dortmund . Dortmunds neuem Trainer Thomas Tuchel gelingt beim 4:0 gegen Mönchengladbach ein glänzender Einstand

Um der neuen Geschichte, die Borussia Dortmund seit diesem Sommer schreibt, angemessene Bedeutung zukommen zu lassen, muss man noch einmal auf Vergangenes eingehen. Jürgen Klopp trainiert nicht mehr den BVB, behält aber seinen Lebensmittelpunkt im Westfälischen. Zum Abschied nach sieben Jahren bekam er drei Dauerkarten geschenkt, die er zum Auftakt der Fußball-Bundesliga jedoch ungenutzt ließ. Klopp, noch ohne neuen Arbeitgeber, sei im Urlaub, hieß es. Vielleicht hatte er auch nur den richtigen Riecher, in der Stunde der schwarz-gelben Neugeburt nicht im Stadion sein zu müssen und seinem Nachfolger womöglich die Aufmerksamkeit zu nehmen, die nach dem 4:0 (3:0) über Borussia Mönchengladbach gar nicht hätte größer sein können.

Der BVB hatte das Borussia-Duell gerade eindrucksvoll gewonnen, als Thomas Tuchel alles unternahm, die unter den Fans grassierende Euphorie nicht sich alleine zuschreiben zu lassen. Seitdem der 41-Jährige BVB-Trainer ist, wurde seine Arbeit von Spielern in Interviews gewürdigt, keiner kam dabei ohne das Dortmunder Modewort Akribie aus. Tuchel fand daran keinen Gefallen, weil alles ihm zugeschriebene Positive seinem Vorgänger negativ ausgelegt worden sei. „Wir können hier nicht so gewinnen, wenn er nur Mist gemacht hätte“, sagte er also über seinen Vorgänger, „die Basis, die er hinterlassen hat, ist herausragend.“

Der Wahrheitsgehalt an dieser Einschätzung muss hoch sein, zumal sich mit Torhüter Roman Bürki und Julian Weigl im zentralen Mittelfeld nur zwei Neuzugänge in der Startelf gegen die Fohlen wiederfanden. Gemeinsam weckten sie bei ihrer Anhängerschaft Erinnerungen an gar nicht mal so weit zurückliegende Glanzzeiten in der Liga und der Königsklasse. Und etwas unbewusst spielte Tuchel dann auch mit der Vorstellungskraft der Fans, als er meinte: „Ich weiß nicht, wo unser Limit ist.“

Gemeint war dies nicht so, als könne man jeden Spieltag solch eine Gala wie gegen die mitleiderregenden Gladbacher erwarten. Tuchel wollte damit sagen, dass die Mannschaft schon einige, aber längst noch nicht alle seine Konzepte und Ideen verinnerlicht habe. Gegenpressing und Umschaltspiel sind noch immer gängige Vokabeln im Training – Tuchel paart diese Tugenden mit neuer Zuversicht und einer Strategie, die nicht nach jedem Ballgewinn vorsieht, auf Teufel komm raus den Torabschluss zu suchen.

So können sich zwecks Risikominimierung auch mal Rückpässe oder längere Ballstafetten ergeben, die nach schneller Seitenverlagerung die Räume bieten, um mit der in der letzten Saison schmerzlich vermissten Passpräzision die Abwehr zu knacken. Geschehen beim 1:0 durch Marco Reus (15.) und beim 2:0 durch Pierre-Emerick Aubameyang (22.). „So ein klarer Sieg war nicht vorhersehbar“, sagte Tuchel und fand großen Gefallen an „Ausstrahlung, Lust, Disziplin und Mut, mit dem wir gegen einen starken Gegner viele Torchancen herausgespielt haben“.

Es spricht für die Dortmunder, sich von dieser Leistungsexplosion nicht blenden zu lassen, weil der Gegner sich in der Neufindungsphase befindet und so schlecht verteidigte wie lange nicht mehr. „Wir haben den Maßstab in der ersten Halbzeit heute extrem hoch gelegt“, mahnte 2:0-Vorbereiter Marcel Schmelzer, und Mats Hummels betonte: „Wenn wir nicht in Ingolstadt gewinnen, sind wir wieder unzufrieden mit dem Start.“

Gegen dieses Szenario spricht, dass Henrikh Mkhitaryan seine blendende Verfassung auch auf die Bundesligabühne übertragen konnte. Zwei Treffer (33./50.) erzielte der Armenier, eines dritten beraubte ihn Schiedsrichter Tobias Stieler mit einer falschen Abseitsentscheidung. Als Zeichen an die Konkurrenz wollte Mkhitaryan, der an neun der zwölf bisherigen Pflichtspieltore des BVB beteiligt war, das 4:0 zwar nicht deuten: „Wir haben nichts zu zeigen, wir machen einfach nur unseren Job.“ Der ist es aber nun einmal auch, Borussia Dortmunds neuer Geschichte Kapitel für Kapitel hinzuzufügen.

Dagegen war Gladbachs Trainer Lucien Favre restlos bedient. „Alle raus“, blaffte er am Tag nach der bitteren Lehrstunde in Richtung der wartenden Journalisten und Fans und ließ sein Team unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren. Seine Spieler hatten die dürftige Leistung schon nach dem Abpfiff selbstkritisch kommentiert. „Das war ein Klassenunterschied – in allen Belangen. Wir haben ängstlich gespielt, waren nicht auf dem Platz. Das war eine Lehrstunde für uns“, sagte Torhüter Yann Sommer.