Hamburg. In Bremen kommt es zum 103. Duell zwischen Werder und dem HSV. Eine Begegnung mit ganz besonderen Erinnerungen

Zugegeben, es ist schon fast 30 Jahre her. Und doch ist es ungewöhnlich, dass sich Bruno Labbadia nicht mehr an seinen ersten Sieg gegen Werder Bremen erinnern kann. „Habe ich da einen Doppelpack gemacht? Echt?“, fragte der heutige Trainer des HSV vor dem Nordderby an diesem Sonnabend im Bremer Weserstadion (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Ja, der junge Labbadia hatte zwei Tore gemacht. Damals, im Mai 1988, traf der eingewechselte Stürmer gleich zweimal beim 4:1-Sieg des HSV in Bremen. „Das ist echt zu lange her“, sagte Labbadia und lachte.

Die Fans der Hamburger dürften sich schon eher an diesen Sieg erinnern. Schließlich kam es in der jüngeren Vergangenheit äußerst selten vor, dass ihr Verein in der benachbarten Hansestadt etwas Zählbares mitnehmen durfte. 27 Mal reiste der HSV seit 1988 an die Weser, nur vier Mal verließ man die Stadt als Sieger. Der letzte Erfolg liegt schon acht Jahre zurück. Seitdem ist der HSV in Bremen punktlos, seit fünf Jahren zudem auch noch torlos. Zuletzt unterlagen die Hamburger am 19. April dieses Jahres mit 0:1.

Im Gegensatz zu seinem ersten Auswärtsdoppelpack als Spieler kann sich Labbadia an die Partie im Frühling noch gut erinnern. Es war das erste Spiel seiner Rettungsmission nach seiner Rückkehr auf den Posten des HSV-Trainers. Und wenn sich Labbadia heute an die 0:1-Niederlage des damaligen Tabellenletzten erinnert, dann denkt er auch an die Momente, in denen er sich fragte, ob der Schritt zum HSV ein Fehler war. „Es gab Minuten, in denen ich innegehalten habe. Zum Glück hatte ich diese Gedanken nur kurz. Es war wichtig, diese negativen Gedanken nicht dominieren zu lassen“, sagt Labbadia acht Monate später.

Am Freitagabend stieg die Mannschaft des HSV mit deutlich anderen Gefühlen in den Mannschaftsbus nach Bremen. Acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 haben die Hamburger nach dem 3:1-Sieg gegen Dortmund am vergangenen Freitag. Entsprechend gelöst kann der HSV an diesem Sonnabend bei den heimschwachen Bremern auftreten (siehe Bericht unten). „Beim letzten Spiel in Bremen, als wir tief im Abstiegskampf steckten, war es mehr Anspannung. Jetzt, da wir die 20-Punkte-Marke knacken können und wollen, ist es mehr Vorfreude“, sagt Dietmar Beiersdorfer.

Der HSV-Vorstandschef hat genau wie Trainer Labbadia, der zwischen 1996 und 1998 noch zwei Jahre für Werder stürmte, sowohl für Bremen als auch für den HSV gespielt. „Für mich hat das Nordderby doch eine ganz besondere Bedeutung“, sagt Beiersdorfer, der insgesamt 13 Mal als Spieler das Treffen der hanseatischen Traditionsclubs miterlebte. 1987 stand er sogar gemeinsam mit Labbadia auf dem Platz, als dieser sein erstes Nordderby mit dem HSV gegen Werder spielte.

In den bislang 102 Begegnungen zwischen den beiden Clubs – kein Spiel fand in der Bundesliga häufiger statt – gab es insgesamt zwölf Spieler, die sowohl für Werder als auch für den HSV das Derby bestritten. Neben Labbadia und Beiersdorfer gehört auch Rodolfo Cardoso dazu. Der Argentinier spielte in der Saison 1995/96 für Bremen, war dort aber nicht mehr erwünscht und wechselte zum HSV. Hier erlebte Cardoso die beste Zeit seiner Karriere. Besonders gerne erinnert er sich an sein erstes Spiel mit den Hamburgern gegen Werder. Im Mai 1997 traf er beim 3:2-Sieg zur Führung. „Das war ein schönes Tor und tat gut, weil Werder mich nicht mehr wollte“, sagt Cardoso heute. Sechs Derbys spielte er mit dem HSV.

In wenig guter Erinnerung ist ihm allerdings auch die bislang höchste Niederlage gegen Bremen in der Hamburger Bundesligageschichte. Als Einwechselspieler erlebte Cardoso vor elf Jahren ein 0:6 in Bremen. „Das war eine richtige Klatsche.“ Immerhin konnte Cardoso die Hälfte seiner Nordderbys mit dem HSV gewinnen. „Das sind die Spiele, die ich geliebt habe. Die gesamte Woche über spürt man die Spannung“, sagt Cardoso, der sich zur Zeit mit dem HSV über seine weitere Anstellung als Nachwuchstrainer streitet. Das Spiel will er sich am Sonnabend in Ruhe vor dem Fernseher anschauen.

Den HSV sieht Cardoso dabei in der Favoritenrolle. „Die Mannschaft ist besser geworden und kann nach dem Sieg gegen Dortmund mit breiter Brust auftreten.“ Die 0:6-Niederlage der Bremer vor einer Woche in Wolfsburg sieht Cardoso nicht als Nachteil für Werder an. „In einem Derby vergisst man alles, was vorher gewesen ist.“

Bruno Labbadia nutzte vor dem Spiel seinen eigenen Vergleich, um die Brisanz der Begegnung zu verdeutlichen. „Ein Derby ist das Salz in der Suppe. Und ich nehme viel Salz in meine Suppe. So viel, dass sich die Köche schon immer beschweren“, sagte Labbadia, dem das Derby aber nur bei einem Sieg richtig gut schmecken dürfte. Dann würde er sich wohl auch in 30 Jahren noch an das Spiel erinnern.