Frankfurt am Main. Der 36-Jährige verliert seinen WM-Kampf gegen den Russen Fedor Chudinov nach Punkten und zeigt bekannte Schwächen

Da saß er, die Schirmmütze wie eine Tarnkappe ins Gesicht gezogen, und verbreitete Abschiedsstimmung. „Ich werde mir genau überlegen, was ich jetzt mache“, sagte also Felix Sturm, nachdem er mit seinem Anlauf, zum fünften Mal einen Weltmeistertitel zu erboxen und damit den deutschen Rekord zu verbessern, krachend am Russen Fedor Chudinov gescheitert war, „ich muss sehen, was das Beste für mich und meine Familie ist. Es gibt andere Dinge in meinem Leben als Boxen, ein Karriereende ist definitiv eine Option.“

Worte waren das wie ein Donnerhall, keiner seiner Schläge im Ring hatte dieselbe Wirkung gezeigt wie die Sätze, mit denen sich der vierfache Mittelgewichtschampion aus dem aktiven Sport verabschiedet haben könnte. Natürlich sagt man im Frust – und der saß tief nach der Pleite, die angesichts der Verwirrtheit eines Punktrichters höchst schmeichelhaft mit 1:2 Richterstimmen (116:112, 112:116, 110:118) ausfiel – bisweilen Dinge, die von Emotion geprägt sind. Doch wer die Enttäuschung spürte, mit der Sturm sein Scheitern anerkannte („Ich habe klar verloren, das Urteil wäre mit 0:3 auch völlig okay gewesen“), der muss sich mit dem Gedanken abfinden, dass eine fast 15 Jahre währende Berufsboxkarriere dem Ende entgegengeht.

Und wenn man ehrlich ist, dann wäre eine solche Entscheidung auch nicht verkehrt. Gegen Chudinov, der trotz seiner geringen Erfahrung in seinem 13. Profikampf so cool seinen Plan exerzierte, dass man dem 27-Jährigen eine Weltkarriere zutrauen muss, waren wieder einmal die Schwächen zu besichtigen, die sich wie ein roter Faden durch Sturms Karriere ziehen. Anstatt sich auf seine zweifellos vorhandenen technischen Fertigkeiten zu besinnen, versuchte der Kölner, mit dem WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht mitzuschlagen. Viel zu oft stand er unbeweglich vor dem Russen und bot diesem Trefferfläche, und gegen die clever hinter die Deckung platzierten Kopfhaken, die allesamt ihr Ziel fanden, fiel ihm kein Gegenmittel ein.

„Ich war zu verkrampft, wollte es zu gut machen, die Leute überzeugen und spektakulär gewinnen. Damit habe ich ihm in die Karten gespielt und dann den Schalter nicht gefunden, um meine Taktik umzustellen“, sagte er. Das Problem ist, dass man diese Worte schon zu häufig von ihm gehört hat, als dass man Sturms Argumentation folgen konnte, es sei „einer dieser Tage gewesen, an denen es einfach nicht läuft“. Vielmehr muss man konstatieren, dass Sturm mit seinen 36 Jahren nicht mehr lernen wird, sich strikt an vorgegebene, einstudierte Taktiken zu halten.

Er ist zu langsam geworden, um in einer höheren Gewichtsklasse als seinem angestammten Mittelgewicht die Weltspitze angreifen zu können. Ihm fehlt mittlerweile die Explosivität, um Kämpfer vom Schlage eines Chudinov, der die höhere Schlagfrequenz und die effizientere Treffergenauigkeit aufwies, ausknocken zu können. Natürlich verdient Felix Sturm, der von den Fans in der mit 8500 Besuchern ausverkauften Frankfurter Festhalle trotz der Niederlage gefeiert wurde, großen Respekt für seine Leistung, viermal Weltmeister im Mittelgewicht geworden zu sein. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass er seine Titel viermal verloren hat, gegen die ganz Großen seiner Zunft bis auf die Ausnahme Oscar de la Hoya nie angetreten ist, und dass er gegen Boxer unterlag, denen er kraft seines Potenzials überlegen hätte sein müssen.

Ein Kampf gegen Arthur Abraham wäre weiterhin eine lukrative Option

„Ich möchte nicht, dass meine Karriere ein Auf und Ab wird“, sagte Sturm noch. Genau das ist sie aber schon seit einigen Jahren, in denen Weltklasseleistungen sich mit unerklärlichen Patzern abwechselten. Dem ein Ende zu bereiten, wäre ein nachvollziehbarer Schritt. Allerdings lockt weiterhin das seit Jahren erhoffte Duell mit WBO-Weltmeister Arthur Abraham vom Berliner Sauerland-Team. Abraham, der am 18. Juli in Halle (Westfalen) zum vierten Mal auf den Magdeburger Robert Stieglitz trifft, saß in Frankfurt am Ring und bekundete erneut Interesse an dem Aufeinandertreffen mit Sturm. Promoter Kalle Sauerland ist überzeugt davon, „dass der Kampf noch immer eine Option“ wäre. Auch Sat.1-Sportchef Alexander Rösner will sich für das Zustandekommen einsetzen. „Die Entscheidung trifft aber allein Felix“, sagte er. Der will sich dafür viel Zeit nehmen. Und wenn der Eindruck vom Sonnabend nicht täuscht, wird Abraham sich andere Gegner suchen müssen.