München. Das Schweigen von Franz Beckenbauer hallt bis ins Teamhotel der Nationalmannschaft, die am Freitag zum Testspiel gegen Frankreich antritt

Jetzt soll das ganze Augenmerk auf Frankreich liegen. Nach den Ablenkungen durch DFB-Skandal und Werbeaufnahmen verlangt Joachim Löw von seinen Weltmeistern absolute Konzentration für den wichtigen Test im Land des EM-Gastgebers. „Ich freue mich, in Frankreich einen Vorgeschmack darauf zu bekommen, was uns dort im kommenden Sommer erwartet“, sagte der Bundestrainer vor dem Abflug zur Partie im EM-Endspielstadion von St. Denis bei Paris an diesem Freitag (21.00 Uhr/ARD). „Wir wollen Spaß haben und die Atmosphäre aufsaugen“, betonte Bayern-Profi Thomas Müller vor dem Klassiker der Nationalmannschaft.

Aber so einfach ist es natürlich nicht. Das Schweigen des „Kaisers“ schallt lautstark ins Münchner Quartier. Im Skandal um die Vergabe der Fußball-WM 2006 verschanzt sich Beckenbauer mit Anwälten und Beratern, kündigte am Mittwoch aber zumindest weitere Aussagen vor den externen DFB-Ermittlern an. „Franz Beckenbauer steht den zuständigen Gremien weiterhin zur Verfügung und wird sich daher öffentlich nicht äußern“, teilte Beckenbauers Management in einem knappen Statement mit. Sein Manager Marcus Höfl und sein langjähriger Intimus Fedor Radmann spielen bei Beckenbauers interner Krisenstrategie keine unwesentliche Rolle.

Der 71-jährige Radmann saß einst im Organisationskomitee für die WM 2006 und begleitete Beckenbauer auf seiner Welcome-Tour über 132.276 Flugkilometer durch 31 Länder. Wegen Interessenkonflikten gab Radmann 2003 sein Amt als Vize-Chef des WM-OK an Theo Zwanziger ab. Er gehörte schon 1972 zu den Olympia-Organisatoren von München, arbeitete später als Berater unter anderem für Adidas und die Kirch-Gruppe und kämpfte mit den Bewerbern in Salzburg (für die Winterspiele 2014) und Australien (für die Fußball-WM 2022). Kurz: Er zählt zu den größten Strippenziehern im Weltsport und weiß, wie man Lobbyarbeit betreibt.

Inzwischen muss sich Radmann ebenso wie Beckenbauer des Vorwurfs erwehren, einen Bestechungsversuch zumindest geplant zu haben. Die Interimsspitze des Deutschen Fußball-Bundes hat den Fund des Dokuments bestätigt, in dem vier Tage vor der Abstimmung zur WM-Vergabe dem inzwischen wegen Korruption gesperrten Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner „diverse Leistungen“ zugesagt werden. Unterschrieben hat demzufolge das Papier Beckenbauer, den Entwurf paraphiert Radmann.

So sehr Radmann bei seinem Aufstieg von der Nähe zu Beckenbauer profitierte, so untrennbar verbunden ist er nun in der (Erklärungs-)Not mit dem Weltmeister-Spieler von 1974 und -Trainer von 1990.

Als einer der wenigen in diesen Tagen trat Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge als Unterstützer für Beckenbauer ein und kritisierte den DFB wegen des Umgangs mit dem 70-Jährigen. „Wenn ein Freund in schwierigen Zeiten steht, muss man ihm zur Seite stehen. Ich verstehe, dass der DFB größtes Interesse haben muss, dass die ganze Angelegenheit aufgeklärt werden muss“, sagte Rummenigge.

Er würde sich „einen etwas sensibleren Umgang mit der Person Franz Beckenbauer wünschen, weil ich glaube, dass auch der DFB durchaus der Person viel zu verdanken hat“. Wie zu erwarten war, hat Jack Warner alle Vorwürfe gegen ihn dementiert. „Ich hatte mit niemandem aus Deutschlands Organisationskomitee für die WM 2006 irgendeine Vereinbarung“, sagte er bei Sport1. Er habe schon „tausendmal gesagt, dass ich nicht mehr über meine Zeit bei der Fifa spreche. Außerdem möchte ich mich nicht am internationalen Medienzirkus beteiligen, der mich erniedrigt und verleumdet.“

In Frankfurt hat sich Wolfgang Niersbach unterdessen am Mittwoch „hoch emotional“ von seinen einstigen Mitarbeitern in der DFB-Zentrale verabschiedet. Erstmals nach Jahren wird er in Frankreich nicht live bei einem Länderspiel der deutschen Mannschaft auf der Tribüne sitzen. Trotz allem den Fokus wieder auf den Sport zu legen ist für Löw und sein Team auch deshalb keine einfache Aufgabe. Zumal für den Bundestrainer der Schnupperkurs auf EM-Terrain wertvoller ist als der Jahresabschluss vier Tage später gegen die EM-Verpasser aus den Niederlanden – das verraten alle Botschaften aus dem DFB-Zirkel. Ein weiterer Prestigesieg gegen den Nachbarn nach dem taktisch hart erkämpften 1:0 im WM-Viertelfinale 2014 wäre das passende Signal für die nächste Titelmission im kommenden Sommer. „Frankreich verkörpert auf allen Positionen Weltklasse. Das wird eine echte Aufgabe“, sagte Löws Assistent Thomas Schneider am Mittwoch. Entsprechend sind die Personalplanungen des Bundestrainers ausgerichtet. Die angekündigten personellen Experimente sollen sich gegen Frankreich in Grenzen halten.

Ob Rückkehrer Mario Gomez schon in Paris von Anfang spielen oder erst am Dienstag in Hannover (20.45 Uhr) gegen die Niederlande erstmals seit September 2014 wieder in der DFB-Offensive auflaufen darf, ließ Schneider noch offen. „Das müssen wir abwarten. Er wird sicher Spielzeit bekommen“, sagte Schneider.

Die Turbulenzen um den Rücktritt von Niersbach haben sich im Teamhotel am Englischen Garten etwas gelegt. Zeitraubende Werbeaktionen waren am Mittwoch mit Ausnahme einer sogenannten „Schreibstunde“ auch abgeschlossen. „Die Jungs haben einen sehr spritzigen Eindruck gemacht. Wir haben so gut trainiert, wie man nach zwei Tagen mit Marketingaktionen trainieren kann“, berichtete Schneider.

Bayerns Thomas Müller versuchte ohnehin, den ganzen Störgeräuschen nicht zu viel Raum zu geben, und machte vor den Partien seine eigene Berufsauffassung deutlich: „Wir sind im Fußball Unterhalter und dafür da, die Leute glücklich zu machen.“