Hamburg. Nach 0:3 in der Türkei rutscht der WM-Dritte in Gruppe A auf Rang vier. England, Tschechien und Island lösen das Ticket

Das Spiel war schon einige Minuten vorbei, als Hakan Calhanoglu vor die TV-Kameras trat. Und doch wirkte der Leverkusener noch immer überwältigt von seinen Emotionen. Mit der türkischen Nationalmannschaft hatte der ehemalige HSV- und aktuelle Leverkusen-Star soeben in der EM-Qualifikation die Niederlande mit 3:0 (2:0) besiegt. „Ich spüre eine große Erleichterung“, sagte Calhanoglu, der mit den Türken einen großen Schritt Richtung Europameisterschaft 2016 in Frankreich gemacht hat. „Wir wollen unbedingt zur EM. Wenn man gegen Holland gewinnt, hat man auch eine gute Chance, dabei zu sein“, sagte Calhanoglu und twitterte wenig später ein Jubelbild aus der Kabine. „Es ist kaum in Worte zu fassen“, schrieb er dazu. Die Niederländer stehen dagegen vor dem historischen K. o. Das Team des neuen Bondscoaches Danny Blind verlor nicht nur das Spiel, sondern musste den Gegner auch auf den dritten Rang der Gruppe A vorbeiziehen lassen. Seit dem EM-Titel 1988 wäre es die erste Endrunde ohne die Niederlande.

Oranje hatte bereits am vergangenen Donnerstag beim Blind-Debüt 0:1 gegen Island verloren und kann aus eigener Kraft nicht mehr den dritten Rang, der zur Teilnahme an den Playoffs berechtigt, erreichen. Oguzhan Özyakup (8. Minute), Kapitän Arda Turan (26.) und Burak Yilmaz (86.) besiegelten die insgesamt vierte Pleite für den Vizeweltmeister von 2010 und WM-Dritten von 2014 in der laufenden Qualifikation. Die Niederlande (zehn Punkte) muss die letzten beiden Spiele in Kasachstan und gegen Tschechien gewinnen und darauf hoffen, dass die Türkei (12) in Tschechien, das nach dem 2:1 in Lettland bereits qualifiziert ist, und Island, das sich am späten Sonntagabend durch ein 0:0 gegen Kasachstan erstmals für eine EM-Endrunde qualifizierte, einmal verliert oder zweimal Unentschieden spielt.

Besser sieht es dagegen für die Schweiz aus. In der Gruppe E gewann die Mannschaft ohne den verletzten HSV-Kapitän Johan Djourou in einem verrückten Spiel 3:2 (0:1) gegen Slowenien. Doppeltorschütze Josip Drmic konnte sein Glück kaum fassen. „Es war eines der besten Spiele für mich. Es ist ein tolles Gefühl, dass wir das Spiel noch gewonnen haben. Der Glaube und der Wille haben für die Wende gesorgt“, sagte der Bundesligaprofi von Borussia Mönchengladbach nach dem Zittersieg in Basel. Mit zwei Toren (80./90.+4) war der Ex-Leverkusener als Joker der Matchwinner für die Eidgenossen, die nun ebenso wie Nachbarland Österreich (1:0 gegen Moldau) für die Euro 2016 planen können.

Nach dem schwer erkämpften Erfolg gegen die Slowenen liegt die Schweiz mit 15 Zählern hinter den bereits qualifizierten Engländern (21 Zähler) komfortabel auf dem zweiten Rang der Gruppe E, der ebenfalls die direkte Qualifikation bedeutet. „Nach dem Rückstand haben wir den Kopf hoch genommen und die Brust geschwellt“, sagte Wolfsburgs Timm Klose. Die Schweizer Aufholjagd nach einem 0:2 bis zur 80. Minute bewegte sichtlich die Gemüter. Der Berliner Valentin Stocker hatte in der 84. Minute für den 2:2-Ausgleich gesorgt. „Das war total verrückt. So ein Spiel habe ich noch nie erlebt“, sagte Gladbachs Mittelfeldass Granit Xhaka.

Noch komfortabler sieht es für Österreich als Tabellenführer der Gruppe G aus. Mit 19 Punkten fehlt nur noch ein Zähler für das Buchen des EM-Tickets. Am Dienstag könnte in Schweden der finale Schritt gemacht werden. „Wir sind der Zielgeraden noch ein wenig näher gerückt. Es sollte doch möglich sein, in den verbleibenden drei Spielen diesen Punkt zu holen“, sagte Nationaltrainer Marcel Koller.

Englands Rooney und Österreichs Almer sorgen für historische Bestmarken

Dann wäre die erste erfolgreiche Qualifikation für ein Großereignis seit 17 Jahren in trockenen Tüchern – Grund für Koller also, auch der zähen Angelegenheit gegen Moldau etwas Positives abzugewinnen. „Es läuft nicht jeden Tag Schokoladen-Fußball. Freut euch doch mal“, forderte der Schweizer die österreichischen Journalisten bei der Pressekonferenz auf. Der Bremer Zlatko Junuzovic, einer von neun aktuellen oder ehemaligen Spielern aus der Bundesliga in der Startelf, erlöste die rot-weiß-rote Mannschaft in der 52. Minute. Fußballgeschichte schrieb der Ex-Düsseldorfer Robert Almer, als er nach 37 Minuten Friedl Koncilia als Rekordtorhüter ablöste. Der Keeper von Austria Wien ist jetzt seit 512 Minuten in Pflichtspielen ohne Gegentor.

Ebenfalls einen besonderen Abend erlebte Englands Wayne Rooney. Der Stürmerstar ist seit Sonnabend zusammen mit Sir Bobby Charlton Rekordtorschütze des Fußball-Mutterlandes. Der 29-Jährige erzielte beim 6:0 in San Marino seinen 49. Länderspieltreffer. Damit zog Rooney mit Charlton gleich. Charlton bestritt vom Ende der 50er-Jahre an insgesamt 106 Länderspiele. Er ist mittlerweile 77 Jahre alt.

Kapitän Rooney traf – ebenfalls in seinem 106. Einsatz – in Serravalle in der 13. Minute per Foulelfmeter. „Das ist ein stolzer Moment für mich, den Rekord von Sir Bobby eingestellt zu haben. Er hat mir sehr viel geholfen“, sagte Rooney. „The Telegraph“ titelte: „Er hat seinen Namen als ein wahrer großer Engländer ins Rekordbuch geschrieben.“ Rooney hatte vor zwölf Jahren als jüngster englischer Nationalspieler sein erstes Länderspieltor in Mazedonien erzielt.