Hamburg. England überschwemmt die Bundesliga mit aberwitzigen Summen. Ex-HSV-Star Son kostet 30 Millionen Euro, De Bruyne sogar 75 Millionen Euro.

Eigentlich hätten Bayer Leverkusens Rudi Völler und Trainer Roger Schmidt am späten Mittwochabend allen Grund gehabt, beste Laune zu haben. Gerade hatte ihre Mannschaft 3:0 gegen Lazio Rom gewonnen, den Einzug in die Gruppenphase der Champions League geschafft und so Einnahmen von mindestens 20 Millionen Euro gesichert. Aber Völler und Schmidt hatten keine gute Laune. „Das ist ein bisschen unglücklich gelaufen“, sagte Völler im Interview mit Sky, und berichtete über den neuesten Stand rund um Heung-Min Son, der zwar gar nicht anwesend war, aber wegen eines unmoralischen Angebots von Tottenham Hotspur das Thema des Tages war.

Trainer Schmidt wurde noch deutlicher: „Son ist ein super Junge, der im Moment nicht so richtig gut beraten wird“, sagte der Coach, der von Völler verbale Unterstützung erhielt: „Der englische Fernsehmarkt ist explodiert, da ist unheimlich viel Geld auf dem Markt. Wir sind ein Club, der da hin und wieder drunter leiden wird. Dagegen müssen wir uns wehren.“

Angesichts von 30 Millionen Euro, von denen Sons Ex-Club HSV dank einer vertraglichen Vereinbarung beim Verkauf vor zwei Jahren um die drei Millionen Euro erhalten soll, hielt sich Leverkusens Leiden am Tag danach in Grenzen. Es dauerte nicht lange, ehe sich auch der auserwählte Son-Nachfolger Kevin Kampl bei seinen Noch-Teamkollegen von Borussia Dortmund verabschiedete und sich auf den Weg nach Leverkusen machte. Fußball-Neoliberalismus par excellence.

Doch am Donnerstag war es ein anderer Kevin, der wieder einmal und immer noch für die Schlagzeilen des Tages sorgte. Nicht Kampl-Kevin, sondern De-Bruyne-Kevin, dessen seit Wochen avisierter Wechsel zu Manchester City noch immer nicht bestätigt wurde. 75 Millionen Euro, ausgeschrieben: 75.000.000 Euro, waren es am Ende des Tages, die City-Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan nur allzu gerne in die niedersächsische Autostadt Wolfsburg überweisen wollte. „Stand heute ist Kevin Spieler des VfL Wolfsburg“, sagte Manager Klaus Allofs, der aber wusste, dass der 24 Jahre alte Jungstar angesichts der aberwitzigen Summen nicht mehr zu halten sein wird.

„Im Fußball hat man schon lange aufgehört, diese Summen ernsthaft zu hinterfragen“, sagte HSV-Trainer Bruno Labbadia, der die Millionengelder für De Bruyne, Son und Co. schlicht als „nicht mehr reell“ einstufte. „Der Abstand zwischen Arm und Reich wird immer größer. Bayer bekommt jetzt 30 Millionen Euro für Son, dazu 20 Millionen Euro in der Champions League. Auch Wolfsburg wird die De-Bruyne-Millionen sicherlich sofort wieder investieren“, klagte Labbadia, den die Gesamtentwicklung befremdet: „Je mehr sich England bei unseren Topvereinen bedient, desto mehr können sich unsere Topclubs bei anderen Vereinen bedienen. Das Ganze ist kein schöner Kreislauf mehr.“ Etwas derb, dafür aber ehrlich, fügte Labbadia noch hinzu: „Scheiße, dass wir bei dieser Wettbieterei nicht dabei sind.“

Kommentar: Englands Liga ist kein Vorbild

Seitdem klar ist, dass die Premier League von 2016 an dank eines neuen TV-Vertrags über drei Jahre 6,9 Milliarden Euro einnehmen wird, ist die „Wettbieterei“ in vollem Gange. Hinzu kommen drei Milliarden Euro für die Auslandsvermarktung. Die Folge ist, dass alle 20 englischen Erstligaclubs auf einen Schlag zu den 40 reichsten Vereinen der Welt zählen. Stoke City, man mag es kaum glauben, bekommt mehr TV-Geld als Bayern München.

Doch Labbadias Klage, bei der englischen Maßlosigkeit nicht dabei zu sein, ist nicht nur derb, sondern auch falsch. Indirekt profitieren die Hamburger millionenschwer beim bevorstehenden Transfer Sons nach Tottenham, direkt wurden sie beim Verkauf Valon Behramis an den FC Watford übervorteilt. Bis zu 2,5 Millionen Euro erhält der HSV für den Schweizer, dessen vermaledeiter Körper nur noch bedingt für Profifußball einsetzbar ist.

Ein bisschen ärgern dürfen sich die Hamburger dann aber doch. So ist es genau drei Jahre her, dass Ex-HSV-Sportchef Frank Arnesen zugab, dass ihm Kevin De Bruyne, zu der Zeit gerade vom FC Chelsea nach Bremen verliehen, angeboten wurde. Doch Arnesen, nach fünf mehr oder weniger erfolgreichen Chelsea-Transfers in der Kritik, lehnte genervt ab: „Ich hole keine Chelsea-Spieler mehr“, schimpfte der damalige HSV-Manager.

Manchesters Scheich bin Zayed hat da offenbar keine Probleme mit.