London. Der Weltranglistenerste gegen den Weltranglistenzweiten. Ritualtanz gegen 192-jährige Geschichte: Die Rugby-WM wird entschieden

Es ist ein Traumfinale. Neuseeland und Australien, Nummer eins und Nummer zwei der Rugby-Weltrangliste, die sich noch nie in einem Weltmeisterschafts-Endspiel gegenüberstanden. Schon wegen ihrer geografischen Nähe sind sie schärfste Rivalen, dazu kommt eine mehr als 100-Jährige gemeinsame Rugbygeschichte. Der Gewinner holt als erstes Team einen dritten WM-Titel. „Das größte Spiel, das die Welt je gesehen hat“, nennt der „Independent“ das Finale am Sonnabend(17.00 Uhr) in London.

Als Favoriten gehen die All Blacks aufs Feld. Sie könnten als erste Mannschaft in der 28-jährigen WM-Geschichte den Titel verteidigen, einige Champions von 2011 spielen noch mit. Für Kapitän Richie McCaw und mindestens vier weitere Spieler wird es wohl das Abschiedsmatch. Seit dem Triumph 2011 sind die Neuseeländer 53 mal angetreten - und haben gerade mal drei Spiele verloren.

Fakten zum Traumfinale

Das erste Länderspiel im Rugby hatte Neuseeland gegen Australien. Am 15. August 1903 siegte Neuseeland deutlich mit 22:3

Australien spielte bereits 1899 isein erstes Länderspiel. Damals gegen die British Lions. Die Australier gewannen mit 13:3

Die höchte Niederlage für Neuseeland gab es im Übrigen gegen Australien. 28:7 war der Endstand der Partie im August 1999

Die beiden Mannschaften werden am Sonnabend zum ersten Mal in einem Finalspiel aufeinander treffen. Grundsätzlich gab es schon 146 Begegnungen beider Mannschaften

Zurzeit belegen die Neuseeländer mit 92,89 Punkten Platz 1 der Weltrangliste. Mit 90,93 Punkten ist Australien den All Blacks jedoch dicht auf den Fersen

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Dennoch gibt sich Australiens Coach Michael Cheika vor dem großen Tag entspannt. „Man fühlt nur Druck, wenn man nicht so gut wie möglich vorbereitet ist“, sagte der 48-Jährige, der die Wallabies seit letztem Jahr trainiert. Zur psychologischen Vorbereitung hat das australische Lager offenbar den Spitznamen All Blacks, der für die Rugby-Macht der Neuseeländer steht, zum Tabu erklärt. Sogar von offiziellen Seiten in sozialen Netzwerken sei die Bezeichnung verschwunden, will der „New Zealand Herald“ beobachtet haben.

Auf neuseeländischer Seite ist man sich keinesfalls sicher, den vergoldeten Webb Ellis Cup schon in der Tasche zu haben. „Wenn es ein Team gibt, das Neuseeland einen harten Kampf bieten kann, dann Australien, denn sie sind das einzige Team, das es dieses Jahr zu schlagen gilt“, sagt etwa All-Blacks-Legende Jonah Lomu. Trainer Steve Hansen hat eine schlicht klingende Strategie: „Wir haben einen Plan für das Spiel, nämlich Räume gewinnen und Versuche erzielen. Aber mir ist egal, was es für ein Spiel ist, solange wir gewinnen.“

Unterstützung aus der Heimat: das weltberühmte Opernhaus in Sydney erstrahlt in Gelb und Grün, den Farben der australischen Nationalmannschaft
Unterstützung aus der Heimat: das weltberühmte Opernhaus in Sydney erstrahlt in Gelb und Grün, den Farben der australischen Nationalmannschaft © dpa | Sam Mooy

Die Wege der Kontrahenten ins Finale unterschieden sich. Die All Blacks hatten eine leichte Gruppe, überrannten Frankreich im Viertelfinale und mussten nur gegen Südafrika kämpfen. Australien erwischte eine schwere Gruppe, brauchte im Viertelfinale gegen Schottland eine Fehlentscheidung des Unparteiischen und musste auch gegen Argentinien rackern. „Wir hatten den Luxus, das ganze Turnier über Spiel für Spiel aufzubauen, während Australien vom ersten Tag an ihr Bestes gegen mussten“, beschreibt es All-Blacks-Trainer Hansen.

80 000 Fans werden sich den Showdown im Londoner Twickenham-Stadion anschauen. Und viele werden auch wieder auf den traditionellen Auftritt der All Blacks warten. Denn wie bei jedem Länderspiel wird auch der Haka – ein Ritualtanz – wieder zu sehen sein.

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Dass England in der Vorrunde gescheitert ist und die anderen Briten im Viertelfinale, hat die Stimmung im Gastgeberland ein wenig gedämpft. Trotzdem wechseln Finaltickets für Zehntausende Pfund den Besitzer.

In Down Under sind sie übrigens nicht gerade glücklich mit den Rahmenbedingungen. Zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens müssen sich die Fans je nach Wohnort vor den Fernseher setzen. Bisher fanden Finalpartien in der Regel abends statt, um den Heimatländern der Teilnehmer halbwegs menschliche Anstoßzeiten zu bieten.

Es gab sogar eine kleine Petition: Nach mehreren Wochen mit kurzen Nächten sei es doch „nur fair“, auf die „Rugby-Weltmacht der Südhalbkugel“ zu hören und das Spiel zu verschieben. Vergeblich. Die Briten fürchten, die 80 000 nach möglicher Verlängerung und Siegesfeier nicht mehr vom Stadion wegzubekommen. Twickenham ist nämlich ganz schön weit draußen.