Hamburg. Bei der Entscheidung am Sonntagnachmittag sind in Klein Flottbek alle Favoriten am Start

Es war einer dieser Husarenritte, den das Publikum in Klein Flottbek so liebt: Mit Hans-Jörn „Otti“ Ottens gewann am Freitag ein Reiter die zweite Derby-Qualifikation, den keiner auf der Rechnung hatte. Der 52 Jahre alte Chef eines Ausbildungs- und Verkaufsstalls in Loxstedt bei Bremerhaven dirigierte den erst achtjährigen Wallach mit dem in diesem Fall unpassenden Namen Crashman fehlerlos und in der besten Zeit souverän über den Parcours. Für diese Meisterleistung eines Außenseiters gab es 6125 Euro Preisgeld und Applaus satt.

Dabei wollte Ottens sein Pferd eigentlich gar nicht am Sonntag im Deutschen Derby an den Absprung gehen lassen. Vor gut zwei Wochen jedoch nahm er sein Herz in die Hand und meldete sich spontan bei Turnierchef Volker Wulff an. Beide liefen als Teenager im niedersächsischen Ponyrennen gegeneinander.

Beifall gab es auch von der Konkurrenz. Denn hinter „Otti“ und seinem Wallach platzierten sich – gleichfalls ohne Fehler – drei Große des Springreitsports: der dreifache Derbysieger André Thieme aus Mecklenburg auf Voigtsdorfs Quonschbob, Lokalmatadorin Janne-Friederike Meyer im Sattel der Stute Cellagon Anna sowie Altmeister Carsten-Otto Nagel aus Wedel mit dem 15-jährigen Lex Lugar.

„Cellagon Anna war unverkrampft und stark auf dem Posten“, sagte Janne-Friederike Meyer nach der Siegerehrung. Dennoch wolle sie „eine Nacht darüber schlafen“ und erst dann entscheiden, ob sie im Wettstreit um das Blaue Band am Sonntag ab 14.30 Uhr antritt: „Bei einem achtjährigen Pferd muss man die Erwartungen realistisch einschätzen.“ Ihr Bauchgefühl, verriet sie, jedoch rate ihr zu.

Wie immer kann sich das Publikum auf eine spannende, offene Prüfung mit 32 Pferden freuen. Denn auch der erweiterte Favoritenkreis schnitt unter 54 Teilnehmern in der zweiten Qualifikation, die im Gegensatz zur ersten über den Großen Wall führte, gut ab. Und nicht jeder dürfte alle Karten aufgedeckt haben.

Während Gilbert Tillmann, dem Triumphator von 2013, diesmal nur ein minimaler Zeitfehler unterlief, verbuchten der Italiener Emanuele Gaudiano als bester Ausländer, Christian Ahlmann, André Plath und der zweifache Derbysieger Nisse Lüneburg auf dem 18-jährigen Calle Cool jeweils nur einen Fehler – ebenso wie elf weitere Rivalen. Zu ihnen gehörten Mario Stevens und El Bandiata, die Sieger des ersten Qualifikationsdurchgangs vom Himmelfahrtstag.

Mit der mit 300.000 Euro ausgestatteten Global Champions Tour und dem beliebten Speed Derby stehen am Sonnabend zwei weitere Höhepunkte in Flottbek auf dem Programm, bevor es Sonntag im Derby rundgeht. 41.000 Zuschauer an den beiden Eröffnungstagen, so viel wie nie zuvor, ließen bereits Vorfreude aufkommen.

Ob Hans-Jörn Ottens dann wieder die Chuzpe hat, so couragiert über den dann längsten und schwersten Parcours der Welt zu reiten? Zu verlieren hat der Mann aus Loxstedt nichts: Seine beiden bisherigen Finalteilnahmen vor gut zehn Jahren endeten einmal mit einem Ausscheiden, das andere Mal mit zwölf Fehlerpunkten.