Hamburg. Das Olympia-Aus hat im Hamburger Sport große Betroffenheit ausgelöst. Doch mit viel Kreativität wollen Organisatoren und Verbände gegensteuern

Die erste Konsequenz aus dem abrupten Ende der Bewerbung um Olympische und Paralympische Sommerspiele 2024 zog Christoph Holstein am frühen Montagmorgen. „Ich habe das Feuer-und-Flamme-Logo und den Zusatz Olympia aus meinen Profilen gelöscht“, sagte Hamburgs Sportstaatsrat. Zweieinhalb Stunden hatte Holstein, der über Monate einen Großteil seiner Zeit in das Werben um die Ringe investiert hatte, geschlafen, nachdem er am Sonntagabend in der Barclaycard Arena seine Mitarbeiter zu trösten versucht hatte. „Einen solchen Tiefschlag muss man erst einmal verdauen, die nötige Trauerzeit muss man zulassen. Danach werden wir aber wieder angreifen. Der Stellenwert, den die Bewerbung dem Hamburger Sport gebracht hat, muss und wird erhalten bleiben“, sagte er.

Die Reaktionen aus dem Hamburger Sport klangen ähnlich an Tag eins nach dem Schock. Der einhellige Tenor von Sportlern, Verbänden und Agenturen: „Das war keine Entscheidung gegen den Sport, sondern eine gegen Megaevents, korrupte Verbände und unübersehbare Kosten in einem derzeit schwierigen politischen und gesellschaftlichen Umfeld.“ Klaus Jakobs, der Geschäftsführer des Hamburger Leichtathletikverbandes, rief noch in der Nacht zum Montag per SMS an die „lieben Freunde des Sports“ zum Weitermachen auf: „Jetzt erst recht! Lasst uns bitte den eingeschlagenen Weg gemeinsam weitergehen – egal wie schwer es euch im Moment auch fällt.“

Wie schwer das fällt, unterstrich die Reaktion von Hockey-Nationalspieler Moritz Fürste: „Ein so kurzsichtiges Denken habe ich den Menschen in meiner Heimatstadt nicht zugetraut. Für den Sport in ganz Deutschland ein total bitterer Tag. Ich bin sehr traurig.“ Und auch Ingrid Unkelbach wollte nicht verhehlen, dass positive Gedanken schwer zu fassen sind, wenn der große Traum so unerwartet endet. „Das Leben geht weiter, wir haben die Olympischen Spiele 2016 vorzubereiten“, sagte die Leiterin des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein, „aber die Enttäuschung sitzt sehr tief.“ Es sei zu wenig gelungen, die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft herauszuarbeiten. Umso wichtiger sei es nun, „dass wir zeigen, was für tolle Sportler wir in Hamburg haben. Die Jugend braucht Vorbilder, und wir haben in Hamburg echte Typen im olympischen Sport. Wir werden alles dafür tun, dass die Mitglieder des Teams Hamburg erfolgreich sein können“, sagte sie.

Jürgen Mantell, Präsident des Hamburger Sport-Bundes (HSB), ist überzeugt, dass sich Hamburger Athleten keinerlei Sorgen machen müssen. „Olympia hätte ein Katalysator sein können, jetzt bleiben wir leider in der Ebene“, sagte er. Dennoch sei die Situation des Sports in Hamburg nicht mit der nach der Niederlage im Kampf um die nationale 2012er-Bewerbung gegen Leipzig im April 2003 zu vergleichen. „Damals hat die Analyse ergeben, dass niemand uns als Sportstadt ernst genommen hat. Das ist jetzt anders, Sport hat eine viel höhere Wertigkeit, und wir werden ihn vernünftig weiterentwickeln. Die Finanzierung ist nicht gefährdet“, sagte Mantell, der seinem Verband attestierte, „alles für die Bewerbung gegeben und unsere Aufgaben gut gelöst“ zu haben. Die 2011 ins Leben gerufene Dekadenstrategie (siehe Seite 12) werde normal weiterverfolgt.

Dennoch bleibt die Sorge, die Marvin Willoughby, der Sportchef des Basketball-Zweitligaclubs Hamburg
Towers, mit vielen aus der Szene teilt: „Ich fürchte, dass wir auf der politischen Agenda wieder ganz nach unten fallen werden.“ Andererseits könnten durch die Olympiaabsage in der Wirtschaft Gelder für andere Sponsoringaktivitäten frei werden. Die Towers suchen weiter einen Trikotsponsor, gerade haben sie mit dem Energieversorger Vattenfall einen Exklusivpartner für die Profimannschaft und ein neues Schulprojekt gefunden. Die Kooperation war vor dem Referendum bekannt gegeben worden, weil sie unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung umgesetzt werden sollte – und wird. Neue Geldgeber brauchen auch die Handballer des HSV, die Volleyballerinnen des VT Aurubis und das Herrentennisturnier am Rothenbaum.

Dass mit dem Label „Olympic Candidate City“ die Akquise speziell für Sportveranstaltungen leichter gefallen wäre, weiß Beachvolleyball-Vermarkter Frank Mackerodt: „Ohne die Hamburger Olympiakampagne würde es im nächsten Juni unser Grand-Slam-Turnier am Rothenbaum nicht geben.“ Auch dürfte die Stadt eine Ausfallbürgschaft für das Event über eine Million Euro in Zukunft kaum noch einmal gewähren. Nicht ohne Grund wurde der Vertrag mit dem Volleyball-Weltverband FIVB nur für 2016 geschlossen. Dass das Turnier ein Jahr später in Hamburg wiederholt wird, scheint im Moment eher unwahrscheinlich.

Das Nein zu Olympia sei keine Abkehr der Bevölkerung vom Sport

Frank Bertling, der vor fünf Monaten mit seinem Geschäftspartner Frederik Tychsen die Agentur Sportport an der Oberhafenstraße gründete, sieht die Lage weniger pessimistisch: „Es kann nicht sein, dass alles Glück im Hamburger Sport von Olympia abhängt.“ Wenn ein Verband so ticke, zeige es nur dessen Hilflosigkeit. „Wir müssen jetzt dagegenhalten – mit kreativen Ideen und neuen Konzepten. Wir haben sehr viel Potenzial in der Stadt, da muss uns für die Zukunft nicht bange sein.“ Das Nein zu Olympia, glaubt Bertling, sei keine Abkehr der Bevölkerung vom Sport: „Der Sport hat für die Hamburger nichts an seiner Faszination verloren, da bin ich mir sicher.“

Das glaubt auch Kai Rapp, Vizepräsident der Agentur Lagardère Unlimited Events, die bislang den Marathon vermarktet sowie den Triathlon und die Cyclassics in Hamburg veranstaltet: „Die Bevölkerung steht dem Sport weiter aufgeschlossen gegenüber. Jetzt gilt es, den Status quo aufrecht zu erhalten und mit neuen Angeboten besonders im Breitensport Akzente zu setzen.“ Die Idee der Allympics, den Spielen für alle, sei interessant und ausbaufähig.

Auswirkungen könnte das Olympia-Aus auf Bemühungen des Rollstuhlbasketballverbandes haben, der die Geschäftsstelle des Weltverbandes im Frühjahr von Genf nach Alsterdorf holen wollte. Der Hamburger Ulf Mehrens ist dessen Präsident. Der Umzug war an finanzielle Leistungen der Stadt gebunden. Ob es die nächstes Jahr noch gibt, muss jetzt entschieden werden.