziehen.“

Es spricht einiges dafür, dass sich das Millerntorteam am Sonntag schon zwangsläufig auf seine Defensivarbeit wird konzentrieren müssen. „Das Pu­blikum auf dem Betzenberg will die eigene Mannschaft offensiv spielen sehen“, weiß Ewald Lienen. Nach dem jüngsten 4:2-Auswärtssieg bei Greu­ther Fürth dürfte sie dafür auch das nötige Selbstvertrauen besitzen. Allerdings haben die Lauterer in dieser Saison im eigenen Stadion nur selten ihre Fans zufriedenstellen können. Lediglich zwei der sieben Partien konnten sie gewinnen, dazu kamen zwei Unentschieden und drei Niederlagen. Der letzte Heimsieg wurde auf dem Betzenberg Anfang Oktober gefeiert – mit einem 3:0 gegen Düsseldorf, also gegen jenes Team, das jüngst auch St. Pauli den erwähnten Kantersieg ermöglichte, der nun womöglich zu ein paar Nachlässigkeiten geführt hat.

„Wenn das Publikum leicht umschwenkt und unzufrieden wird, dann merkt man, dass ein paar Sachen, die man sich vorgenommen hat, funktionieren“, sagt Torwart Robin Himmelmann, der auf dem „Betze“ bisher eine makellose Bilanz vorweisen kann. Er stand nicht nur bei jenem lebenswichtigen 2:0 Ende vergangener Saison zwischen den Pfosten, sondern auch schon zwei Jahre zuvor beim 2:1-Sieg. Damals hatte St. Pauli am Spieltag zuvor den Klassenerhalt geschafft, Trainer Michael Frontzeck gab ihm die Chance für sein Profidebüt. Dabei überzeugte er zwar, musste aber danach noch eineinhalb Jahre warten, ehe er Stammkeeper wurde. Daher stand er auch beim 1:4 in der Saison danach im November 2013 nicht im St.-Pauli-Tor, sondern sein Vorgänger Philipp Tschauner.

Jan-Philipp Kalla dagegen konnte auch der damaligen Niederlage noch etwas Positives abgewinnen, erzielte er doch den Treffer zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich.

Mit Ausnahme von Ryo Miyaichi waren am Freitag alle Profis im Training, darunter auch Mittelfeldspieler Enis Alushi, der wegen einer leichten Knieverletzung tags zuvor noch kürzergetreten hatte.

1. FC Kaiserslautern: Müller – Schulze, Vucur, Heubach, Löwe – Karl, Halfar – Görtler, Jenssen – Ring – Przybylko.FC St. Pauli: Himmelmann – Hornschuh, Sobiech, Ziereis, Buballa – Rzatkowski, Buchtmann – Kalla, Sobota, Maier – Thy.Schiedsrichter: Stegemann (Niederkassel).