stuttgart . Gerhard Mayer-Vorfelder war ein streitbarer Funktionär. Aber mit der Einrichtung der Nachwuchsleistungszentren bereitete er den Weg zum WM-Titel

Sein Lieblingslied „My way“ von Frank Sinatra war so etwas wie Programm für Gerhard Mayer-Vorfelder. Der Ehrenpräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ging immer seinen Weg – auch gegen viele Widerstände. Am Montag endete dieser Weg. „MV“ verstarb im Kreise seiner Familie in einem Stuttgarter Krankenhaus im Alter von 82 Jahren.

„Mit Gerhard Mayer-Vorfelder geht eine prägende Figur des deutschen Fußballs. Ich habe ihn in all den Jahren immer als geradlinigen, entschlossenen und kompetenten Menschen kennen gelernt“, sagte DFB-Chef Wolfgang Niersbach. Mayer-Vorfelder hinterlässt Ehefrau Margit und vier Kinder.

Bequem war der gebürtige Mannheimer Mayer-Vorfelder nie, rhetorisch beschlagen ging er keiner Konfrontation aus dem Weg. Nicht als streitbarer CDU-Politiker, immerhin Kultus- und Finanzminister in Baden-Württemberg, nicht als Präsident des VfB Stuttgart, nicht als langjähriger Ligaausschuss-Vorsitzender im DFB und nicht als Chef des größten Sportfachverbandes der Welt.

„Ich glaube nicht, dass Wegducken und Leisetreterei Politik und Demokratie befördern. Vielmehr heißt es, aufrecht zu bleiben, zu seiner Auffassung zu stehen, Mut und Flagge zu zeigen“, lautete seine Maxime. Von vielen Kritikern häufig verdammt, gehörte „MV“ trotzdem zu den prägendsten Fußballfunktionären Deutschlands. Ein Machtmensch sicherlich, aber einer, der auch wusste, wo er herkam.

Von 1975 bis 2000 stand er dem VfB vor. Von 1986 bis 2000 führte Mayer-Vorfelder daneben den DFB-Ligaausschuss. Im Jahr 2001 war er auf dem DFB-Bundestag in Magdeburg als Nachfolger von Egidius Braun zum DFB-Präsidenten gewählt worden. 2006 schied er aus dem Amt aus und wurde 2007 DFB-Ehrenpräsident; zwischenzeitlich führte er mit Theo Zwanziger als Doppelspitze den DFB.

Auch im internationalen Fußball genoss „MV“ hohes Ansehen. Der Stuttgarter war Mitglied im Exekutivkomitee des Weltverbandes Fifa und der Europäischen Fußball-Union (Uefa). „Fifa-Ehrenmitglied Gerhard Mayer-Vorfelder, ein ganz Großer, hat uns verlassen. Dein Lebenswerk bleibt in Erinnerung“, twitterte Fifa-Präsident Joseph S. Blatter. Mayer-Vorfelder war als DFB-Präsident maßgeblich an der Installierung des Talent- und Nachwuchsförderprogramms beteiligt. Das Netz der DFB-Stützpunkte wurde auf Betreiben von „MV“ ausgebaut, daneben wurden die heute etablierten Nachwuchsleistungszentren für Lizenzvereine verpflichtend gemacht.

„Seine Ideen und sein Einsatz haben dem Fußball wichtige Impulse gegeben, von denen wir alle heute profitieren. Die aktuellen Erfolge mit dem Gewinn der WM als Höhepunkt gehen auf Weichenstellungen der Vergangenheit zurück, die Gerhard Mayer-Vorfelder maßgeblich mitgestaltet hat“, betonte Niersbach. Liga-Präsident Reinhard Rauball ergänzte: „Vor allem durch sein Wirken für den Profifußball hat er Maßstäbe gesetzt.“ „MV“ sei ein großartiger Impulsgeber auf dem Weg in die Eigenständigkeit der Bundesliga und der Zweiten Bundesliga durch die Gründung des Ligaverbandes vor 15 Jahren gewesen. „Er war eine starke Persönlichkeit mit einer riesigen Fußballkompetenz, mit ihm konnte man wunderbar über Fußball diskutieren. Für uns hatte er immer ein offenes Ohr, sein Blick ging über den Tellerrand hinaus. Ich bin ihm sehr dankbar“, sagte Bundestrainer Joachim Löw.

Mayer-Vorfelder stand stets für Tugenden wie Zuverlässigkeit, Vertrauen und Disziplin. Er galt immer als Mann des Profifußballs, der als DFB-Präsident aber den Spagat hinbekam und sich auch für die Belange des Amateur- und Nachwuchsfußballs einsetzte. Gleichzeitig war „MV“ immer ein Kämpfer für die Einheit des Fußballs, von Profis und Amateuren – gerade nach der Gründung der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Allerdings gehörte es zur Persönlichkeit „MV“, dass er sich auch mal vergaloppierte. So als Kultusminister im Ländle, als er Schüler von der Abiturprüfung ausschließen ließ, weil sie Turnschuhe trugen. Als DFB-Chef regierte er gern nach Gutsherrenart. Als er die Bundestrainersuche 2004 nach dem Rücktritt von Rudi Völler in Folge der EM in Portugal zur Chefsache erklärte, verlor er den Rückhalt.

Zwanziger nutzte die Kritik am Führungsstil Mayer-Vorfelders und schwang sich nach einer DFB-internen Rebellion zum Co-Präsidenten einer Doppelspitze mit „MV“ beim DFB auf. 2006 trat der einstige Fallschirmjäger und begeisterte Weißweintrinker Mayer-Vorfelder als DFB-Präsident ab.

Es gehörte stets zum Charakter Mayer-Vorfelders, dass er nie aufsteckte. So 1998, als er bei der Wiederwahl in die Fifa-Exekutive gegen Joseph Mifsud (Malta) den Kürzeren zog. Mayer-Vorfelder zeigte gewohnte Kämpferqualitäten und kehrte nach vier Jahren Abstinenz 2002 in die Weltregierung des Fußballs zurück.