Buxtehude. Die Handballerinnen des Buxtehuder SV haben nach vier Spieltagen schon so viele Minuspunkte wie in der gesamten Vorsaison.

Am vergangenen Montag hat Dirk Leun das Training ausfallen lassen. Nichts ging mehr beim Trainer des Buxtehuder SV.Schon am Vortag hatte ihn die Migräne erwischt, und das Spiel seiner Handballerinnen in Oldenburg hatte nicht zur Genesung beigetragen. In den letzten 14 Spiel­minuten war trotz bester Chancen kein Tor mehr gelungen, nach einer 27:23-Führung hatte der Pokalsieger das Bundesligaspiel beim Tabellenführer noch mit 27:31 verloren.

„Nach so einem Erlebnis war es vielleicht für die Mannschaft nicht verkehrt, einmal einen Tag Pause zu haben“, sagt Leun. Zeit zum Durchatmen, Erholen, Nachdenken. Oder, noch wichtiger: um auf andere Gedanken zu kommen. Denn was in Oldenburg passiert ist, lässt sich auch mit mehr Tagen Abstand kaum erklären.

Es ist nicht vermessen zu behaupten, dass der Buxtehuder SV der vergangenen Saison den Vorsprung ins Ziel gerettet hätte. „Wir sind auf einer Erfolgswelle geschwommen und haben auch Spiele gewonnen, in denen wir nicht gut waren“, sagt Manager Peter Prior. Von 26 Spielen gingen zwei verloren. Die Meisterschaft wurde nur um einen Punkt verpasst, dafür gelang im Pokal der erste nationale Titelgewinn der Vereinsgeschichte.

Jetzt aber hat Buxtehude nach nur vier Spieltagen bereits so viele Minuspunkte wie am Ende der vergangenen Saison. Und am Sonnabend (16 Uhr, Halle Nord) kann es gegen Borussia Dortmund den nächsten Rückschlag geben. Der Aufsteiger hat seine Mannschaft mit den Nationalspielerinnen Clara Woltering, Nadja Nadgornaja und Anne Müller verstärkt und ist für Leun „jedenfalls keine Mannschaft, gegen die wir gewinnen müssen“.

Der Konkurrenzkampf ist härter geworden in der Bundesliga. 80 Spielerinnen sind zu dieser Saison neu dazugestoßen, 30 von ihnen bezeichnet Leun als „hochkarätig“. Buxtehude hat keine von ihnen abbekommen. Stattdessen musste die Mannschaft schmerzhafte Abgänge verkraften: Ulrika Ågren wurde schwanger, Marcella Deen, die zweite Kreisläuferin, beendete ebenso ihre Karriere wie Rekordspielerin Stefanie Melbeck, Josephine Techert und Stefanie de Beer.

Gleichwertiger Ersatz war nicht zu bekommen – weil Buxtehude ihn nicht bezahlen konnte. Um den Etat, etwa eine Million Euro, zu sichern, mussten die Personalkosten um 100.000 Euro gekürzt werden. Daran hat der Pokalsieg nichts geändert. „Es kommt ja dann kein Sponsor und sagt: Jetzt gebe ich euch aber mehr Geld“, sagt Prior, „das Geschäft bleibt schwierig.“

Eine großzügige Prämie konnten er und Mitgeschäftsführer Michael Schmidt den Spielerinnen nicht anbieten. Vielmehr mussten sie einige bitten, sich in Gehaltsverzicht zu üben, um die Zukunft des Bundesliga-Handballs in der Hansestadt zu sichern. Auch die Verpflichtungen waren von Kostenbewusstsein geleitet. Vor allem am Kreis hat Leun einen „deutlichen Leistungsverlust“ ausgemacht. Evelyn Schulz kam vom Abstiegskandidaten Celle, Lynn Schneider aus der eigenen Jugend. Bis sie zum Niveau von Kapitänin Isabell Klein oder Spielmacherin Randy Bülau aufschließen, wird es dauern – wenn sie es denn schaffen.

Aber sie werden jetzt gebraucht, da Klein wieder verletzt ausfällt, Jessica Oldenburg ihr Trainingsrückstand anzumerken ist und Jana Podpolinski weit davon entfernt ist, sich auf Handball konzentrieren zu können. Bei ihrem Mann Toni, der für Bad Schwartau in der Zweiten Liga spielt, wurde im Mai Krebs diagnostiziert.

Günstig einkaufen, eigene Talente heranführen: Das war der Buxtehuder Weg, seitdem Leun, 51, die damals kriselnde Mannschaft vor sieben Jahren übernommen hat. Sie hat in dieser Zeit keine Stars hervorgebracht, aber viele gute Spielerinnen und ein starkes Kollektiv, von dem auch Ehemalige noch schwärmen. Es wuchs trotz bescheidener Mittel zum härtesten Rivalen des Dauermeisters Thüringer HC heran.

Inzwischen aber treiben auch Leun Zweifel um, ob sich dieser Weg so weitergehen lässt: „Es wird immer schwieriger, in der Zweiten Liga Spielerinnen zu finden, die das Potenzial haben.“ Die Karrieren von Bülau, 33, und Klein, 31, neigen sich allmählich dem Ende zu. „Sie müssen wir eines Tages adäquat ersetzen.“ Auf Glücksfälle wie die 17 Jahre alte Emily Bölk, die in ihrer zweiten Bundesligasaison bereits Stammkraft im BSV-Rückraum ist, kann man sich nicht verlassen.

„Der Generationenwechsel wird kommen“, sagt Prior, „und ob wir die Lücken im Kader immer nur mit jungen Talenten auffüllen können, ist eine berechtigte Frage, mit der wir uns beschäftigen.“ Allerdings immer mit der Besonnenheit, die sie in Buxtehude in einem Vierteljahrhundert Bundesligazugehörigkeit von jeher ausgezeichnet hat. Man sei ja auch nach dem Triumph bei der Pokalendrunde in Hamburg im Mai stets besonnen geblieben.

Das hat Leun schon anders erlebt. 2001 führte er den TV Mainzlar sensationell zum Pokalsieg. Es folgte ein Niedergang, der 2011 mit dem Rückzug aus der Zweiten Liga endete. Damit es seiner jetzigen Mannschaft nicht genauso geht, müsse jetzt gehandelt werden: „Wir befinden uns an einer Schwelle, an der wir den Umbau der Mannschaft einleiten müssen, damit sie weiter erfolgreich ist.“

Leun ist bereit, diesen Weg mitzugehen. Buxtehude ist für ihn immer noch „ein toller Verein“, sein Vertrag unbefristet, „das ist in der Branche einmalig“. Aber auch wenn in dieser Saison nicht an Titel zu denken sei und ein Europapokalplatz wohl das höchste der Gefühle: Mittelfristig will er wieder oben mitspielen. Leun sagt: „Ich sehe mich nicht nur als Kinderausbilder.“

Immerhin: Die Umstände in der Handballstadt Buxtehude könnten sich bald verbessern. So erwägt Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt, statt der fälligen Sanierung der Halle Nord die erforderlichen drei Millionen Euro in einen neuen Multifunktionsbau auf dem Gelände des Schulzentrums zu investieren. Es würde dem BSV zu einer adäquaten Spielstätte mit mehr Zuschauerplätzen und besseren Vermarktungsmöglichkeiten verhelfen.

Fragt sich nur, warum sich die Stadt bei der geplanten Arena Buxtehude vor zwei Jahren außer an der Erschließung des Geländes nicht beteiligen mochte. Das Projekt war gescheitert, weil bei der Spendenfinanzierung knapp zwei Millionen Euro gefehlt hatten. Prior: „Wären die drei Millionen Euro damals zugeschossen worden, würden wir jetzt schon dort spielen.“