Hamburg. Beim 0:0 gegen Bayer Leverkusen durfte sich René Adler über sein Comeback, eine herausragende Leistung und die Beförderung zum Stammkeeper freuen

René Adler war einer der letzten HSV-Profis, die am frühen Sonntagmorgen auf den Trainingsplatz schlurften. Die Hände in den Hosentaschen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen. Ein kurzes „Moin“ zu den wartenden Kiebitzen, dann war der Torhüter in der Laufgruppe der Stammspieler verschwunden. Dass der Keeper die unumstrittene Hauptfigur eines überaus unterhaltsamen Fußballkrimis am Sonnabend gewesen war, konnte man vor dem Auslaufen am Tag danach nicht erkennen. Nach dem gerade mal 20-minütigen Regenerativtraining dafür umso mehr. Denn so plötzlich Adler um kurz nach 10 Uhr gekommen war, so plötzlich wollten ihn die Fans nach getaner Arbeit nicht mehr gehen lassen. Hier ein Autogramm, dort ein Handyfoto. „René, das war spitze gestern“, sagte eine junge Dame, die nach eigener Auskunft für diesen Satz 600 Kilometer auf sich genommen hatte.

Am Vortag war es Pierre-Michel Lasogga gewesen, der Adlers Werk im Spiel gegen Bayer Leverkusen in einem einzigen Satz treffend zusammenfasste: „In der ersten Halbzeit hat René uns, ehrlich gesagt, den Arsch gerettet“, hatte der Stürmer nach dem torlosen Unentschieden etwas derb formuliert und dabei mit keiner Silbe übertrieben. So konnte Adler im ersten Durchgang gleich drei Leverkusener Torchancen in einer Art und Weise vereiteln, für die man auch am Tag danach keine überzeugende Erklärung parat hatte. Einen Papadopoulos-Kopfball aus zwei Metern hatte der frühere Nationaltorhüter mit einem Blitzreflex über die Latte (24.) gelenkt, einen Volleyschuss von Ömer Toprak hatte er zur Seite gefaustet (27.), und auch bei einem Pickenschuss durch Julian Brandt aus kurzer Distanz hatte er gerade noch seine Hände dazwischen bekommen (41.). „Weltklasse“ hatte Johan Djourou seinem Teamkollegen bescheinigt – und damit wahrscheinlich genauso recht gehabt wie zuvor schon Lasogga.

Die Geschichte vom unüberwindbaren Torhüter, der seiner Mannschaft ein torloses Unentschieden beschert, ist wahrscheinlich nicht neu. Auch nicht mit der Zusatzkomponente, dass der Gegner ausgerechnet, wie TV-Kommentatoren an dieser Stelle gern zu sagen pflegen, der Ex-Club war. Doch bei Adlers Geschichte kam noch ein weiteres Kapitel hinzu, das aus einer guten eine einmalige Geschichte machte: Der frühere Nationaltorhüter hatte erst am Vorabend erfahren, dass er statt Jaroslav Drobny nach seiner zwischenzeitlichen Degradierung zur Nummer zwei von Anfang an spielen durfte. „Ich hatte mich erst spät entschieden“, erklärte Trainer Bruno Labbadia. „Im Mannschaftshotel habe ich beiden Torhütern Bescheid gegeben.“

Er habe sich also darüber gefreut, „in diesem geilen Stadion Fußball zu spielen, Spaß zu haben und zeigen zu dürfen, dass ich ein guter Fußballer bin“, sagte Adler, der für seine herausragende Leistung eine ziemlich profane Erklärung hatte. „Ich hatte ja ein wenig Urlaub in den vergangenen Wochen“, witzelte der Wahl-Harvestehuder. „Da konnte ich mich erholen und mich aufs Training konzentrieren.“

Mit dem Erholen ist es nun jedenfalls erst einmal vorbei. Denn anders als in den Vorwochen, als sich Labbadia nie dazu durchringen konnte, Adler-Vertreter Drobny auch als Stammkeeper zu benennen, ist die Torwart-Reihenfolge nun vorerst zementiert. „René war und ist unsere Nummer eins“, stellte der Cheftrainer am Sonntag klar.

Dabei wollte der Ex-Leverkusener Labbadia keinesfalls verhehlen, dass das umkämpfte 0:0 mehr Erfolgsväter als nur den früheren Bayer-Torhüter Adler hatte. Abwehrchef Emir Spahic zum Beispiel. Selbstverständlich auch ein früherer Leverkusener. „Emir muss ich ein Riesenkompliment machen. Er hat sehr klar gespielt, hat das richtig gut gemacht“, lobte Labbadia, der nicht müde wurde zu betonen, dass sich die ach so spielstarken Leverkusener im gesamten zweiten Durchgang keine einzige Torchance erspielen konnten.

Die Null hinten steht. Die Null vorn aber auch. Nicht nur gegen Bayer, sondern mit Ausnahme des abgefälschten Freistoßtors von Michael Gregoritsch gegen Ingolstadt bereits im fünften Spiel in Folge. So wartet der HSV seit knapp 500 Minuten auf einen Treffer aus dem Spiel heraus. „Irgendwann müssen wir mal wieder ein Tor machen“, sagte Aaron Hunt, der allerdings in den nächsten Wochen kaum bei der Umsetzung helfen kann. Am Sonntag bestätigte sich der Verdacht, dass sich Hunt im Spiel gegen Leverkusen einen Muskelfaserriss zugezogen hatte. „Wir haben schon ein paar Ideen, wie wir ihn ersetzen könnten“, sagte Labbadia, der nur zu gern im nächsten Spiel gegen Hoffenheim die nächste Erfolgsgeschichte produzieren würde. Im besten Fall dann mit einem echten Happy End.