Hamburg. Die zweimalige Europameisterin Jenny Mensing nimmt in Hamburg Anlauf auf die WM. Ihr großes Ziel hat sie auf dem Fuß.

Um ihr Ziel im Blick zu haben, braucht Jenny Mensing nur an sich herabzuschauen. Auf dem rechten Fuß hat sie sich die fünf olympischen Ringe in Farbe tätowieren lassen. Drumherum, in klassischem Blau, sind in Schreibschrift die Wörter Ausdauer und Schnelligkeit zu lesen. Dazu gibt es, etwas weniger eindeutig, Federn, die für Leichtigkeit stehen sollen, sowie ein Kraftsymbol.

Mensing, 29, hat sich das Bild vor zwei Jahren stechen lassen. Da hatte sie als amtierende Europameisterin über 100 Meter Rücken und mit der Lagenstaffel gerade ihre Teilnahme an den Schwimmweltmeisterschaften in Barcelona absagen müssen, weil sie aufgrund gesundheitlicher Probleme vier Wochen lang nicht hatte trainieren können. „Dadurch hatte ich genug Zeit, es abheilen zu lassen“, sagt Mensing und kann darüber schon wieder lachen.

In zwei Wochen beginnt wieder eine Weltmeisterschaft, diesmal in Kasan, der russischen Millionenstadt an der Wolga, und wenn nichts dazwischenkommt, ist Mensing dabei. Seit April trainiert sie bei Petra Wolfram am Olympiastützpunkt in Dulsberg. Kurz zuvor war Mensing bei den deutschen Meisterschaften in ihrer Heimatstadt Berlin in 2:08,48 Minuten auf ihrer Spezialstrecke 200 Meter Rücken zum Titel geschwommen. Weltweit waren in diesem Jahr nur fünf Schwimmerinnen schneller und sie selbst auch nur vor drei Jahren bei ihrem deutschen Rekord (2:08,30).

Und doch habe sie das Gefühl gehabt, etwas verändern zu müssen im Hinblick auf die Spiele 2016 in Rio. In Graz (Österreich), bei der Trainingsgruppe des früheren Hamburger Bundestrainers Dirk Lange, habe ihr zuletzt die Balance zwischen Training und Regeneration gefehlt: „Ich bin da körperlich über die Grenze gegangen.“ Eine Rückkehr nach Wiesbaden, wo sie acht Jahre trainiert und bei der hessischen Polizei eine Ausbildung zur Kommissarin durchlaufen hat, sei allerdings nicht infrage gekommen: „Dort gibt es nur eine 25-Meter-Bahn, und ich hätte sie mir mit lauter Kindern teilen müssen.“

Die EM-Titel haben sich finanziell nicht so ausgezahlt wie erhofft

Auch in Wolframs Trainingsgruppe ist Mensing die älteste. Allerdings ist Steffen Deibler, der Olympiavierte über 100 Meter Schmetterling, seit Freitag nur ein Jahr jünger. Vor allem aber hat sie im 50-Meter-Becken fast immer eine Bahn nur für sich. „Luxus pur“, sagt Mensing. Jetzt fehle zum Glücklichsein nur noch eine Wohnung in der Nähe, zwei Zimmer, Küche, mindestens 45 Quadratmeter, maximal 550 Euro. Mehr kann sich auch eine zweimalige Europameisterin und 18-malige deutsche Meisterin in einer olympischen Kernsportart nicht leisten. „Leider haben sich die Titel nicht so ausgezahlt, wie ich dachte“, sagt Mensing.

Immerhin, Existenzsorgen braucht sie nicht zu haben. Mensing ist beim Land Hessen verbeamtet auf Lebenszeit, weshalb sie weiterhin für den Schwimm-Club Wiesbaden 1911 startet und nicht zu einem Hamburger Verein wechseln darf. Und auch wenn sie den Polizeidienst zunächst angetreten hat, um ihren Sport professionell betreiben zu können, kann sie sich inzwischen eine Laufbahn gut vorstellen, am liebsten in der Kriminalistik. Später einmal.

Noch ist Jenny Mensing viel zu sehr Sportlerin. Das Finale der besten acht hat Petra Wolfram als Ziel für die WM ausgegeben. Bei den Übergängen, bei Start, Wende und Tauchphase, hat die Trainerin noch Verbesserungsmöglichkeiten ausgemacht. Daran wollen sie zusammen arbeiten bis zu den Spielen in Rio, der großen Chance, die Mensing auf dem Fuß hat.