Hamburg. Tobias Walter vom HTHC steht bei der Olympiaqualifikation in Argentinien vor seinem ersten großen Turnier für die deutschen Herren.

Dass er dazugehört zum Kreis der besten deutschen Hockeyspieler, das hat Tobias Walter mittlerweile begriffen. Die Mitspieler in der Auswahl von Bundestrainer Markus Weise haben ihn ja so herzlich aufgenommen bei seinem ersten Lehrgang im November 2014, dass er sich schnell als Teil der Nationalmannschaft fühlte. Aber so richtig im Bewusstsein angekommen ist das Ganze irgendwie noch nicht. „Für mich ist das wie ein Traum, der nach und nach Realität wird“, sagt der 25-Jährige. Und wahrscheinlich braucht der Torhüter des deutschen Feld- und Hallenmeisters Harvestehuder THC einen Einsatz bei seinem ersten internationalen Großereignis auf dem Feld, um mit dem Brustton der Überzeugung sagen zu können: „Ich bin mittendrin statt nur dabei!“

Wenn an diesem Freitag in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires, wo die deutsche Auswahl am Sonnabend landete, das Halbfinalturnier der World League beginnt, das als Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro gilt (siehe Infokasten), dann stehen die Chancen gut, dass Walter die ersehnte Premiere feiern wird. Zwar hat Bundestrainer Weise noch nicht entschieden, ob er die sieben bis zum 14. Juni anstehenden Partien unter seinen beiden Keepern aufteilen oder auf Walters Konkurrenten Nico Jacobi vom Hamburger Lokalrivalen Uhlenhorster HC als klare Nummer eins setzen wird. Aber dass Walter einen Einsatz erhalten wird, daran zweifelt niemand. Allein schon, weil er ihn sich verdient hat, denn sein Weg bis ins Tor des Olympiasiegers von 2008 und 2012 war kein leichter.

Frust nach Nichtnominierung für WM 2014

Im Mai 2014 saß der Frust tief. Gerade war der auf der Linie extrem reaktionsstarke und als Sicherheit ausstrahlender Ruhepol geschätzte Walter nach dem Triumph seines HTHC in der Euro Hockey League zum wertvollsten Spieler ausgezeichnet worden. Doch für die WM einen Monat später in den Niederlanden war er kein Thema. „Ich kann nur meine Leistung bringen. Wenn es nicht reicht, dann eben nicht“, sagte er, es klang ziemlich frustriert. Sein Vereinstrainer Christoph Bechmann findet deutlichere Worte. „Ich habe nie verstanden, warum der Bundestrainer nicht die besten Spieler mitgenommen hat. Tobi gehörte schon damals unter die besten zwei deutschen Torhüter. Zum Glück hat beim Verband ein Umdenken stattgefunden!“

Ausschlaggebend für dieses Umdenken waren vorrangig zwei Faktoren: die Konstanz, mit der Tobias Walter seit zwei Jahren seine Topleistung abruft. Und sein Auftreten bei der Hallen-WM Anfang Februar in Leipzig, als er trotz des eher enttäuschenden dritten Rangs wesentlich stabiler wirkte als Konkurrent Felix Reuß vom Club an der Alster, den er nun verdrängt hat. „Ich denke, dass ich mir die Nominierung für die World League mit einer längeren Phase konstanter Leistung verdient habe“, sagt Walter.

Derlei Selbstwertgefühl war ihm lange abgegangen. Dabei wollte Walter nie etwas anderes sein als Hockeytorhüter. Sein Vater Wolfgang stand 16 Jahre für Frankenthal in der Bundesliga zwischen den Pfosten, er war seinem Sohn Vorbild, schon als Sechsjähriger hielt Tobias lieber Bälle, als sie ins Tor zu schießen. Als er im Sommer 2012 vom Mannheimer HC nach Hamburg wechselte, tat er dies zwar mit dem Fernziel Olympiateilnahme, doch ohne die nötige innere Überzeugung, es auch schaffen zu können. Den Sprung aus der Junioren-Nationalmannschaft in den A-Kader schaffte er auch deshalb nicht, weil man ihm eine mangelhafte athletische Konstitution bescheinigte.

Spitzname in Anlehnung an Maja-Freund

Beim HTHC hatte er schnell den Spitznamen „Willi“ bekommen, der zwar auch den Vereinsfarben Schwarz und Gelb, vor allem jedoch dem etwas fülligen Freund von Biene Maja angelehnt war. Walter nimmt den Spott bis heute gelassen hin, doch spätestens mit dem EHL-Titelgewinn im vergangenen Jahr will Willi es wissen. Er legte den Schalter auf Vollbetrieb um. „Tobi hat schon immer hart gearbeitet, aber er ist im vergangenen Jahr überall noch einen Tick besser und vor allem selbstbewusster geworden“, sagt HTHC-Coach Bechmann. „Seit ich zum A-Kader gehöre, versuche ich auch in jedem Vereinstraining mein höchstes Niveau zu erreichen“, sagt Walter.

Er hat die Ernährung umgestellt, isst weniger Nudeln am Abend und fühlt sich deshalb „während der Spiele mental besser und konzentrierter“. Allgemein sei er zielgerichteter geworden, vor allem, weil der Lebenstraum von der Olympiateilnahme endlich greifbar erscheint. „Es motiviert mich, an Olympia zu denken. Mit diesem Ziel vor Augen fällt es mir nicht schwer, hart dafür zu arbeiten“, sagt er.

Hart arbeiten tut er an mehreren Fronten. Das Verständnis seines Arbeitgebers für die zeitliche Beanspruchung durch den Sport ist ihm sicher, immerhin wird er beim HTHC zum Sport- und Fitnesskaufmann ausgebildet. Die Lehre ist Ende Juni abgeschlossen, das parallel laufende Studium (Sportmanagement und BWL) würde für Rio ausgesetzt. Tobias Walter ist bereit, alles darauf auszurichten, im August 2016 weiter mittendrin zu sein im deutschen Hockey-Nationalteam.