Kasan. Eine der letzten Frauen-Domänen im Schwimmen ist gefallen. Erstmals mischen Männer bei einer WM im Synchronschwimmen mit.

Beim nächsten Schritt der Gleichberechtigung im Sport müssen sich die Männer den Frauen anpassen. Das Outfit bei der Premierenvorstellung ist so unterschiedlich wie die Reaktionen auf das erste gemischte WM-Duett in der bunten Welt des Synchronschwimmens.

Vorkämpfer Bill May aus den USA schwimmt dezent geschminkt in bunter Badehose. Russlands Favorit Alexander Malzew sorgt im Badeanzug im Look eines Rotarmisten, den der Krieg von seiner Liebe trennt, für den Hingucker.

Mit seiner Partnerin Darina Walitowa hätte der 20-Jährige bei der Schwimm-WM in Kasan wohl nur durch den Sieg gegen fünf andere Paare für Anerkennung in der dominierenden Synchronschwimm-Nation sorgen können - doch die USA lagen im Finale mit May und Christina Jones knapp vor den Russen.

„Ein Traum wurde wahr“

„Bei uns gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe kein Problem, meine artistischen und balletttänzerischen Fähigkeiten zu zeigen“, sagt Malzew diplomatisch. Er weiß zu gut, dass allein sein Outfit - Gelatine im Haar, Schminke, hautenger Uniformbody mit Koppel - weite Teile der russischen Öffentlichkeit polarisiert.

Zwar wurde das Duo von den tausenden Zuschauern nach dem Vorkampf-Sieg ebenso frenetisch gefeiert wie andere Lokalmatadoren. Russlands Sportminister Witali Mutko hatte die neue Ära in der bisherigen reinen Frauen-Sportart zuvor aber als „dumme“ und „fehlerhafte“ Entscheidung gegeißelt. Auch Olympiasiegerin Swetlana Romaschina sprach sich „kategorisch gegen Männer in unserer Sportart“ aus - dabei war das frühere Reigenschwimmen Anfang des 20. Jahrhunderts noch ein reiner Männersport.

Vor weiteren Fragen zur kritischen Haltung ihres Heimatlandes bat die russische Trainerin zum Aufbruch vom Interview-Marathon - mit dem Hinweis, ihr Schützling könnte sich im nassen Badeanzug erkälten. Während Malzew gerne über seine sportliche Leistung Auskunft gab, sprudelte es aus Bill May ob der sporthistorischen Dimension nur so hinaus. „Ein Traum wurde wahr, ich bin so stolz, dabei zu sein“, sagte der 36-Jährige nach einem langen Kampf.

„Ich mache das, was ich am besten kann“

Der Amerikaner gewann Ende der 90er Jahre die Goodwill Games, durfte aber auf Geheiß des US-Verbandes nicht bei Weltmeisterschaften oder Olympia antreten. Er beendete seine sportliche Laufbahn, trat beim Cirque du Soleil auf und kehrte nach elf Jahren zurück, als der Weltverband FINA Ende November überraschend den Männer-Bann aufhob.

„Es ist auch Geschäftsmodell. Wenn die Medien darüber berichten, kann es uns nur recht sein“, sagte FINA-Generaldirektor Cornel Marculescu eher kühl kalkulierend zu den Beweggründen. May und seine Mitstreiter sehen das emotionaler. „Beim Eiskunstlaufen geht es doch mit Frauen und Männern auch, warum nicht im Synchronschwimmen?“, fragte May.

Beim kunstvollen Synchronschwimmen müssen die Athleten beispielsweise durch Schminke oder bunte Outfits auffallen, um die entfernt sitzenden Zuschauer oder Kampfrichter noch zu erreichen. Im Vorkampf trat dagegen der junge Italiener Giorgio Minisini am Körper unrasiert an. „Natürlich haben einige Vorurteile, aber ich mache das, was ich am besten kann“, sagte er zu den Reaktionen in seiner Heimat. Familie und Freunde würden ihn aber unterstützen, nachdem sie sich seinen Sport angesehen haben.

Ein deutsches Team war nicht am Start. Der Bochumer Niklas Stöpel bestreitet schon lange nationale Team-Wettkämpfe, kam aber für einen WM-Start nicht in Betracht.