Frankfurt am Main. Ein Ende der WM-Affäre ist nicht in Sicht. Nach DFB-Präsident Niersbach gerät nun zunehmend Beckenbauer unter Druck

Die Affäre um die WM 2006 in Deutschland wird immer größer. Denn möglicherweise geht es in dieser Geschichte um noch mehr dubiose Zahlungen als ohnehin schon bekannt. Dafür sprechen ein Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ über fragwürdige Fifa-Forderungen, das anhaltende Schweigen von Schlüsselfiguren wie Franz Beckenbauer – und weitere Aussagen von Theo Zwanziger.

Der frühere DFB-Präsident lenkte die Aufmerksamkeit am Wochenende auf die Akten zu dem Korruptionsskandal um den früheren Fifa-Vermarkter ISL, der bis zu seiner Pleite im Jahr 2001 mehrere Funktionäre des Weltverbandes mit Millionensummen bestochen hatte. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sprach der 70-Jährige von einem „Schmiergeld- teppich“, der in diesen Akten zu finden sei. Zwanziger hat nach eigenen Angaben erst nach Einsicht der Akten im Jahr 2012 erste Zweifel an der damaligen DFB-Version zu jenen ominösen 6,7 Millionen Euro bekommen, die im Zentrum der WM-Affäre stehen. Ebenfalls 2012 hatte er angesichts der „vielen Geldflüsse“ in dem ISL-Skandal eine Untersuchung der WM-Vergabe durch die Fifa-Ethikkommission angemahnt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ enthüllte derweil einen Fall, der ähnlich tief auf die Geschäftspraktiken der Fifa blicken lässt wie die 6,7 Millionen, die der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus entweder im Jahr 2000 oder 2002 für das deutsche WM-Organisationskomitee an den Fußball-Weltverband überwiesen hatte. Dem Bericht zufolge soll die Fifa im Jahr 2003 auf einmal 40 Millionen Euro vom deutschen OK verlangt haben – 33 Millionen für die Informationstechnik der WM 2006 und sieben Millionen „zum Zeichen der deutschen Solidarität mit Afrika“, wie aus OK-Akten der Bundesregierung hervorgeht.

Das Organisationskomitee und sein Chef Franz Beckenbauer hätten empört und ablehnend auf diese Forderung reagiert. Später sei „offenkundig unter Einschaltung der Regierung“ eine Lösung gefunden worden, die nur eine Zahlung von 20 Millionen Euro inklusive Beteiligung des OK an eventuellen Gewinnen vorsah.

Entscheidend ist auch hier die Frage: Wozu verlangt die Fifa vom deutschen WM-OK sieben Millionen Euro als „Afrika-Hilfe“? Und: An wen flossen wann die ominösen 6,7 Millionen?

Erst 2002 zur Sicherung eines Organisations-Zuschusses von der Fifa, wie es der Deutsche Fußball-Bund und sein schwer angeschlagener Präsident Wolfgang Niersbach behaupten? Dazu sagte der gesperrte Fifa-Präsident Joseph Blatter der Zeitung „Schweiz am Sonntag“ noch einmal: „Ich habe niemals Geld von Beckenbauer verlangt. Nie im Leben. Auch nicht vom DFB. Das stimmt einfach nicht.“ Oder diente das Geld doch schon vor der WM-Vergabe zur Bestechung von stimmberechtigten Fifa-Funktionären, wie es die Recherchen des „Spiegels“ und die Aussagen von Zwanziger nahelegen?

Noch stehen hier Aussagen gegen Aussagen, noch gibt es für nichts einen Beleg. Und vor allem: Noch immer schweigt die wahrscheinlich einzige Person, die alle Fragen beantworten könnte und deshalb im Zentrum der Affäre steht: Franz Beckenbauer. „Der Ausgang dieser Geschichte liegt im richtig verrotteten System der Fifa, in das Beckenbauer hineinstolpern musste, um überhaupt eine Chance zu haben, die WM nach Deutschland zu holen“, sagte Zwanziger „Spiegel TV“ am Sonntagabend.

Aus der Bundesliga waren derweil Solidaritäts-Bekundungen mit Niersbach zu hören. Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer warf Zwanziger bei Sky vor, seinen Nachfolger als DFB-Präsidenten in Verruf zu bringen.

Niersbach steht seit Tagen wegen seines miserablen Krisenmanagements unter Druck – und dazu noch durch die Aussagen seines Vorgängers. Zwanziger bezichtigt seinen Intimfeind der Lüge. „Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab“, sagte er dem „Spiegel“. „Es ist ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß.“

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