Hamburg. Gegen Dortmund gewann der HSV dank einer Teamleistung und seiner Stabilisatoren. Vor allem Adler und Holtby überzeugen. Spahic fällt vorerst aus

Einen so entspannten Sonntag hatte Lewis Holtby lange nicht erlebt. Nachdem der Mittelfeldspieler des HSV am Sonnabend nach Köln reiste, um den Fanclub Aggertal zu besuchen, nutzte er den freien Sonntag für einen Besuch bei seiner Familie in Gerderath am Niederrhein. Einfach mal die Beine hochlegen. Insbesondere Holtby dürfte die Ruhe gut getan haben. Schon am Freitag nach dem 3:1-Sieg gegen Borussia Dortmund hatte der Mann des Abends über Krämpfe geklagt und sich ein Bad in der Eistonne gegönnt. Und auch der Sonntag stand noch im Zeichen der Ruhe.

Schon an diesem Montag ist es aber vorbei mit der Entspannung. Auch wenn der Blick auf die Tabelle dazu verleiten könnte, die beginnende Trainingswoche etwas ruhiger angehen zu lassen. Acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz hat der HSV nach dem Fußballfest gegen Dortmund. Auf das Wörtchen „entspannt“ reagierten die Hamburger Spieler aber bereits am Freitag allergisch. „Ne, ne, ne“, sagte Nicolai Müller, „wir wollen alles raushauen.“ Auch Holtby mahnte vor verfrühter Zufriedenheit: „Wenn wir jetzt Larifari machen, werden wir in Bremen untergehen.“ Worte, die andeuten, dass die Mannschaft des HSV verstanden hat, was ihr Trainer Bruno Labbadia ihr versucht zu vermitteln: neuen Hunger auf Erfolg. Was Labbadia ebenfalls entwickelt hat, ist eine neue Achse des Erfolgs. Es ist eine Achse, die Labbadia in dieser Form gar nicht vorgesehen hatte. Denn in Abwesenheit der verletzten Neuzugänge Albin Ekdal und Aaron Hunt haben sich drei neue Schlüsselspieler in der Mannschaft herauskristallisiert.

René Adler: Nach seiner Schulterverletzung am dritten Spieltag musste sich der Torhüter lange gedulden, bis er den Platz seines Stellvertreters Jaroslav Drobny wieder einnehmen durfte. Schon in seinem ersten Spiel als alte und neue Nummer eins gegen Leverkusen rettete Adler dem HSV einen Punkt. Gegen Dortmund knüpfte Adler nun wieder an seine Leistungen aus seiner Anfangszeit in Hamburg an. Vor allem in der Schlussphase, als der BVB noch einmal richtig drückte, sorgte Adler mit mehreren Paraden dafür, dass es bei nur einem Gegentor blieb. „Er hat richtig wichtige Bälle gehalten“, sagte Labbadia.

Adler schien vor allem die Abendatmosphäre zusätzlich zu motivieren. „Ich liebe diese Spiele. Das ist meine persönliche Champions League“, sagte Adler und sorgte damit bei einigen Fans für einen kurzen Schreckmoment. Der wird doch nicht etwa von Europa sprechen? Nein, denn Adler benutzte lediglich den Flutlicht-Vergleich. Schnell fand auch der Torhüter wieder die passenden Worte für das, was den HSV derzeit starkmacht. „Es sollte sich mittlerweile rumgesprochen haben, dass wir uns durch Kampfkraft und Leidenschaft auszeichnen“, so Adler.

Johan Djourou: Es hat lange gedauert, bis der Schweizer Nationalspieler in Hamburg seine Konstanz gefunden hat. In dieser Saison spielt der Innenverteidiger so stabil wie noch nie. Ob es an der Beförderung zum Kapitän liegt? Trainer Labbadia hatte vor der Saison betont, dass Innenverteidiger-Kollege Emir Spahic ein entscheidender Bestandteil der HSV-Achse werde. Doch so richtig überzeugen konnte der Bosnier bislang nur in vereinzelten Spielen. Wenn die Hamburger Abwehr wackelte, war Spahic oft beteiligt. Stattdessen ist Djourou mittlerweile der Defensiv-Stabilisator. Und weil sich Spahic gegen Dortmund eine schwere Bänderdehnung zuzog und vermutlich rund zwei Wochen fehlen wird, ist Kapitän Djourou noch mehr gefordert.

An seiner Seite schlägt nun die Stunde von Cléber. Der Brasilianer machte nach seiner Einwechslung gegen Dortmund ein gutes Spiel und gewann 75 Prozent seiner Zweikämpfe – Bestwert. „Cléber hat eine Entwicklung gemacht. Seine Familie ist jetzt in Hamburg, das merkt man. Er ist klarer geworden“, sagte Labbadia.

Lewis Holtby: Ist er nun ein Sechser? Ein Zehner? Oder ein „falscher Achter“, wie er es nach dem Spiel im Spaß formulierte? In jedem Fall ist Holtby im Moment in seiner besten Form, seit er im vergangenen Sommer zum HSV kam. Viel gelaufen ist er ja schon immer. Nun findet er endlich die nötige Effektivität. Gegen Dortmund war er an allen drei Toren entscheidend beteiligt. Holtby wirkt im Vergleich zur Vorsaison wie ausgewechselt. Trainer Labbadia weiß, warum. „Lewis hat zum ersten Mal in Hamburg eine echte Vorbereitung gehabt und dabei extrem geackert. Er verpasst keine Trainingseinheit. Durch die Fitness hat er sein Selbstvertrauen und Mut gefunden“, sagt Labbadia über den frisch verlobten Holtby, der nach seinem Treffer mit den Händen ein A für seine künftige Ehefrau Ann Charlott formte. „Sie gibt mir viel Kraft“, sagte der Torschütze.

Pierre-Michel Lasogga und Nicolai Müller überzeugen mit ihren Laufwerten

Ähnliche Beispiele wie Holtby sind Nicolai Müller und Pierre-Michel Lasogga. Im Vorjahr hatten beide lange mit körperlichen Defiziten zu tun. Nun überzeugen sie vor allem durch ihren Einsatz. Gegen Dortmund und zuletzt auch in Darmstadt lagen die beiden in den Laufstatistiken weit vorne. Stürmer Lasogga hat zudem bereits mehr Tore erzielt als im Vorjahr. Auch wenn das angesichts von nur vier Treffern in der Saison 2014/15 kein Hexenwerk ist. Zumal Lasogga zuletzt zweimal per Elfmeter traf.

Und so fordert auch Lewis Holtby weitere Superman-Einsätze von Lasogga. „Es wäre nicht schlecht, wenn er sein T-Shirt noch ein paar Mal zeigen würde“, sagte Holtby bezogen auf Lasoggas Torjubel. „Aber er ist natürlich positiv bekloppt.“ Die gleichen Worte wählte Holtby für seinen Fanclub-Besuch am Sonnabend. „Das war super humorvoll und freundlich“, ergänzte er.

Nach seinem Familienbesuch geht es für Holtby am Montagmorgen zurück nach Hamburg. Dann ist es endgültig vorbei mit der Entspannung.