Hamburg. An diesem Mittwoch entscheidet die Versammlung der DFL in Frankfurt auch über den Antrag des Hamburger Zweitligisten auf eine veränderte Verteilung

Es mangelte nicht an drastischen Vokabeln, nachdem in der vergangenen Woche bekannt geworden war, dass der FC St. Pauli für die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) an diesem Mittwoch im Marriott Hotel in Frankfurt am Main einen Antrag zu einer veränderten Verteilung der Fernsehgelder eingebracht hatte. Von „Revolution“, „Klassenkampf“, und „Aufkündigung der Solidargemeinschaft“ war danach die Rede, um nur die am häufigsten gebrauchten Schlagworte zu nennen.

Wie berichtet, geht es im Antrag des FC St. Pauli darum, dass vom neuen Fernsehvertrag, der von der Saison 2017/18 an gelten wird, die Vereine und Kapitalgesellschaften der DFL, die sich per Ausnahmegenehmigung nicht an die allgemein geltende „50+1-Regel“ in Bezug auf ihre Besitzverhältnisse halten müssen, finanziell schlechter gestellt werden. Konkret geht es dabei um Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim und von 2017 an potenziell auch um Hannover 96.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum TV-Vertrag der DFL und St. Paulis Initiative:

Um welche Summen geht es?

Insgesamt schüttet die DFL an Medienerlösen in dieser Saison 850 Millionen Euro aus. 663 Millionen Euro kommen dabei aus der nationalen Vermarktung (siehe Grafik oben). Für den neuen TV-Vertrag, der von der Saison 2017/18 an gelten wird, fordert Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr für alle 36 Clubs.
Wie ist die Aufteilung der TV-Gelder
zwischen Erster und Zweiter Liga?

Von der Gesamtsumme erhält die Erste Liga 80 Prozent, der Zweiten Liga bleiben bisher 20 Prozent. Es gibt das Ansinnen einiger Erstligisten, die Summe für die Zweite Liga auch künftig auf dem bisherigen Niveau zu belassen. Dadurch würde prozentuale Anteil des Unterhauses sinken.

Was hat der FC St. Pauli in seinem
Antrag konkret vorgeschlagen?
Sollen die „Werksclubs“ künftig
keine TV-Gelder mehr erhalten?
In der ersten Aufregung um den Antrag St. Paulis entstand der Eindruck, dass die Vereine und Kapitalgesellschaften, die sich nicht an die 50+1-Regel halten müssen, künftig von der gemeinsamen Fernseh- und Werbevermarktung der DFL komplett ausgeschlossen werden sollen. Auf dieser nicht korrekten Information basierte der Vorwurf, St. Pauli betreibe die Zerschlagung der bisherigen Solidargemeinschaft. Tatsächlich aber beantragt St. Pauli, vertreten durch Präsident Oke Göttlich und den kaufmännischen Geschäftsführer Andreas Rettig, dass es künftig neben dem sportlichen Erfolg in den vergangenen fünf Jahren ein zweites Kriterium gibt, nach dem die sogenannte Fernsehtabelle erstellt wird. Anhand dieser Tabelle erhält jeder Club einen unterschiedlich hohen Anteil an der Gesamtsumme.

Der Vorschlag des FC St. Pauli sieht vor, dass in einem noch zu bestimmenden Verhältnis neben dem sportlichen Erfolg auch das Beachten der 50+1-Regel in den jeweils vergangenen fünf Jahren mit einem Bonus belohnt werden soll. Daraus ergibt sich eine veränderte Rangfolge der Vereine in der „TV-Tabelle“. Je nach Gewichtung beider Kriterien würden die „Werksclubs“ um einige Plätze nach unten rutschen. Pro Platz beträgt der Unterschied jeweils eine bis 1,5 Millionen Euro. Fiele beispielsweise Bayer Leverkusen vom derzeitigen dritten auf den sechsten Platz zurück, bekäme er statt 38,29 nur noch 35,18 Millionen Euro aus der Fernsehvermarktung.

Welche Vorschläge haben andere
Vereine, neue Kriterien zur Verteilung

der Fernsehgelder einzuführen?
Bereits vor fünf Jahren hatte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die Notwendigkeit eines zusätzlichen Kriteriums für die Verteilung der TV-Gelder angeführt. Auch der HSV, Schalke 04, Eintracht Frankfurt und Werder Bremen machen sich dafür stark. In der Wirkung würden auch die Kriterien Zuschauerzuspruch, Beliebtheit und TV-Quoten zu einer Herabstufung von Leverkusen (derzeit 3.), Wolfsburg (6.) und Hoffenheim (10.) führen.

Inwiefern sind die Clubs, die unter
die Ausnahmeregelung fallen,
finanziell im Vorteil?

Die hinter Leverkusen (Bayer), Wolfsburg (VW), Hoffenheim (Dietmar Hopp) und Hannover 96 (Martin Kind) stehenden Konzerne sowie Investoren und Gönner garantieren mit ihren Zuwendungen und Patronatserklärungen bereits vor jeder Saison den Profietat. Die Abhängigkeit von unsicheren Einnahmequellen wie Tickets und „einfachen“ Sponsoren ist deutlich geringer. Die Verluste aus dem Fußballgeschäft können die Konzerne zudem mit den Gewinnen ihres Kerngeschäfts verrechnen.

Hätte St. Paulis Antrag das Ende der

­gemeinsamen Vermarktung zur Folge?
Dies ist ausdrücklich nicht das Ziel des Antrags. Wie dargestellt, sollen die „Werksclubs“ weiter an der gemeinsamen Vermarktung teilhaben, nur in einem etwas geringeren Maße als bisher. Von einer Einzelvermarktung würden auch sie nicht zwingend profitieren. Völlig anders sähe dies beim FC Bayern München aus, der ein Potenzial von rund 200 Millionen Euro (statt derzeit 40,4 Millionen Euro) pro Jahr für sich sieht. Daher drängt dessen Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auch auf einen höheren Anteil für die Bayern und hat schon beim Kartellamt die Möglichkeiten einer größeren Eigenständigkeit ausgelotet.

Will der FC St. Pauli sofort mehr Geld als bisher (7,03 Millionen Euro) erhalten?
Das ist nicht möglich. Zum einen geht es beim Antrag um den erst ab 2017 gültigen TV-Vertrag. Zum anderen hätte die angestrebte Veränderung keine Auswirkung auf den FC St. Pauli, solange er in der Zweiten Liga spielt und sich die betroffenen „Nicht-50+1-Clubs“ in der Ersten Liga befinden.

Warum kämpft St. Pauli so vehement
um die „50+1-Regel“?

In der Einschätzung der Clubführung steht diese Regel für die traditionellen Werte des deutschen Fußballs, sorgt für die emotionale Bindung der Fans an die Vereine und damit hohe Zuschauerzahlen und verhindert, dass die Clubs zum „Spielball“ von Investoren werden.

Warum stellte der FC St. Pauli seinen
Antrag erst am letzten Tag der Frist?

Nach Informationen des Abendblatts hatten die Hamburger schon weitaus früher in einem Schreiben die DFL-Führung darum gebeten, das Thema einer Modifizierung des Verteilerschlüssels auf die Tagesordnung zu setzen. Nachdem dies nicht zugesagt worden war, entschlossen sich Präsident Göttlich und Geschäftsführer Rettig, den formellen Antrag einzureichen.

Haben die Zweitligisten am Dienstagabend nur wegen St. Paulis TV-Antrags im Stadion des FSV Frankfurt getagt?
Nein, diese Zusammenkunft der 18 Clubs des Unterhauses war schon vorher geplant gewesen. Dort sollte auch über eine gemeinsame Linie der Zweitligavereine bei anderen Themen diskutiert werden.