Amateurfußball Pinneberg holt 0:0 mit Uralt-Taktik, Rodrigues tunnelt per Hacke, Trainertochter wird Stadionsprecherin, Beyer euphorisiert in die Kneipe

Linguistik und Porto. Die erfolgreiche sprachwissenschaftliche Übertragung eines Wortes aus dem politischen Kontext in den Amateurfußball gelang Dassendorfs Trainer Jan Schönteich nach dem 1:2 im Oberliga-Spitzenspiel beim SC Victoria. „Wir haben eine Effektivitätskrise“, formulierte Schönteich eine schöne Alternative für die von Trainern sonst gern genutzte „Ergebniskrise“. Der Meister hat aus den letzten vier Partien nur vier Zähler ergattert, obwohl die Mannschaft meist ansehnlichen Fußball spielte. Victorias gleichwohl verdienten Sieg in einer hochklassigen Partie hatte in der 44. Minute ein echter Straßenfußballer festgemacht. Der 25-jährige Marcel Rodrigues markierte – gäbe es diesen Titel – das „Amateurfußballtor des Monats“.
Er tunnelte Dassendorfs Torwart Christian Gruhne aus sechs Metern mit dem Rücken zum Tor mit der Hacke – und begab sich statt aufs Feld der Sprachwissenschaft auf die Bühne der Geschichte: „Natürlich kann ich mich an Rabah Madjers Hackentor zum 2:1 für den FC Porto gegen Bayern München im Finale der Landesmeister 1987 erinnern. Madjer hatte es schwerer als ich. Damals standen ja sechs Leute auf der Linie rum.“ Ein Trugbild kühler Planung baute Rodrigues übrigens nicht auf. „Ich hatte den Ball vorher echt schlecht mitgenommen. Als ich keine Wahl mehr besaß, habe ich es einfach so versucht. Hat geklappt.“

Kleines Mädchen ganz groß. Eine sympathische Premiere als Stadionsprecherin feierte die 12-jährige Curslacker Trainertochter Laura Henke bei der Oberliga-Begegnung gegen den FC Süderelbe (1:1) als Vertreterin des privat verhinderten Gerd Gritzan. Sie leitete sogar professionell die Pressekonferenz. „Vielen Dank für das nette Intro“, lobte Süderelbes Trainer Jean-Pierre Richter, als Laura ihn um sein Statement zu Spiel bat in dem Süderelbe wie letzte Saison das Kunststück schaffte, mit nur einer Torchance am Gramkowweg ein 1:1 zu holen. Nach Richters Worten meisterte die kleine Chefin im Clubheim die Mikrofonübergabe perfekt. „Und jetzt übergebe ich das Wort mal an Papa“, sagte sie und lachte. Curslacks Trainer Torsten Henke nahm das Mikrofon und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: „Endlich darf ich auch mal was sagen…“
Beyers Ausdauer gefragt. Die Kondition des eigenen Trainers testete Hansa-Landesligist Klub Kosova durch das 3:1 gegen die Star-Truppe des SC Poppenbüttel. „Ich war bis fünf Uhr früh mit einigen Spielern feiern. In meinem Alter darf ich eigentlich nicht mehr so lange losziehen, aber das Spiel hat mich total euphorisiert“, freute sich der 53 Jahre alte Kosova-Trainer Thorsten Beyer. Mit einer spektakulären Leistung (alles überragend: Keeper Sebastian Menzel) siegte Kosova durch die Treffer von Onur Tüysüz (5.), Agons Krasniqui (82.) und Patrick Smereka (90.+1), nur Florian Kurzberg (8.) traf für die Gäste. Im Mai rettete sich Kosova knapp vor dem Abstieg, nun ist das Team Erster. Weitere Kneipennächte sollen folgen. Beyer: „Wir sind nicht in die Fehlerfalle der vergangenen Saison getappt. Wir haben keine Namen verpflichtet, sondern Spieler, die was wollen. Nun wollen wir unbekümmert so weiter machen – auch wenn es mich ab und zu eine ganze Nacht kostet.“
Rückkehr des Liberos. Die ersten Punktverluste brachte der schwach gestartete Oberligist VfL Pinneberg dem Tabellenführer Barmbek-Uhlenhorst bei – und schaffte dank der taktischen Finesse von Pinnebergs Coack Michael Fischer ein 0:0. Fischer ließ Stürmer Thorben Reibe als Libero spielen.

„Er war Franz Beckenbauer, davor habe ich Katsche Schwarzenbeck und Karlheinz Förster aufgestellt. Ich finde, sie haben das gut gemacht“, grinste Fischer und meinte neben seinem Neu-Libero die beiden Manndecker Kjell Ellerbrock und Jan-Philipp Zimmermann. Anerkennung für seinen Rückgriff in taktisch längst vergangene Zeiten erhielt Fischer auch vom Gegner. „Warum auch nicht?“, fand Barmbeks Co-Trainer Peter Paczkowski, „Fischi ist für solche Sachen ja immer gut. Wir sind zufrieden, dass wir immerhin einen Punkt mitnehmen.“

Uysals Debüt misslingt. Eine äußerst unglückliche 0:1-Niederlage kassierte der HSV II in der Regionalliga Nord im Spiel eins nach dem Wechsel von Joe Zinnbauer zum Schweizer Erstligisten FC St. Gallen. Die engagierten Gastgeber, die in der zweiten Halbzeit beste Torchancen durch Laurynas Kulikas (72.), Kerim Carolus (73.) und Gillian Jurcher (77.) ausließen, liefen eine Minute vor dem Ende in einen Konter der eigentlich harmlosen Gäste, den Muhamed Alawie zum Siegtreffer nutzte.

„Da waren wir naiv. Leider haben wir es nicht geschafft, über die vollen 90 Minuten Herrenfußball statt Jugendfußball zu spielen“, sagte Uysal. Ein neuer Co-Trainer für ihn soll an diesem Montag vorgestellt werden. „Ich selbst“, so Uysal, „bleibe bis auf Weiteres Cheftrainer. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Es gibt keine Frist für eine endgültige Entscheidung des Vereins.“