Frankfurt/Kailua-Kona. Als erster Triathlet gewinnt Jan Frodeno nach den Olympischen Spielen auch den Ironman Hawaii. Andreas Raelert sorgt für einen deutschen Doppelsieg

Der Satz schien in die Lavawüste gemeißelt wie wetterfestes Gestein. „Das reizt mich überhaupt nicht.“ Gemeint war der Ironman Hawaii, dieser mystische Dreikampf aus 3,8 Kilometer Schwimmen im tückischen Pazifik, 180 Kilometer Radfahren bei unberechenbarem Wind und 42 Kilometer Laufen in sengender Sonne. Gesagt hat es Jan Frodeno, ehe ihn vor vier Jahren ein Sponsor erstmals zu dem Event einlud, das bis heute im Triathlon als Nonplusultra gilt. Und nun griff jener einst so skeptische Olympiasieger von 2008 das bunte Zielband mit aufgerissenem Mund, als gebe es kein reizvolleres Ziel, die Leistungsmesse auf der klassischen Strecke für sich zu entscheiden. Klar, dass der 34-Jährige „total glücklich“ war.

Tatsächlich ist der in Köln geborene, in Südafrika aufgewachsene und lange in Saarbrücken beheimatete Kosmopolit an der Endstation Sehnsucht in seinem Metier angelangt, der bei seinem zweiten Hawaii-Start nach 8:14:40 Stunden neue Meilensteine setzte: Nach den Olympischen Spielen auf der Kurzdistanz auch im Mekka Hawaii auf der Langdistanz zu gewinnen – das schaffte bis dato keiner. Und binnen weniger Monate den EM-Titel beim Ironman Frankfurt, die Weltmeisterschaft über die Halbdistanz in Zell am See zu gewinnen und sich die Blätter-krone auf Hawaii aufzusetzen, das gab es in dieser unberechenbaren Nischensportart ebenso noch nie.

„Ich bin derzeit auf Wolke sieben oder neun oder 35“, beschied Frodeno später. Denn da war ja noch etwas, was bei ihm und dem Überraschungszweiten Andreas Raelert (8:17:43) endlich öffentlich verraten werden konnte: „Heute haben die werdenden Väter zugeschlagen“, so der mittlerweile im spanischen Girona lebende Triumphator, der dorthin wegen seiner Ehefrau Emma gezogen ist. Die Australierin gewann unter ihrem Mädchennamen Snowsill bei denselben Spielen (2008 in Peking) die Goldmedaille – bald erwartet das Promi-Paar das erste Kind. „Es war ein schöner Moment, publik zu machen, dass wir im Februar Eltern werden“, sagte Frodeno zu seiner Geste, den Babybauch im Zielkanal zu küssen. Großes Gefühlskino in Kailua-Kona.

Frodenos über die Jahre angeeignete Tempohärte entschied beim Marathon, in dem der 1,94-Meter-Mann den mit Abstand längsten Atem besaß: Im berühmten Energy Lab zermürbte er bei Temperaturen von 32 Grad den späteren Dritten Timothy O’Donnell (8:18:50). Dass der Sieger kurz zuvor an manch einer Verpflegungsstation haltmachte, besaß ganz praktischen Hintergrund: Nur so ließ sich genug Eis unter die Schirmmütze packen, um mit kühlem Kopf weiterzulaufen. „Ich hatte eine gute Laufform, aber es war brutal, hier war kein Schatten, gar nichts“, erklärte Frodeno, der nach Thomas Hellriegel (1997), Normann Stadler (2004 und 2006), Faris Al-Sultan (2005) und Sebastian Kienle (2014) als fünfter Deutscher auf Big Island siegte.

Natürlich muss auch er mit dem Argwohn leben, der alle Ausdauerdisziplinen begleitet: Geht das alles ohne unerlaubte Hilfsmittel? Frodeno begrüßt das Hinterfragen. „Ich bin für lebenslange Sperren für Dopingsünder. Ich stelle mich dem Thema und tue alles, um zu beweisen, dass ich sauber bin.“ Der asketisch veranlagte Modellathlet, der nur 76 Kilogramm wiegt, hat dank seiner Vita und seines Charismas nun sogar gute Chancen, die Wahl zum „Sportler des Jahres“ zu gewinnen.

Verdient hätte er es. „Sportartenübergreifend kenne ich kaum einen härteren Arbeiter“, lobt Konkurrent Sebastian Kienle. Wie schon zweimal nach den direkten Duellen in diesem Jahr blieb dem 31-Jährigen nur der kleine Trost, dass Frodeno hernach in großer Runde das gemeinsame Essen spendierte.

Der letztlich auf Rang acht durchgereichte Titelverteidiger nahm den Rennverlauf pragmatisch hin. „Ich bin megahappy, dass ich an so einem Tag gefinisht habe. Wenn mir das nicht gelungen wäre, hätte ich ein halbes Jahr Depressionen.“ Der Tüftler aus dem badischen Mühlacker verdeutliche damit, dass im Triathlon Siege nicht allein selig machen.

Das zweite Ausrufezeichen aus deutscher Sicht setzte der von vielen Experten voreilig abgeschriebene ältere der beiden Raelert-Brüder. Viele Jahre hatte der 39-Jährige als ernsthafter Sieganwärter gegolten, immer kam irgendetwas dazwischen. Doch als angehender Vater hatte nach zwei dritten und zwei zweiten Plätzen Raelert offenbar genau die richtige Gelassenheit und den optimalen Tag erwischt. „Ich habe bewiesen, dass ich noch zur Weltspitze gehöre“, sagte der gebürtige Rostocker und kündigte sogleich an, auch 2016 noch einmal zu starten: „Damit kann ich nicht aufhören. Vielleicht erfülle ich mir noch einmal den Traum vom Sieg.“