Hamburg. Triathletin Anne Haug über den Dreikampf im Wasser und am Land. Hamburg ist die siebte Station der WM-Serie.

Wenn Anne Haug über Hamburg redet, gerät sie schnell ins Schwärmen. Das ist nicht verwunderlich, sitzt sie doch an der Außenalster, die Sonne scheint, Segel- und Ruderboote ziehen vorüber. Ein paar Sponsorentermine hat sie an diesem Tag in der Stadt zu erledigen, doch ihr Blick geht schon voraus auf den Triathlon an diesem Sonnabend (15.45 Uhr, live bei sportdeutschland.tv). „Alle freuen sich auf ihren Start in Hamburg. Das ist für uns das Highlight der Saison. Nur Olympia ist noch ein bisschen schöner“, sagt Haug, 32, und lacht herzlich.

Hamburg ist die siebte von zehn Stationen der weltweiten Triathlon-Tour. Vor zwei Jahren stand Haug hier nach dem Einzelrennen und der Mixed-Staffel als Weltmeisterin ganz oben auf dem Treppchen. Die WM-Serie schloss sie später als Dritte ab, im Jahr zuvor war sie Vizeweltmeisterin geworden. Die Spätstarterin, die erst mit Anfang zwanzig diesen intensiven Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen ernsthaft betrieb, war in der absoluten Weltspitze angekommen.

Ein Sturz im Mai vergangenen Jahres in London warf die gebürtige Bayreutherin zwischenzeitlich weit zurück. Die Schwere der Verletzung, ein Knochenödem im Oberschenkel, wurde von ihrem Umfeld lange Zeit unterschätzt. Die Saison war für Haug nach der endgültigen Diagnose früh gelaufen. Erst jetzt, ein Jahr später, kommt sie allmählich wieder in Schwung. „Allein im Laufen fehlten mir in der Saisonvorbereitung etwa 1200 Kilometer. Aber ich vertraue da meinem Muskelgedächtnis. Das erinnert sich hoffentlich noch daran, dass ich einmal ganz schnell laufen konnte“, sagt sie. In diesem Jahr stehen deshalb nicht Top-Platzierungen in ihrem sportlichen Fokus, „ich muss meine Form entwickeln, damit ich mir im nächsten Jahr in Rio den Traum von einer Medaille verwirklichen kann“. In London wurde sie 2012 als beste Deutsche Olympia-Elfte. Dass sie damals mehr erwartet hatte, verhehlt sie nicht.

Nun also Rio. Schon am 2. August könnte sie sich beim Testwettkampf in der Olympiastadt für die Sommerspiele 2016 qualifizieren. Mindestens Achte muss sie dafür werden – und beste Deutsche. Ende April in Kapstadt hatte sie genau das geschafft. Erfüllt keine deutsche Triathletin in Brasilien die Norm, bleiben die maximal drei nationalen Startplätze bis in den Frühsommer nächsten Jahres offen.

In der WM-Serie ist zurzeit Rebecca Robisch, 27, aus Roth als 14. beste Deutsche. Haug ist 18., Hamburg ihr letzter Formtest. Und sie möchte sich wieder für das deutsche Staffel-Quartett empfehlen, das am Sonntag (16.45 Uhr, ARD) um die Weltmeisterschaft schwimmt, radelt und läuft.

Im Schwimmen hat sie sich verbessert, die Weltspitze ist aber noch weit weg

„Rio im nächsten Jahr, das ist meine große Motivation“, sagt Haug, und ihre Stimme lässt bei diesen Worten keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit. „Ich will diese Medaille, unbedingt. Dafür stehe ich jeden Tag auf und bin bereit, mich für dieses Ziel zu quälen.“ Wer ihre Trainingspläne und -umfänge kennt, ahnt ihren Willen und ihre Disziplin. Fast das ganze Jahr ist sie zu Wettkämpfen und Trainingslagern weltweit unterwegs, „mein Freund Benjamin bewohnt unsere Münchener Wohnung meistens allein“.

Auch im Schwimmen, ihrer mit Abstand schwächsten Disziplin, hat sie sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, ohne den Abstand zur Weltspitze entscheidend verringern zu können. Es fällt ihr immer noch schwer, zum Start des Triathlons ins Wasser zu springen, „denn was dort passiert, hat mit Sport meistens nur noch wenig zu tun. Das kann man fast einen Überlebenskampf nennen.“ Die Wettkampfrichter ahndeten selbst schwere Fouls höchst selten, klagt sie.

Manchmal bekomme sie noch regelrecht Panik im Nahkampf Frau gegen Frau, es werde getreten, geschlagen, geschubst und versucht, den Konkurrenten vor der ersten Boje unter Wasser zu drücken. „Es ist ein bisschen wie Mord und Totschlag. Mein Freiwassertrainer hat mir eine Nahkampfausbildung empfohlen, um mich abzuhärten.“ Haug zieht es jedoch vor, sich – so gut es geht – aus dem Getümmel herauszuhalten, sie krault lieber auf der Außenbahn, auch wenn das ein paar Sekunden Zeit kosten sollte.

Es gehöre schon eine gewisse Robustheit dazu, physisch und psychisch unversehrt aus dem Wasser steigen zu können. „Spaß macht das Schwimmen längst nicht mehr, und es ist Jahr für Jahr schlimmer, brutaler geworden“, sagt Anne Haug. Ihr Ziel hat sie dennoch nicht aus den Augen verloren. Sie weiß schließlich, dass sie sich später beim Radfahren und Laufen für alles das revanchieren kann, was ihr zuvor angetan wurde, dann aber sportlich fair. In Hamburg, hofft sie, werde ihr das zwei Jahre nach ihrem Triumph wieder gelingen. „Wenn nicht hier, wo dann?“, sagt sie und strahlt diesen Optimismus und dieses Selbstbewusstsein aus, ohne den es im Sport heutzutage nichts mehr zu gewinnen gibt.