London/Hamburg. Der Tennisprofi aus Winsen an der Aller triumphierte in Wimbledon gegen Rafael Nadal

Auf die Titelseite der „Times“ schafft man es ja nicht jeden Tag. Noch dazu als nur mäßig erfolgreicher Tennisprofi, der seit fünf Jahren so um Platz 100 der Weltrangliste herumkrebst. Am Freitag aber, da wirbelten Dustin Browns Rasta-Locken auf der Seite eins des englischen Traditionsblattes. Tags zuvor hatte er in Wimbledon seine 153 Spielminuten des Ruhmes, auf dem Centre-Court schaltete der 102. im ATP-Ranking den zweimaligen Champion Rafael Nadal mit 7:5, 3:6, 6:4, 6:4 aus. „Wahrscheinlich ist dies der beste Tag in meinem Leben“, sagte der 30-Jährige.

Den Interview-Marathon nach seinem Triumph absolvierte Brown ebenso souverän wie sein Match. Er trug eine gelbe Rasta-Mütze und ein T-Shirt mit schwarz-rot-goldenem Superman-Logo. Das passte alles zusammen: unbezwingbar, deutsch und jamaikanisch. „Was ist deutsch an Ihnen“ wurde Dustin Brown gefragt, und er antwortete mit seinem Dauerbrennerwitz: „Das Aussehen.“ Und ernsthaft: „Mein Hang zu Disziplin und Pünktlichkeit.“

Der Sohn eines Jamaikaners und einer Deutschen verbrachte die ersten elf Lebensjahre in Winsen an der Aller, keine einfache Zeit, auch rassistische Anfeindungen lernte er kennen. Dann zog die Familie nach Montego Bay auf Jamaika und kam erst 2003 nach dem Collegeabschluss des Sohnes zurück. Brown tingelte anschließend bis 2007 mit einem Campingbus von einem unterklassigen Turnier zum nächsten.

2010 qualifizierte er sich erstmals für das Wimbledon-Hauptfeld. Das Achtelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier hat er noch nie erreicht. Am Sonnabend kann er dieses Ziel verwirklichen, sein Gegner ist Viktor Troicki, der Weltranglisten-24. aus Serbien. 1:1 steht es im direkten Duell der beiden bisher, aber Brown ist natürlich wieder Außenseiter. Zumal er weiß, wie wenig konstant er ist: „Ich kann auch grottenschlecht spielen. Ich muss akzeptieren, dass mein Spiel eine große Spanne hat.“

Bei den Damen hat Andrea Petkovic (Darmstadt) am Freitag durch ein 5:7, 4:6 gegen die Kasachin Zarina Diyas das Achtelfinale verpasst.

Klassisches Serve-and-Volley zeigte Brown gegen Nadal den begeisterten Fans, 114-mal schlug er auf, 99-mal stürmte er danach ans Netz. Er ließ den Spanier nie in seinen Rhythmus kommen. Nadal akzeptierte, „dass ich nicht gut genug war“. Nach dem frühen Wimbledon-Aus steigt die Chance, dass er am Rothenbaum (Start 27. Juli) aufschlägt, um dringend benötigte Weltranglistenpunkte zu sammeln.