Ahlerstedt. Nach 56 Niederlagen in Folge überraschen die Hobbykicker vom MTV Wangersen II in der 5. Kreisliga nun ihre Gegner mit einem Punktgewinn.

17 Niederlagen, 0 Punkte, 8:120 Tore: Der MTV Wangersen II ist auch in der Saison 2014/2015 Tabellenletzter der 5. Kreisklasse im Landkreis Stade und eine der wohl erfolglosesten Fußballmannschaften Deutschlands. Doch am Mittwochabend gelingt die Sensation. 2:2 Unentschieden gegen den FC Wischhafen/Dornbusch IV. Der erste Punktgewinn seit drei Jahren. Die Negativserie von 56 Niederlagen mit 441 Gegentoren ist beendet.

„Der Wahnsinn“, freut sich Kapitän Ingo Meyer (47). „Das wird mir meine Frau nicht glauben, wenn ich nach Hause komme.“ Die Mannschaft steht nach Abpfiff jubelnd auf dem heimischen Fußballplatz des kleinen Ortes, liegt sich in den Armen. „Heute Nacht lassen wir uns richtig vollscheppern“, ruft Spieler Martin Neumann (26). Das Bier steht natürlich schon kalt.

Ein kleines Erfolgserlebnis – ein ungewohntes Gefühl für den MTV Wangersen II. Ein Sieg in der letzte Saison wurde nicht gewertet, weil sich die gegnerische Mannschaft auflöste. Der letzte gewertete Sieg in einem Ligaspiel war im Mai 2012 – aber auch nur weil der Gegner nicht antrat. Normalerweise verlieren die Hobbykicker jedes Spiel. „Aber wir verlieren nicht den Spaß am Fußball“, betont Spielertrainer Gerald Heins (40). Gegner verspotten die Mannschaft gerne auch als Schießbude der Kreisklasse. Erst am Wochenende gab es eine 0:16 Klatsche gegen den Tabellenersten.

„Wir trainieren ja gar nicht“

Jeder Bundesligatrainer wäre bei solch einer Statistik längst entlassen worden, aber Spielertrainer Heins muss sich keine Sorge machen. An seinem Trainingsstil kann es nicht liegen. „Wir trainieren ja gar nicht.“ Und Abstiegssorgen hat ohnehin Niemand. Absteigen kann man nicht, tiefer als Letzter der 5. Kreisklasse, der 13. Liga, geht es nicht.

„Wir halten zusammen. Wir gewinnen und verlieren gemeinsam“, sagt Trainer Heins. Woche für Woche geben die Hobbyfußballer ihr Bestes. Aufgeben kommt für sie nicht in Frage. Es sind faire Sportler, keiner schreit den anderen an, wenn es schlecht läuft. Hier stehen wirklich elf Freunde auf dem Platz. Die Spieler von Wangersen lassen sich ihre Motivation und den Spaß nicht nehmen.

„Motivation im Mannschaftsport ist vielfältig und nicht nur eine Frage von Erfolg“, betont die Sportpsychologin Babett Lobinger von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Zwar seien im Leistungssport Erfolge unabdingbare Voraussetzung für die Konstanz eines Teams, anders sehe das aber im Freizeitsport aus. „Sport ist auch ohne Gewinnen und Verlieren gut möglich. Das Ergebnis kann zweitrangig werden“, sagt die Psychologin. „Die Ziele, die man verfolgt, können individuell gesetzt werden. Da lässt sich auch mal ein einzelnes Tor feiern wie anderswo ein Kantersieg.“

„Unsere Mannschaft ist wie eine zweite Familie“

Für den Gruppenzusammenhalt einer Hobbymannschaft seien neben gemeinsamen Zielen auch soziale Aspekte wichtig. „Dazu gehören sympathische Mitspieler, mit denen man gerne Zeit verbringt, der Spaß am Sport und an „der dritten Halbzeit“, dem gemütlichen Beisammensein nach dem Spiel“, sagt Lobinger.

„Unsere Mannschaft ist wie eine zweite Familie“, sagt Heins. Der Gruppenzusammenhalt zieht auch junge Kicker an. Der Kader umfasst in dieser Saison 28 Kicker - von 18 bis 48 Jahren. Sorgen, dass sich die Mannschaft nach 20 Jahren in der untersten Liga aufgrund von Spielermangel wie bei vielen anderen Vereinen auflöst, gibt es nicht mehr. „Für die Zukunft sind wir mit einigen jungen Spielern gut aufgestellt. Und neue Spieler wissen, was sie erwartet“, sagt Heins mit Blick auf die sportlichen Misserfolge des Teams.

Die Fußballer beharren allerdings darauf, dass sie nicht die schlechteste Mannschaft Niedersachsens sind. Jährlich treten sie beim „Cup der Loser“, einem Spaßturnier der schlechtesten Teams der umliegenden Landkreise, an. „So haben wir wenigstens einmal im Jahr Gegner auf unserem Niveau“, sagt der Trainer. Gespielt wird wegen Konditionsproblemen einiger Hobbykicker auf dem Kleinfeld – und der MTV Wangersen landet beim Turnier im Mittelfeld. Das ist ohnehin auch ein Ziel für den Ligaalltag. Nächste Saison wollen die Kicker „Vizeletzter“ werden. (dpa)