Hannover. Boxweltmeister Arthur Abraham beschenkt Trainer Ulli Wegner zu dessen 100. WM-Kampf mit einem 2:1-Punkterfolg gegen den zähen Martin Murray

Still war der Mann, der in der TUI-Arena den lautesten Applaus bekommen hatte, ungewohnt still. Während um ihn herum die Diskussionen tobten über das Urteil und dessen Konsequenzen, saß Ulli Wegner fast teilnahmslos neben seinem Lieblingsschüler Arthur Abraham. Der 35 Jahre alte WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht hatte Wort gehalten, er hatte seinem Cheftrainer zu dessen 100. WM-Kampf einen Sieg geschenkt, aber in Feierlaune hatte er den 73-Jährigen nicht versetzen können. „Es war ein toller Kampf mit einem knappen, aber verdienten Sieg für Arthur. Das ist das Wichtigste. Wie es jetzt weitergeht, müssen andere entscheiden, ich bin müde“, sagte Wegner.

Nun hatte es für Euphorie auch keinen Grund gegeben. Fünf Tage nach dem abgesagten Fußballländerspiel hatte Hannover zwar einen spannenden Boxabend erlebt mit einem stimmungsvollen Publikum, in dem besonders die 500 Briten unter den 5000 Zuschauern Fußballatmosphäre nachempfanden. Aber die erhoffte Demonstration seiner Stärke, die sich Wegner von Abraham erhofft hatte, konnte der gebürtige Armenier nicht liefern. Gegen seinen britischen Herausforderer Martin Murray, 33, war Schwerstarbeit nötig, um sich einen 2:1 (116:111, 115:112, 112:115)-Mehrheitsentscheid zu sichern.

Um zu glänzen, hätte Abraham mehr tun müssen als mit einzelnen, gut gesetzten Kontern die Mehrheit der zwölf Runden für sich zu entscheiden. Dass er am Ende mit zwei Runden vorn lag, was sich mit dem Punktabzug für Murray wegen Schulterstoßens, den Ringrichter Benjamin Esteves (USA) in Runde elf aussprach, zu einem 115:112-Sieg summierte, war vertretbar. Es haben schon Kämpfer aus dem Berliner Sauerland-Team, bei dem auch Abraham unter Vertrag steht, für wesentlich weniger Leistung deutlichere Punktsiege davongetragen. „Es war ein harter Kampf, aber wir haben verdient gewonnen. Das zählt“, sagte Abraham.

Die Frage, warum er für eine freiwillige Titelverteidigung einen Gegner dieser Güteklasse ausgewählt hatte, war leicht zu beantworten: Weil sich das Profiboxen in Deutschland und Sauerlands TV-Partner Sat.1 keine Kämpfe mehr leisten können, in denen der Sieger von vornherein feststeht. Qualität ist gefragt, um die sinkenden Quoten, diesmal 3,46 Millionen, abzufedern und das Vertrauen der Fans zurückzugewinnen. Im Spätherbst seiner Karriere braucht Abraham Herausforderungen – und Murray war genau die richtige auf dem Weg zum Traum, eine Titelvereinigung boxen zu dürfen.

Dass sich bei einem knappen Kampf der Unterlegene benachteiligt fühlt, liegt in der Natur der Sache. „Ich habe genug getan, um zu gewinnen. Ich wusste aber, dass es in Deutschland schwer ist, nach Punkten zu gewinnen“, greinte Murray. Dass er im vierten Anlauf auf den WM-Titel zum vierten Mal scheiterte, kann indes nicht nur Zufall sein. Das Unentschieden gegen den damaligen WBA-Superchampion Felix Sturm und die Punktniederlage gegen WBC-Weltmeister Sergio Martinez waren deutlich umstrittener als das Urteil vom Sonnabend. Lediglich gegen Superstar Gennady Golovkin war der Brite chancenlos, hielt aber immerhin bis zur elften Runde durch.

Tatsächlich weist Murray in allen seinen Kämpfen eine enorme Schlagfrequenz auf, allerdings fehlen ihm Treffergenauigkeit und Schlaghärte. In der Wertung der klaren Treffer lag Abraham mit 141:125 vorn. Daran muss der 33-Jährige arbeiten, will er seine fünfte Chance zum Besteigen des WM-Throns nutzen. Dass diese kommen wird, garantierte Abrahams Promoter Kalle Sauerland. „Martin wird irgendwann Weltmeister sein, weil er es verdient. Heute allerdings war Arthur der verdiente Sieger“, sagte er. Den geforderten Rückkampf will man Murray gern gewähren. Zunächst allerdings steht die Pflichtverteidigung gegen den Mexikaner Gilberto Ramirez an, die am 19. März ausgetragen werden soll.

Für einen Rückkampf brachte Barry Hearn, Murrays Promoter, Manchester als Austragungsort ins Gespräch. Das Putzige an den Engländern ist ja, dass sie nach Niederlagen in Deutschland gern den WM-Sieg 1966 im Fußball, der auf dem unkorrekten Wembleytor basiert, ins Feld führen. Also sagte Hearn: „Wir haben euch 1966 besiegt und sind dann zur Revanche zu euch gekommen. Deshalb wäre es nur fair, wenn der Rückkampf in Manchester stattfinden würde. Arthur ist ein großer Champion, ich bin sicher, er wäre bereit für diese Herausforderung.“

Ulli Wegner hatte im Ring von Stallgründer Wilfried Sauerland einen Reisegutschein zum Jubiläum bekommen. Er wolle diesen nutzen, um Sauerland in Südafrika, wo dieser seinen Hauptwohnsitz hat, zu besuchen, scherzte der Jubilar, der am 24. Oktober 1998 sein WM-Debüt als Trainer gab, als Sven Ottke gegen Charles Brew­er IBF-Champion im Supermittelgewicht wurde. Als großer Fan von Manchester United wäre ein Umweg für einen Boxkampf in dessen Stadion Old Trafford ein Opfer, das Wegner auf sich nähme. Dort wäre es die Ehrfurcht, die ihn zum Schweigen brächte.