Wilhelmsburg. Energieversorger schließt Einjahresvertrag mit dem Hamburger Basketballclub. Schwerpunkt der Kooperation werden 20 Schulprojekte

Es ist ungewohnt leise an diesem Nachmittag in der Inselparkhalle in Wilhelmsburg. Auf dem Basketballfeld bereiten sich die Hamburg Towers auf ihr Gastspiel an diesem Sonnabend im oberfränkischen Baunach vor. Mehr als das Quietschen der Schuhsohlen ist kaum zu hören und jene dumpfen Geräusche, die der Ball beim Aufprallen auf dem Boden hinterlässt. In einer Ecke der Arena steht Marvin Willoughby, der Sportchef des Teams, und schaut dem Trainingsspiel entspannt zu. Hin und wieder huscht ein Lächeln über sein Gesicht, wenn einem der Spieler ein Korbwurf aus der Distanz gelingt.

„Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viele kleine Schritte gemacht, sportlich und strukturell, jetzt ist ein weiterer, ganz wichtiger hinzugekommen“, sagt Willoughby, 37. Um seine Worte zu unterstreichen, tippelt er zu einer der schwarzen Begrenzungslinien und setzt seinen rechten Fuß weit über die Markierung hinaus. Es sieht nach einem großen Schritt aus.

Der Energieversorger Vattenfall steigt zum 1. Januar als Sponsor bei den Towers ein, offiziell als Exklusivpartner. Der Vertrag läuft zunächst über das gesamte Kalenderjahr 2016. Er ist mit einer Summe im niedrigen sechsstelligen Bereich ausgestattet. Vattenfall ist genau der Partner, den der Club aus der Zweiten Bundesliga ProA lange gesucht hat, der bislang größte zudem. Und es ist ein ganz spezieller Deal.

Der größere Teil des Geldes fließt an die Hamburg Towers, der Rest geht an den Verein Sport ohne Grenzen, aus dem der Proficlub 2014 erwachsen ist. Herzstück der Kooperation ist ein Schulprojekt (siehe Infowinkel). Von den Towers ausgebildete Trainer und Übungsleiter sollen vom 1. Februar an einmal in der Woche an bis zu 20 Hamburger Schulen Basketballkurse anbieten. Eine spätere Ausweitung des Programms ist vorstellbar. „Wir haben jetzt die Chance, die Basis für Basketball in Hamburg erheblich zu verbreitern“, sagt Willoughby.

Pieter Wasmuth ist Generalbevollmächtigter der Vattenfall GmbH für Hamburg und Norddeutschland. Rund 75 Prozent der Hamburger Haushalte kaufen Strom bei Vattenfall, sein Fernwärmenetz baut das Unternehmen momentan aus. „Hamburg ist und bleibt für uns ein wichtiger Standort“, sagt Wasmuth, 49. Mit Willoughby hat er den Vertrag in den vergangenen Monaten ausgehandelt. Vattenfall und das Vorgängerunternehmen Hamburgische Electricitäts-Werke (HEW) waren bis zu diesem Sommer 20 Jahre lang Namensgeber des Radrennens Cyclassics und zehn Jahre Mitveranstalter der Hamburger Sportgala. Ein verlässlicher Partner also. „Wir haben etwas gesucht, was regelmäßig in Hamburg präsent ist, etwas Kontinuierliches“, sagt Wasmuth. „Und es sollte etwas Frisches sein, ein Projekt, das noch Entwicklungspotenzial hat, das Kinder und Jugendliche anspricht.“ Bei der Recherche sei man auf die Kombination Towers/Sport ohne Grenzen gestoßen, die nicht nur sportliche Erfolge vorzuweisen hat, „sondern auch ausgezeichnete Sozial- und Stadtteilarbeit in und um Wilhelmsburg leistet. Die Geschichte dieser beiden Vereine hat uns fasziniert.“ Willoughby erhielt kürzlich für sein soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz.

Frank Bertling hat bei der Suche nach dem geeigneten Partner beiden Seiten geholfen. Der langjährige Geschäftsführer der Hamburger Agentur Upsolut, die heute Lagardère Unlimited Events heißt, gründete vor fünf Monaten seine eigene Firma SportPort. Sie sitzt am Oberhafen. Bertling, 48, ist einer der Erfinder und Förderer des „Hamburger Modells“, der Verbindung von Spitzen-, Breiten- und Schulsport. Die Großveranstaltungen Cyclassics und Triathlon sind dafür beispielhaft.

„Ohne Breite keine Spitze, ohne Spitze keine Breite. Bewegung braucht Vorbilder“, weiß Bertling. Er wird das Schulprojekt der Towers organisieren. Bereits zehn Schulen haben nach kurzer Zeit Interesse an einer Kooperation angemeldet. Wie wichtig Vattenfall, den Towers und Bertling gerade diese Arbeit ist, zeigten die zurückliegenden Gesprächsrunden. „Etwa 80 Prozent der Zeit haben wir über das Schulprojekt gesprochen“, sagt Willoughby.

„More than Basketball“, heißt das Motto der Towers. Das Mehr hat Vattenfall besonders interessiert.

Auch wenn der jetzt ausgehandelte Vertrag zwischen den Towers/Sport ohne Grenzen und Vattenfall nur ein Jahr läuft, können sich beide Seiten eine längere Verbindung vorstellen. „Wir haben keine Erwartungen formuliert, vor allem keine sportlichen. Wir wollen erst einmal sehen, wie das Projekt anläuft, auf welches Interesse es bei Kindern und Jugendlichen stößt, bevor wir weitere Entscheidungen treffen“, sagt Wasmuth. Vattenfall, seit mehr als 120 Jahren in Hamburg ansässig, wird künftig in der Inselparkhalle als Sponsor präsent sein, auf den weißen und schwarzen Trikots der Spieler wird der Namenszug vorerst nicht erscheinen. Das könnte sich bei einer Vertragsverlängerung ändern.

Die Towers wollen das zusätzliche Geld in ihr Management investieren

Die Gretchenfrage, ob die Towers, Saisonetat rund 1,1 Millionen Euro, mit den zusätzlichen Mitteln nun gezielt den Aufstieg in die Basketball-Bundesliga (BBL) in Angriff nehmen, hat Willoughby befürchtet. Er antwortet trotzdem: „Wenn es den einen Spieler gäbe, der uns in die Erste Liga wirft, der auch bezahlbar wäre, müssten wir neu nachdenken. Den Spieler gibt es nicht. Unsere Mannschaft ist gut zusammengestellt, sie hat ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Wenn alle Spieler gesund bleiben, darf man von uns in dieser Saison einiges erwarten.“ Die Towers sind Tabellenfünfter. Die besten acht der Liga spielen im April 2016 in Play-offs zwei Aufsteiger aus.

Das Geld von Vattenfall soll vornehmlich in die Strukturen der Towers investiert, das Umfeld der Mannschaft weiter professionalisiert werden. Das ist im Übrigen eine unabdingbare Voraussetzung, um aufzusteigen. Die BBL fordert ein mehrköpfiges hauptamtliches Management und fest angestellte Trainer bis in den Jugendbereich. Eine Neuverpflichtung zum Jahreswechsel schließt Willoughby dennoch nicht kategorisch aus. „Wahrscheinlich ist das allerdings nicht“, sagt er.

Für Wasmuth ist ein Aufstieg keine Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit: „Wir haben nichts gegen eine Erstligamannschaft. Kein Sponsor wehrt sich gegen Erfolg, auch wenn uns die Partnerschaft dann wohl mehr kosten würde. Die Ziele setzen sich aber die Towers. Wichtig für uns bleibt, dass das Gesamtprojekt funktioniert. Können wir viele Kinder und Jugendliche in Hamburg für Basketball begeistern, sind wir auf dem richtigen Weg.“