Philip Köster hat das Surfen auf ein neues Niveau gehoben. Nach zwei Jahren voller Rückschläge hat er zu alter Stärke zurückgefunden.

Das Gelächter ist groß im Konferenzraum des Sylter Tourismusbüros, als Philip Köster diesen Satz sagt: „Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste.“ Aus dem Mund eines 21-Jährigen klingt das wie ein Witz, wo doch neben ihm Robby Naish steht. 52 Jahre alt ist der US-Pionier des Windsurfens, er könnte der Vater des jungen Deutschen sein, und in gewisser Weise ist er das auch. Aber Köster hat seinen Satz schon ernst gemeint.

Seit er zwölf Jahre alt war, tourt er mit seinen Brettern um die Welt. Mit 17 wurde er 2011 das erste Mal Weltmeister in der Königsdisziplin Wellenreiten, nur Naish war bei seinem ersten Titelgewinn noch jünger. Im Jahr darauf hat Köster diesen Erfolg wiederholt. Es schien weltweit keinen zu geben, der an seine Tricks, seine Sprunghöhen würde heranreichen können. „Philip hat unseren Sport neu erfunden“, sagt Naish. Die Techniken, mit denen er selbst einst zu seinen 24 WM-Titeln surfte, beherrsche er zwar noch immer. „Aber einen Double-Forward, wie Philip ihn locker steht, kann ich einfach nicht.“

Derzeit arbeitet Köster sogar am Triple Loop, einem Dreifachsalto vorwärts. Es ist ein halsbrecherisches Manöver. Den Marokkaner Boujmaa Guilloul hätte es einmal fast das Leben gekostet, nachdem er mit dem Kopf auf sein Brett aufgeschlagen und bewusstlos geblieben war. Zwei Kollegen haben ihn aus dem Wasser gezogen. Köster wird das wohl nicht riskieren beim Weltcup auf Sylt, „dafür müsste der Wind schon von der Seite kommen und etwas mehr Platz für den Anlauf sein“, sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. Da seien die Bedingungen zu Hause auf Gran Canaria, wo der Sohn eines Hamburger Auswandererpaars aufgewachsen ist, doch günstiger und auch wärmer, „das ist gut für die Muskeln“.

Nein, es wäre schön, wenn beim größten Windsurf-Event der Welt überhaupt einmal wieder Sprünge möglich wären. In den vergangenen fünf Jahren konnten sich die Wellenreiter auf Sylt ein einziges Mal messen, das war 2012, Köster gewann. Er tritt so gesehen als Titelverteidiger an, aber seine Karriere hat zwischenzeitlich einen Knick erlitten.

Vor zwei Jahren hatte Köster den Titel-Hattrick schon vor Augen, als ihn beim Weltcupfinale auf Hawaii eine Verletzung vom Brett warf. Im vergangenen Jahr dann wurde er wieder vom eigenen Körper gestoppt: Seine 88 Kilogramm waren schlicht zu viel für den Titel, weil es bei mehreren Weltcups an Wind und Wellen fehlte.

Für Köster war das eine neue Erfahrung: „Man gewöhnt sich schnell an den Erfolg. Dann plötzlich zu verlieren zieht einen schon runter und war anfangs sehr frustrierend.“ Zwei „komische Jahre“ seien das gewesen. Ein bisschen habe wohl auch die Motivation darunter gelitten.

Weltcup auf Sylt erstmals live im Internet

Inzwischen hat er sie wiedergefunden. Philip Köster wollte nach der vergangenen Saison den Kopf freibekommen, und dafür tat er das, was er am liebsten tut: Er ist mit Freunden und Wohnmobil um die Welt gefahren und surfen gegangen, „das ist mein Urlaub“. Aber Philip Köster hat auch gearbeitet: Er hat sein Training etwas umgestellt, um sich besser auf Bedingungen mit weniger Wind einzustellen. Er hat neue, größere Bretter und Segel ausprobiert und mit nach Sylt gebracht. Köster sagt: „Ich bin insgesamt besser vorbereitet.“ Nach drei von sechs Weltcups führt er die WM-Wertung an, zweimal hat er in dieser Saison bereits gewonnen. Im Training sei es gefühlt sogar schon höher hinaus gegangen als 18 Meter, sein offizieller Weltrekord.

Die Konkurrenz ist stärker geworden, aber er eben auch. Köster hofft das am Brandenburger Strand von Westerland dem großen Publikum zeigen zu können, das diesen Event „sehr, sehr besonders“ mache. Er selbst ist die wichtigste Attraktion für Veranstalter Matthias Neumann und seine Hamburger Agentur Act, auch und gerade an Land. Der Weltcup hat in den vergangenen Jahren immer neue Besucherrekorde vermeldet, obwohl Köster kaum einmal aufs Wasser gehen konnte. In diesem Jahr gibt es erstmals eine (von Janin Reinhardt) moderierte Liveübertragung im Internet (featured.de/worldcupsylt).

„Wir bringen den Weltcup in die digitale Welt“, sagt Neumann, „das ist ein wichtiger Schritt, ihn noch bekannter zu machen.“ Ein notwendiger wohl auch. Fünf der sechs Weltcupstationen der Wellenreiter liegen in Europa, das Finale ist auf Hawaii. „Ich würde mir wünschen, auch in Australien, Südafrika oder Chile zu starten“, sagt Köster. Aber dafür bräuchte die Tour einen Hauptsponsor.

Philip Köster, der Beachboy aus Gran Canaria mit Hamburger Wurzeln, ist tatsächlich erwachsen geworden. Seine Locken sind kürzer als früher und seine Sätze länger. Und er hat die wertvollste Erfahrung gemacht, die ein Spitzensportler machen kann: zu verlieren und dann stärker wieder zurückzukommen. Das Windsurfen wird an ihm wohl noch viel Spaß haben, so wie er am Windsurfen. Köster kann sich nichts anderes für sein Leben vorstellen: „Wenn man einmal damit angefangen hat, kann man nicht wieder aufhören.“