Hamburg. Claire Bertram ist seit dieser Saison Libera der Bundesligafrauen des Volleyballteams Aurubis. Anfangs verkrampfte die 19-Jährige noch, jetzt zeigt ihre Lernkurve nach oben

Es ist nicht schön, das zugeben zu müssen, aber: Manchmal ist die gedruckte Zeitung leider das falsche Medium. Um Claire Bertrams besondere Eigenschaft zu begreifen, muss man sie hören können. Die Stimme, die so klingt, als sei sie jahrzehntelang von Whisky und Nikotin gegerbt worden, will so gar nicht zum eher zerbrechlich wirkenden Äußeren der 19-Jährigen passen. Und dann ihr Lachen! Fast schon ein Naturereignis!

Zum Glück lacht Claire Bertram, die seit diesem Sommer für die Bundesligafrauen des Volleyballteams Aurubis als erste Libera – die Annahmespielerin, die nicht angreifen darf – agiert, sehr oft. Dass ihre Heiserkeit einen ernsten Hintergrund hat, erzählt sie mit so viel Schalk im Nacken, dass einem das Lachen dann doch nicht im Halse steckenbleibt. Als Frühchen kam sie drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt, als ihre Eltern und die beiden älteren Brüder gerade im Kreta-Urlaub weilten. Ein halbes Jahr lag sie in Heraklion im Krankenhaus, ehe Gewissheit herrschte, dass sie überleben würde. „Meine Stimmbänder waren bei der Geburt noch nicht ausgebildet. Deshalb erinnert mich meine Stimme immer an meine schwierige Geburt“, sagt sie.

Mit ihren 172 Zentimetern Körperlänge wirkt die zweitkleinste Spielerin im Kader von Cheftrainer Dirk Sauermann – nur Ersatzlibera Melanie Horn ist noch 13 Zentimeter kleiner – zwischen all den Riesinnen verloren. Wer aber sieht, mit welcher Energie sie den Bällen nachjagt, der kann verstehen, warum der Coach trotz ihrer mangelnden Erfahrung auf Claire Bertram baut. Auch wenn ihr zu Saisonbeginn die Nervosität, auf ihrer ersten richtigen Bundesligastation bestehen zu wollen, anzumerken war, sind ihr Einsatz und Siegeswille nie abzusprechen.

Damit steht die Tochter eines deutschen Vaters und einer Mutter aus Togo, der sie ihren kaffeebraunen Teint verdankt, sinnbildlich für das Team der Hamburgerinnen, in dem viele unerfahrene Spielerinnen mit großem Willen versuchen, ihr zweifelsohne vorhandenes Potenzial auszuschöpfen. Dass dabei oft noch Fehler passieren, verwundert nicht. Claire Bertram hat sich angewöhnt, im Spiel nicht zu lange vergebenen Punkten nachzutrauern. „Am Anfang wollte ich vieles zu perfekt machen und bin darüber verkrampft. Wenn ich jetzt einen Fehler mache, denke ich nur kurz nach, was ich besser machen muss, hake das dann ab und schaue nur noch auf den nächsten Punkt“, sagt sie. Daraus resultiert eine Lernkurve, die von Spiel zu Spiel immer weiter nach oben weist.

Wer mit 19 in eine fremde Stadt kommt, kennt Heimweh und Einsamkeit. Claire Bertram hat sich aber von Beginn an wohl gefühlt in ihrer Wohngemeinschaft mit den Teamkolleginnen Litara Keil und Elizabeth Field. Das liegt daran, dass sie schon mit 14 von zu Hause auszog, um ihr Glück im Volleyball zu suchen; dem Sport, der sie als Elfjährige in seinen Bann zog, nachdem sie Fußball und Handball gespielt hatte. Zwei Jahren am Sportinternat in Schwerin folgten zwei weitere beim VCO Berlin, ehe im Sommer Hamburg lockte. „Für mich war das eine tolle Option, um in der Bundesliga Fuß zu fassen. Ich spürte, dass es menschlich passen würde, und man hatte mir viel Spielzeit versprochen, damit ich mich entwickeln kann“, sagt sie.

All das ist bislang zu 100 Prozent eingetroffen. Den Spaß an ihrem Traumberuf will Claire Bertram auch an diesem Sonntag (15 Uhr, CU-Arena) im Heimspiel gegen Potsdam versprühen. Nicht nur sie hofft, dass es danach eine Menge zu lachen gibt.