Liverpool. Jürgen Klopp steht vor seiner Heimpremiere in Liverpool. Zur PK musste der Trainer mit einem Spickzettel kommen.

Mit einem Spickzettel kam Jürgen Klopp am Mittwoch zur Pressekonferenz des FC Liverpool vor seinem Heimdebüt am Donnerstag in der Europa League gegen Rubin Kasan (21.05 Uhr/sky und im Liveticker auf abendblatt.de). Auf dem Zettel standen acht Namen. Daniel Sturridge, Danny Ings, Joe Gomez, Jon Flanagan, Roberto Firmino, Christian Benteke, Jordan Henderson und Dejan Lovren. Die Spieler mit Stammspieler-Potential fehlen dem FC Liverpool verletzt oder sind noch nicht fit genug für einen Startelf -Einsatz. Klopp gab zu, dass er den Zettel benötigte, weil er sich sonst nicht alle Namen hätte merken können.

Wegen einer verletzten Personalie kritisierte Jürgen Klopp sogar den englischen Fußballverband FA. Der 48-Jährige ist verärgert, weil Liverpools 18 Jahre altes Talent Jordan Rossiter nach einer U19-Länderspielreise der Engländer mit einer Oberschenkelverletzung zurückkehrte. Der 18-Jährige zog sich nach drei Länderspielen in fünf Tagen in der vergangenen Woche einen Muskelfaserriss während der Partie gegen Italien zu.

„Ich habe noch von keinem 18-Jährigen gehört, der drei Spiele innerhalb von fünf Tagen absolvieren muss. Drei Spiele in fünf Tage sind zu viel. Wir müssen reden und sind bereits in Kontakt. Ich wollte eigentlich nicht gleich an meinem ersten Tag mit der FA reden, aber das ist nicht ok“, schimpfte Klopp am Mittwoch. „Diese Spieler sind unser Zukunft. Wenn wir mit ihnen umgehen wie mit Pferden, dann werden sie auch zu Pferden. Ich weiß nicht, mit wem ich über diese Sache reden muss, aber ich werde einen Weg finden, denn das ist nicht in Ordnung“, schimpfte Klopp weiter.

The Kop ist heiß auf Klopp

Mittelfeldspieler Rossiter hatte Anfang des Monats drei Partien über 90 Minuten in der EM-Qualifikation der englischen U19 absolviert. Für die Reds kam er zweimal in der Europa League zum Einsatz.

Gute Laune macht dagegen das erste Heimspiel als Trainer des FC Liverpool am Donnerstag (21.05 Uhr) an der Anfield Road. „Ich freue mich sehr auf diese Partie. Es ist Abends, das Flutlicht ist an. Es wird eine spezielle Atmosphäre dort herrschen, die ich spüren will“, teilte der deutsche Coach mit.

Und auch „The Kop“ ist heiß auf Jürgen Klopp: Die enthusiastischen Fans auf der altehrwürdigen Tribüne an der Anfield Road haben ihre Deutschlandfahnen bereitgelegt, der Empfang für den Heilsbringer aus Germany dürfte überwältigend werden. Auch der neue Teammanager des FC Liverpool behauptet, er könne sein Heimdebüt kaum erwarten.

„Ich freue mich wirklich auf mein erstes Spiel zu Hause“, sagte Klopp am Mittwoch, wirkte dabei aber eher reserviert. Er wolle „da rausgehen und alles aufsaugen“, meinte er, und fügte in typischer Klopp-Manier an: „Wenn uns jemand überraschen und lauter und wilder als je zuvor in seinem Leben sein will, gerne!“

„Es ist Fußball“

Ansonsten wird „The Normal One“ die „Kloppmania“ in der Beatles-Stadt aber fast zu viel. „Mit diesem Hype habe ich ein Problem, weil ich ihn überzogen finde“, sagte er bei Sky. Angesichts des Rummels könne er nicht einmal raus und essen gehen: „Du hast immer einen Menschenauflauf.“

Am Donnerstag werden ihn 44.000 verrückte Liverpudlians umringen. Schon bei seinem Einstand in der vergangenen Woche mit dem 0:0 bei Tottenham Hotspur machten die Anhänger deutlich, was sie von ihrem „Messias“ erwarten. „Jurgen mein Held, mein Kumpel“, schrieb einer auf eine schwarz-rot-goldene Fahne, andere schmückten Deutschland-Banner mit Klopp-Fotos und den Worten „Jürgen Meister“ oder „Liverpool über alles“.

In einem eigens für ihn kreierten Song machten die Anhänger klar, wo die Reise hingehen soll. „Jürgen Klopp, Klopp, Klopp / He will take us to the top“ (Klopp wird uns an die Spitze führen), heißt es auf die Melodie von „Agadoo“ der britischen Europopband Black Lace über den „New King of the Kop“.

Klopp findet zumindest teilweise Gefallen an der Begeisterung. „Es ist alles Fußball!“, sagte er über die Atmosphäre an der Merseyside, „Liverpool ist extrem anders und das ist deshalb so, weil es hier noch eine andere Tradition gibt. Und das macht die Stadt zu einem ganz speziellen Ort.“ Klopp soll die Leidenschaft - möglichst sofort - mit dem herbeigesehnten sportlichen Erfolg anreichern. „Ich hoffe, dass keiner ein 4:0 nach drei Minuten erwartet und dann enttäuscht ist“, sagte er.

In der Mannschaft hat der 48-Jährige schon nach wenigen Tagen Großes bewirkt. Klopp sei „komplett anders“ als alle anderen Trainer, sagte Nationalspieler Emre Can im Klubfernsehen: „Er ist viel emotionaler und nimmt dich auch mal in den Arm. Klopp gibt uns den Glauben an unsere Stärken zurück.“ Auch Lucas Leiva war am Mittwoch voll des Lobes, wurde aber von dem neben ihm sitzenden Klopp unterbrochen. „Wenn er dächte, dass ich ein Idiot bin, würde er es kaum hier erzählen, oder?“

„Handschrift vom ersten Tag an sichtbar“

Die Ehemaligen halten viel von Klopp. Dessen berühmter Vorgänger Gerard Houllier ist „froh“, dass sich der Deutsche für Liverpool entschieden hat: „Sein emotionaler Stil dürfte in der Mannschaft und bei den Fans gut ankommen.“ Und Klub-Legende Jamie Carragher ergänzte: „Man erlebt es sehr selten, dass die Handschrift eines Trainers vom ersten Tag an sichtbar wird.“

Carragher gab aber zu bedenken, dass Klopps kraftraubender Überfallfußball nur durchzuhalten sei, wenn der Coach rotieren lasse: Kasan ist für die Reds das erste von sechs Spielen binnen 17 Tagen. Und nach den Unentschieden gegen Girondins Bordeaux und den FC Sion (jeweils 1:1) steht Liverpool gegen den Tabellenletzten der Gruppe B bereits unter Druck. „Es ist das größte Missverständnis meines Lebens, dass ich immer gefragt werde, ob man dauerhaft so spielen kann“, sagte Klopp, „aber wir killen die Spieler nicht.“