Hamburg. Der Deutsche Leichtathletik-Verband dürfte die geplante Einführung der umstrittenen Abgabe stoppen – auf Hamburger Betreiben.

Die deutschen Leichtathletikmeisterschaften beginnen am Freitag spektakulär: mit der Weitsprungentscheidung auf dem Nürnberger Hauptmarkt. Bis zu 4000 Zuschauer finden auf zwei Tribünen Platz, das Internet-Portal Leichtathletik.de berichtet von 18.15 Uhr an live. Es steht da aber noch eine weitere Entscheidung an am Freitag, die zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, aber kaum weniger aufregend ist. Es geht um die Zukunft der sogenannten Laufmaut.

Erst Ende Februar hatte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) beschlossen, dass von 2016 an Veranstalter von Volks- und Straßenläufen für jeden erwachsenen Finisher einen Euro abführen müssen. Je nach Bundesland entspricht das einer Verdoppelung bis Vervierfachung der bisher geleisteten Abgabe. Der Hamburger Verband hat dem DLV nun vorgeschlagen, die geplante Einführung zum 1. Januar auszusetzen. Es gilt als sicher, dass der nationale Verbandsrat bei seiner Sitzung am Freitag dem Vorschlag folgen wird.

DLV-Präsident Clemens Prokop hatte sich in der Sache zuletzt gesprächsbereit gezeigt und die Veranstalter am 24. Juni am Verbandssitz in Darmstadt zu einem runden Tisch geladen. Denn der Gegenwind, der dem DLV seit dem umstrittenen Beschluss ins Gesicht weht, war zum Orkan angeschwollen. Die Landesverbände in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin bezogen offen gegen ihren Bundesverband Position. Die German Road Races, eine Interessenvertretung von 63 hochrangigen deutschen Laufveranstaltungen, startete eine Online-Petition mit der Parole: „Stoppt die Laufmaut – ein Euro Finisher-Gebühr sind zu viel“. Innerhalb kurzer Zeit fanden sich mehr als 5000 Unterstützer. Selbst die Großveranstalter, für die ein Euro eher weniger ins Gewicht fällt, stellten sich quer.

So wird in der Ausschreibung für den Berliner Halbmarathon (33.638 Teilnehmer in diesem Jahr) am 3. April 2016 ein Euro zusätzlich nur von denen verlangt, die einen DLV-Startpass besitzen und in einer Bestenliste des Verbands erscheinen wollen – ein klarer Verstoß gegen den Wortlaut des DLV-Beschlusses, nach dem ausnahmslos für alle Finisher über 20 Jahre zu zahlen ist. Noch deutlicher bezieht der Haspa Marathon Hamburg (2015: 14.753 Finisher) Position. Er fordert für seine 31. Auflage am 17. April 2016 den Euro pauschal von allen Inhabern eines DLV-Startpasses ein – aber eben nur von ihnen.

Die Hamburger Veranstalter haben Kompromissvorschläge erarbeitet

Hamburgs Verbandsgeschäftsführer Klaus Jakobs möchte das leidige Thema so schnell wie möglich vom Tisch haben. „Die deutschen Meisterschaften stehen vor der Tür und im August die WM in Peking. Wir sollten uns wieder um die sportlichen Angelegenheiten kümmern.“ In seiner geplanten Umsetzung habe sich der Finisher-Euro weit von dem ursprünglichen Ziel entfernt: nämlich all die kommerziellen Anbieter zur Kasse zu bitten, die ihre Veranstaltungen am Verband vorbeilaufen und den organisierten Sport somit nicht an ihren Gewinnen teilhaben lassen.

Fraglich, ob sie sich jemals der Zwangsabgabe unterworfen hätten. Der Verband verweist zwar auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. April 2016. Demnach dürften die Triathlonverbände eine Genehmigungsgebühr sowie eine Abgabe von Veranstaltern, die nicht dem Verband angehören, einfordern, um ihren satzungsgemäßen Aufgaben nachkommen zu können.

Ein Rechtsgutachten für den Landesverband Mecklenburg-Vorpommern kommt allerdings zu einem gegenteiligen Schluss. Es gebe keine gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung des Finisher-Euro. Es bedürfe der Zustimmung der Landesverbände. Zudem stelle die Abgabe eine „unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber den Veranstaltern von Stadionwettkämpfen dar und dürfte gegen das Kostendeckungsprinzip verstoßen“.

Wie auch immer ein neuer Vorstoß des DLV in dieser Sache ausfallen wird: Er wird zuvor einer eingehenden rechtlichen Prüfung standhalten müssen. Vor allem aber sollte er vorher mit den Betroffenen abgestimmt sein. „Wir müssen den Reset-Knopf drücken und gemeinsam auf Augenhöhe diskutieren, um eine akzeptable und gerechte Lösung zu finden“, sagt Jakobs. Die Hamburger Veranstalter Frank Thaleiser (Haspa Marathon) und Karsten Schölermann (Hella Hamburg Halbmarathon) haben unabhängig voneinander Kompromissvorschläge erarbeitet.