Hamburg. Zehn Tore von Pascal Hens beim mühsamen 35:32-Sieg der HSV-Handballer gegen HBW Balingen-Weilstetten

Pascal Hens stand am Sonntagabend nach einer Dusche und einem Saunagang vor dem VIP-Restaurant „Platin“ in den Katakomben der Barclaycard Arena. Der HSV-Kapitän umarmte liebevoll-lässig mit seinen Riesenarmen einen kleinen Fan im Rollstuhl. Um ihn herum wuselten ein blonder Johannes-Bitter-Sohn und ein eigener braunhaariger Noah. Gestoppt von Reportern, grinste Hens über seine zehn Tore beim 35:32 (19:18)-Arbeitssieg gegen die HBW Balingen-Weilstetten. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt zehn Buden gemacht habe oder überhaupt so oft aufs Tor geschmissen habe“, sagte der 35-Jährige und kratzte sich in seinem fusseligen Dreitagebart. „Hans Lindberg macht in jedem zweiten Spiel zehn Tore“, stellte der Teamplayer aber klar.

Man hätte diesen ganzen Text über den Mittdreißiger schreiben können, der sich in dieser Form für einen neuen Vertrag empfiehlt. Auch Michael Biegler freute sich über die „schöne Geschichte, dass Pascal zweistellig trifft. Ich find’s toll.“ Der neue Trainer kitzelt und stichelt Hens in dessen vielleicht (doch nicht?) letzter Saison noch mal so richtig: „Ich habe ihm schon scherzhaft gratuliert“, sagte Biegler lächelnd.

Aber dann erzählte der Sonntagnachmittag eben auch noch eine andere Geschichte. Spielführer Hens musste natürlich auch die Fragen nach der abermaligen finanziellen Schieflage beantworten. Und nach den ausstehenden Spielergehältern. Die Neuzugänge seien etwas besorgt zu ihm gekommen. Er selbst könne aber aus der Erfahrung sagen: „Bisher ist das Geld dann immer noch gekommen.“ Lindberg meinte ebenso HSV-krisenerprobt: „Das Einzige, was wir beeinflussen können, ist unsere Leistung auf dem Feld. Wir machen unseren Job.“ Der Däne mit dem Dynamit-Torsong „T.N.T.“ von AC/DC sagte auch: „Ich denke, die Sache wird größer gemacht, als sie wirklich ist.“

Wie brisant die Situation diesmal ist? Schwer zu sagen. Geschäftsführer Christian Fitzek wirkte bei Nachfragen genervt, trat aber sehr sicher auf, als habe er die Lage im Griff. Wie viel Zeit ihm verbleibe, ehe er womöglich Insolvenz anmelden müsse? „Ich habe so viel Zeit, wie ich brauche, um das Problem zu lösen.“ Ob der HSV diese Saison definitiv zu Ende spielen könne? „Wir sind auf einem guten Weg.“ Es gebe ein „großes Konzept“, das Mäzen Andreas Rudolph mit angeschoben habe. Zu der längst fälligen 25.000-Euro-Ablöserate an Tvis Holstebro für Spielmacher Allan Damgaard beteuerte er: „Das Geld ist bezahlt.“ In der Pressekonferenz nahm Fitzek auch die durchwachsene Leistung des HSV gegen die abstiegsbedrohten Balinger „auf meine Kappe. Es ist schwierig für die Jungs, die Situation aus dem Kopf zu bekommen. Ich bin mit dem Spiel unter den Umständen sehr zufrieden.“ Coach Biegler, aus seinen früheren Stationen Gummersbach, Wilhelmshaven, Großwallstadt und Magdeburg Finanznot gewohnt, haderte rein sportlich damit, dass sein Team besonders in der ersten Halbzeit Aggressivität und Kompaktheit vermissen ließ, oder wie es Hens ausdrückte: „Wir haben in der Abwehr nicht gerockt.“

Biegler ärgerte sich zum wiederholten Mal in einem Heimspiel über die Schiedsrichter. Seltsam war in der Tat die Rote Karte für Drasko Nenadic (52. Minute). Der Serbe hatte gegen Christoph Theuerkauf nur die Andeutung einer Schubsbewegung gemacht, woraufhin dieser theatralisch daniederstürzte. „Er kann einen Oscar gewinnen“, schlug Nenadic vor. Er selbst sorgte mit seinem Tor-Doppelpack zum 25:23 gemeinsam mit Hens dafür, dass der linke HSV-Rückraum den Namen „Königsposition“ mal wieder verdiente.

Einen traurigen Arbeitstag erlebte Matthias Flohr, der sich in der ersten Halbzeit im Zweikampf mit den zweikampflustigen „Galliern von der Alb“ am linken Sprunggelenk verletzte. „Es hat knack gemacht“, sagte er humpelnd mit dickem Eisbeutel um den Fuß.

Tore, HSV: Hens 10, Lindberg 7 (2 Siebenmeter), Pfahl 5, Mortensen 4, Brozovic 3, Flohr 2, D. Nenadic 2, A. Damgaard 1, Feld 1; Balingen: Böhm 7, Kunkel 5 (5), Nyokas 4, Strobel 4, Theuerkauf 3, Vasilakis 3, Foth 2, Russ 2, Wilke 2. Schiedsrichter: Blümel /Loppaschewski (Berlin). Zuschauer: 5047. Zeitstrafen: 3; 2. Rot: D. Nenadic (HSV) wegen Unsportlichkeit (52.). Siebenmeter: 4 (2 verwandelt); 6 (5).