Mönchengladbach. Lucien Favre ist zurückgetreten. Die Verantwortlichen hatten dies abgelehnt. Juristen sprechen von vertragswidriger Eigenkündigung.

Lucien Favre ist nicht mehr Trainer von Borussia Mönchengladbach. Dafür hat nicht der Verein sondern Favre selbst gesorgt. Mit seiner eigenwilligen Entscheidung hat der Trainer für einen der groteskesten Rücktritte in der Fußball- Bundesliga gesorgt. Der gute Ruf des Schweizers ist nach dem überraschenden Schritt erheblich beschädigt. „Das trifft uns alle vor den Kopf“, sagte Borussia Mönchengladbachs Vize-Präsident Rainer Bonhof, der am Sonntagabend wie seine Kollegen von Favres Demission überrascht wurde.

Tenor der ersten Reaktionen von Fans und Beteiligten: Der Trainer hat sein Team im Stich gelassen und die Krise mit dem Abgang nur verschärft. Aus seiner Sicht wollte Favre Konsequenz zeigen und wohl weiteren sportlichen Schaden vom Verein abwenden. Mönchengladbach wird um 14 Uhr eine Pressekonferenz geben.

Favres Chronologie bei der Borussia

Nachfolger von Frontzeck

14. Februar 2011: Favre wird in Gladbach Nachfolger des einen Tag zuvor entlassenen Michael Frontzeck. Zwölf Spieltage vor Saisonende ist Borussia Tabellenletzter, sieben Punkte beträgt der Rückstand auf den Relegationsplatz.

Gelungener Einstand

20. Februar 2011: Im ersten Spiel unter Favre siegt Gladbach 2:1 gegen Schalke.

Rettung gegen den HSV

14. Mai 2011: Mit einem 1:1 beim HSV am letzten Spieltag vermeidet Gladbach den direkten Abstieg und rettet sich in die Relegation.

Klassenerhalt durch Reus

25. Mai 2011: Im Relegations-Rückspiel beim VfL Bochum bedeutet der Treffer von Marco Reus zum 1:1-Endstand den Klassenerhalt - das Hinspiel hatte Gladbach 1:0 geendet.

Tabellenführer

7. August 2011: Gladbach startet mit einem 1:0 beim FC Bayern in die erste komplette Saison unter Favre. Zwei Wochen später ist die nach einem 4:1 gegen Wolfsburg Borussia Tabellenführer.

Halbfinale im DFB-Pokal

8. Februar 2012: Mit einem 2:0 nach Verlängerung bei Favres Ex-Klub Hertha BSC erreicht Gladbach das Halbfinale im DFB-Pokal. Dort scheitern die Fohlen knapp am FC Bayern.

Einzug ins internationale Geschäft

5. Mai 2012: Nach einem 3:0 in Mainz beendet Gladbach die Saison auf Tabellenplatz vier. Ein Jahr nach der knappen Rettung steht der Einzug ins internationale Geschäft.

CL-Qualifikations-Niederlage

29. August 2012: In der Qualifikation zur Champions League scheitert Gladbach trotz eines 2:1-Sieges im Rückspiel an Dynamo Kiew.

Europa League

21. März 2013: Ein 0:2 im Rückspiel der Runde der letzten 32 gegen Lazio Rom bedeutet für Favres Team das Aus in der Europa League.

Achter in der Saison 2012/2013

18. Mai 2013: Nach einem 3:4 gegen den FC Bayern am letzten Bundesliga-Spieltag beendet Gladbach die Saison als Achter und verpasst das internationale Geschäft.

Vertragsverlängerung

13. März 2014: Favre verlängert seinen Vertrag bis 2017

Europa League Qualifikation

10. Mai 2014: Trotz eines 1:3 beim VfL Wolfsburg am letzten Spieltag wird Gladbach Sechster, erreicht die Qualifikation zur Europa League.

Gruppenphase der EL

28. August 2014: Mit einem 7:0 gegen FK Sarajevo erreicht Gladbach zum zweiten Mal unter Favre die Gruppenphase der Europa League.

Favre überbietet Bestmarke

6. November 2014: Das 2:0 bei Apollon Limassol ist das 18. Pflichtspiel in Serie ohne Niederlage. Favre überbietet die Bestmarke von Trainer-Idol Hennes Weisweiler.

Wieder Aus in der Runde der letzten 32

26. Februar 2015: Wie beim ersten Mal kommt das europäische Aus in der Runde der letzten 32 - mit 0:1 und 2:3 gegen den FC Sevilla.

Für die Champions League qualifiziert

16. Mai 2015: Mit einem 2:0 in Bremen sichert Gladbach am vorletzten Spielplatz Tabellenplatz drei und qualifiziert sich erstmals für die Champions League.

Niederlage im ersten Spiel

15. September 2015: Im ersten Königsklassen-Spiel setzt es beim FC Sevilla eine 0:3-Pleite.

Fünf Niederlagen in Folge

19. September 2015: 0:1 beim 1. FC Köln, die fünfte Niederlage im fünften Bundesliga-Spiel.

Rücktritt

20. September 2015: Um 19.21 Uhr gibt Favre per Presseerklärung seinen Rücktritt bekannt.

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Was ist passierte am Sonntag? Der Trainer hatte am Tag nach dem verlorenen Derby beim 1. FC Köln - nicht erstmals in seiner viereinhalbjährigen Amtszeit bei Borussia Mönchengladbach - ein Rücktrittsgesuch bei den Verantwortlichen des Clubs eingereicht. Dies lehnte die Borussia ab. „Wir haben gehofft, dass wir ihm auch dieses Mal überzeugen können, bei uns und mit uns weiterzumachen“, erklärte Präsident Rolf Königs.

Favres Alleingang

Favre, der noch bis 2017 unter Vertrag steht, wählte aber einen anderen Weg. Er übermittelte seine Entscheidung gemeinsam mit Berater Jose Noguera am Sonntagabend zunächst telefonisch der Deutschen Presse-Agentur und ließ kurz darauf eine schriftliche Erklärung veröffentlichen. „Damit hat er Fakten geschaffen“, sagte Bonhof. Der Club wurde daraufhin von den Medien informiert und bestätigte den Rücktritt einige Zeit später.

Doch ist dieser Schritt überhaupt mit dem Vertrag rechtlich möglich? Juristen sagen zwar, dass es eine "vertragswidrige fristlose Eigenkündigung" gewesen sei. Aber das hilft der Borussia im Augenblick nicht. Es ist nicht vorstellbar, dass Favre seine Arbeit im Borussia-Park fortsetzt.

Den Wortlaut der Erklärung gibt es hier

Im Mannschaftskreis löste die Nachricht Bestürzung aus. „Ich bin geschockt und verwundert. Favre kennt sich im Abstiegskampf doch aus“, sagte Borussenprofi Andrè Hahn der „Bild“-Zeitung. Die Spieler waren davon ausgegangen, dass sie mit dem Trainer aus der Krise kommen. „Wer Lucien Favre kennt, weiß, dass er nicht der Typ ist, der alles hinwirft, und uns im Stich lässt“, sagte Mittelfeldspieler Granit Xhaka am Sonnabend nach dem 0:1 in Köln. Auch Max Eberl betonte: „Wir gehen da gemeinsam durch.“

Doch da hatte Gladbachs Sportdirektor die Rechnung ohne den oft zweifelnden und nachdenklichen Coach gemacht. Über die Gründe von Favres zu diesem Zeitpunkt überraschenden Abgang nach viereinhalb erfolgreichen Jahren lässt sich reichlich spekulieren. Einen Einblick in sein Seelenleben ließ Favre nie zu. Allenfalls in Schweizer Medien äußerte er sich hin und wieder über Privates und Gefühle.

Hat Favre Glauben an die Mannschaft verloren?

Die besten Bilder des 5. Spieltags

Enttäuschte Stuttgarter nach der Niederlage gegen Schalke
Enttäuschte Stuttgarter nach der Niederlage gegen Schalke © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein
Die Stuttgarter haben zahlreiche Chancen gegen Schalke verpasst
Die Stuttgarter haben zahlreiche Chancen gegen Schalke verpasst © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein
Unter anderen verpasste Stuttgarts Christian Gentner mehrfach das Tor
Unter anderen verpasste Stuttgarts Christian Gentner mehrfach das Tor © dpa | Daniel Maurer
Leroy Sané dagegen traf zur Schalker Führung
Leroy Sané dagegen traf zur Schalker Führung © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein
Daniel Ginczek liegt enttäuscht auf dem Boden
Daniel Ginczek liegt enttäuscht auf dem Boden © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein
Daniel Ginczek im Kampf um den Ball mit Joel Matip
Daniel Ginczek im Kampf um den Ball mit Joel Matip © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein
Nach dem Spiel kritisierte Trainer Dieter Hecking seinen Stürmer aber für die gezeigte Leistung im Training und dessen Reaktion nach dem Spiel
Nach dem Spiel kritisierte Trainer Dieter Hecking seinen Stürmer aber für die gezeigte Leistung im Training und dessen Reaktion nach dem Spiel © Bongarts/Getty Images | Ronny Hartmann
Matchwinner Malli (3.v.r.) wird von seinen Teamkollegen für seine Gala geherzt
Matchwinner Malli (3.v.r.) wird von seinen Teamkollegen für seine Gala geherzt © Bongarts/Getty Images | Alex Grimm
Der gläubige Moslem Malli küsste nach seinen Toren stets den Rasen
Der gläubige Moslem Malli küsste nach seinen Toren stets den Rasen © dpa | Fredrik von Erichsen
Malli zum Dritten: In der 68. Minute fällt das Tor zum 3:1-Endstand
Malli zum Dritten: In der 68. Minute fällt das Tor zum 3:1-Endstand © Bongarts/Getty Images | Alex Grimm
Jonathan Schmid brachte Hoffenheim in der 13. Minute in Führung und sendete anschließend Küsse ins Publikum
Jonathan Schmid brachte Hoffenheim in der 13. Minute in Führung und sendete anschließend Küsse ins Publikum © Bongarts/Getty Images | Alex Grimm
Firmino-Ersatz Eduardo Vargas stand gegen Mainz in der Startelf, blieb aber ohne Treffer
Firmino-Ersatz Eduardo Vargas stand gegen Mainz in der Startelf, blieb aber ohne Treffer © Bongarts/Getty Images | Alex Grimm
Überragte am Freitagabend alle: Yunus Malli (l.)
Überragte am Freitagabend alle: Yunus Malli (l.) © Bongarts/Getty Images | Alex Grimm
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Möglicherweise - und das wäre für Borussia fatal - hat der Trainer den Glauben an die Stärke seiner Mannschaft verloren und erkannt, dass bei der Kaderzusammenstellung im Sommer nicht alles gepasst hat. Vielleicht wollte er damit auch dem Club zuvorkommen, der mit weiteren Niederlagen in der Trainerfrage immer mehr unter Druck geraten wäre. Zwar sagte Eberl, dass Favre „unrauswerfbar“ sei. Aber was wäre nach sieben oder acht Pleiten gewesen?

Der ehemalige Bundestrainer Vogts wünscht sich bei seinem langjährigen Klub derweil die einstige BVB-Trainer-Ikone Jürgen Klopp als Favre-Nachfolger. „Borussia hat ein Team, das man nach oben bringen kann, es muss nur wach gerüttelt werden. Jürgen Klopp wäre der ideale Mann dafür“, sagte Vogts der Rheinischen Post: „Mein Rat wäre, ihn zu holen.“ Allerdings will der 48-Jährige ein Sabbatjahr einlegen und lehnte zuletzt bereits lukrative Offerten ab.

Vogts bringt Klopp ins Gespräch

Denkbar ist aber auch, dass der Schweizer nach den intensiven Jahren im Club mit Fast-Abstieg bis hin zur Champions-League-Teilnahme einfach ausgelaugt ist und nicht mehr die Kraft spürt, das Ruder in dieser Situation noch einmal rumzureißen.

Der ehemalige Bundestrainer Vogts wünscht sich bei seinem langjährigen Klub derweil die einstige BVB-Trainer-Ikone Jürgen Klopp als Favre-Nachfolger. „Borussia hat ein Team, das man nach oben bringen kann, es muss nur wach gerüttelt werden. Jürgen Klopp wäre der ideale Mann dafür“, sagte Vogts der Rheinischen Post: „Mein Rat wäre, ihn zu holen.“ Am Montag sagte aber Klopps Berater Marc Kosicke der "Sport Bild": „Jürgen Klopp wird nicht Trainer von Borussia Mönchengladbach.“ Und beendet so die ersten Gerüchte um eine Bundesliga-Rückkehr des Erfolgstrainers.

Doch wer könnte Nachfolger werden? Thomas Schaaf, Mirko Slomka, Jos Luhukay, Horst Steffen und Felix Magath werden derzeit in vielen Medien gehandelt. Bis zum Heimspiel am Mittwoch gegen den FC Augsburg dürfte aber noch kein Favre-Nachfolger gefunden sein. Somit dürfte es zunächst eine Interimslösung geben.