In den Krisengesprächen kam der Zeitpunkt, als sich Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl im falschen Film fühlte: „Was passiert hier eigentlich?“ Während die Clubführung ihren Cheftrainer unbedingt behalten wollte, kämpfte Lucien Favre verbissen um seinen Abgang – und als er realisierte, dass keine einvernehmliche Trennung in Sicht war, wählte der Schweizer über die Medien den brachialen Weg.

Es ist zu oberflächlich, aus der Distanz das Verhalten Favres zu verurteilen und sich Spekulationen hinzugeben. Fakt ist, dass der 57-Jährige ein Fußballbesessener ist, ein Perfektionist. Und als sensibler, sich stets hinterfragender Feingeist gilt, der die Schattenseite seines Jobs nicht an sich abperlen lässt. Nur zu oft zeichnete sich der Wahnsinn des Fußball-Business in seinem Gesicht ab. Dass Favre in der Vergangenheit mehrfach intern über seinen Rücktritt nachgedacht hat, beweist, wie aufreibend der Fußballlehrer seine Arbeit trotz des unglaublichen Aufstiegs empfunden haben muss.

Mit Favre zog nicht der erste Bundesliga-Trainer die Reißleine, man denke nur an Thomas Tuchel, der im Mai 2014 trotz laufenden Vertrags sein Engagement in Mainz beendete und ein Jahr (unbezahlten) Urlaub nahm. Ein Meister des Rückzugs ist auch Armin Veh, der im November 2014 nach nur zwölf Spielen als Stuttgart-Coach erkannte: „Ich glaube, es ist besser, wenn ich nicht da bin.“ Auch Jürgen Klopp forcierte beim BVB die vorzeitige Auflösung seines Vertrags. Erinnert sei auch an Ralf Rangnick, der im September 2011 wegen eines Burn­out-Syndroms bei Schalke aufhörte.

Durfte also Favre so abtreten? Sein Vorgehen dient zwar sicher nicht als Lehrbeispiel für einen Trennungs-Ratgeber, aber es wirkt menschlich, authentisch. Er hat gehandelt, weil er zum Entschluss gekommen ist, dass er nicht mehr helfen kann – oder will. Letztlich hat er dann nur das getan, was üblicherweise ein Verein erledigt: Er hat eine Entscheidung getroffen und sie verkündet. Der Aufstieg und Fall Favres ist aber vor allem eines: tragisch. Wenn sich die Borussia mit den Champions-League-Auftritten die Belohnung für hinreißenden Fußball abholt, schaut Favre von der Couch zu.