Hamburg. Die HSV-Handballer besiegen Eskilstuna Guif mit 27:22 und erreichen das Final Four des europäischen EHF-Pokals in der Hauptstadt.

Der Handball-Sport-Verein (HSV) Hamburg sollte sich mal kräftig bei seiner Physiotherapeutin Jenny Köster, 35, bedanken. Die blonde Schwerinerin schaffte es, mit ein paar Überstunden die Oberschenkelmuskulatur des Dänen Henrik Toft Hansen rechtzeitig für das „wichtigste Spiel der Saison“ gegen den schwedischen Spitzenclub Eskilstuna Guif geschmeidig zu kneten. „Er hat aber auch richtig gut mitgearbeitet“, lobte Köster ihren dänischen Patienten. Mit „Töfte“, seinem am Kreis und in der Abwehr in dieser Spielzeit unersetzbaren Stabilisator, gewann der HSV das Viertelfinalrückspiel im europäischen EHF-Pokal in der Sporthalle Hamburg mit 27:22 (13:11). Nach dem 26:29 (13:12) in Schweden reichte das zum Einzug ins Final Four am 16./17. Mai in Berlin.

Damit ist das Schreckensszenario Viertelfinal-K.-o. abgewendet, das nach den Worten von Trainer Jens Häusler eine „Dreckssaison“ als Bilanz des derzeitigen Bundesliga-Achten bedeutet hätte. „Unsere wilde Saison hat nun ein absolut versöhnliches Ende mit der Reise nach Berlin“, sagte ein erleichterter Geschäftsführer Christian Fitzek. „Und da fahren wir nicht nur als guter Gast hin, sondern um das Ding zu gewinnen.“ Mehrheitsgesellschafter Matthias Rudolph hatte die Partie von der Tribüne aus verfolgt und klopfte Coach Häusler später im Kabinengang auf die Schulter: „Glückwunsch, und einen schönen Gruß von Andreas!“, trällerte er mit seinem iPhone in der Hand. Er hatte für seinen großen Bruder, den Mäzen, den Liveticker gemacht.

Mit dieser Jubel-Trubel-Heiterkeit war 60 Minuten vorher nicht unbedingt zu rechnen. Doch nach der 31:34-Blamage beim Bundesliga-Vorletzten Erlangen am Mittwoch hatten sich die Spieler ganz unter sich bei einer Videoanalyse mit einem Mannschaftskabinenschwur zusammengerauft. „Wir haben viel, sehr viel geredet“, erzählte der Halbrechte Adrian Pfahl. Auch nach einem fahrigen 0:2-Fehlstart behielt der HSV, der erst in der siebten Minute durch seinen französischen Weltmeister Kentin Mahé sein erstes Tor erzielte, die Nerven. „Wir waren heute super konstant und straight, wir haben gerade unser Spiel durchgezogen und uns nie aus der Ruhe bringen lassen“, sagte Keeper Johannes Bitter, ohne dessen Paraden in den ersten Minuten die Partie aber auch ganz anders hätte laufen können. „That’s the way, aha aha, I like it“, ertönte immer wieder als Hit für die Nummer eins durch die Boxen.

Beim 5:7 murrten und pfiffen die ersten HSV-Anhänger, als das Heimteam dann zum 9:8 durch Linksaußen Kevin Schmidt erstmals in Führung gingen, waren die 2253 Zuschauer eingefangen. „Jogi war mal wieder überragend – und unsere Deckungsarbeit“, hob Fitzek hervor. Zum „heute tollen Mittelblock“ (Häusler) gehörte auch Kreisläufer Toft Hansen, der zudem drei Tore erzielte und in der zweiten Halbzeit von Allrounder Matthias Flohr Entlastung bekam. „Wir wollten nicht, dass in ‚Töftes’ Oberschenkel noch etwas durchknallt“, sagte Häusler über den 28-Jährigen, der sich beim Aufwärmen in Schweden verletzt hatte.

Zu den weiteren Männern des Tages gehörte HSV-Spielmacher Mahé, der wie der Halbrechte Pfahl sechs Tore warf. Als Glücksbringer in der Halle saß Rechtsaußen Hans Lindberg, der nach seiner schweren Nierenverletzung sechs Kilo abgenommen hat, aber schon wieder halbwegs entspannt lächelte. Nach der Schlusssirene tanzte eine Traube aus Spielern und Fans auf dem Feld und skandierte: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“

Die Auslosung steht am Dienstag (18 Uhr) in der Bundeshauptstadt an. Die weiteren Final-Four-Teilnehmer in der Max-Schmeling-Halle sind Gastgeber Füchse Berlin, der slowenische Club Gorenje Velenje, den der HSV in der Vorrundengruppe A dank zweier Siege auf Platz zwei verwies, und überraschender Weise nicht die MT Melsungen. Den Hessen reichte ein 28:23 nach dem 20:25 im Hinspiel gegen Skjern Handbold aus Dänemark wegen der Auswärtstorregel nicht zum Weiterkommen.

Für den HSV wäre der Titelgewinn im EHF-Pokal die letzte Chance, auch im zehnten Jahr in Serie wieder im europäischen Geschäft dabei zu sein. Vom „Retten der Saison“ will Torhüter Bitter dennoch nicht sprechen: „Wir sind in der Liga im Mittelfeld, mehr habe ich ehrlich gesagt in diesem Umbruchsjahr nicht erwartet. Und wenn wir nun noch einen Titel holen, wäre das die Krönung der Saison.“ Der EHF-Pokal ist die einzige Vereinstrophäe, die dem Champions-League-Sieger von 2013 in seinem Schrank noch fehlt. Obendrein winken rund 100.000 Euro Prämie für die klamme Vereinskasse.

Schon an diesem Montag hat Geschäftsführer Fitzek einen wichtigen Termin in Dortmund. Die Handball-Bundesliga (HBL) gibt ihre Lizenzempfehlungen für die kommende Spielzeit heraus. Fitzek, der der Kommission angehört, macht sich keine Sorgen: „Ich rechne damit, dass wir wie jeder andere gut geführte Bundesligist die Lizenz bekommen – ohne Auflagen.“

HSV: Torhüter: Bitter (20 Paraden),Herrmann (1); Tore: Mahé 6 ( 1 Siebenmeter), Pfahl 6 (1), Schmidt 4 (1), Simicu 3, H. Toft Hansen 3, Flohr 2, Schröder 1, Jansen 1, Hens 1

Eskilstuna Guif: Torhüter: Lucau (15), Edvardsson (0 P); Tore: Petersson 6 (2), Ekman 5 (1), Östlund 4, Ingolfsson 3, Blank 2, Lindgren 1, Freiman 1.

Schiedsrichter: Pandzic/Mosorinski (Serbien)

Zuschauer: 2253

Siebenmeter: 4/3 verwandelt; 6/3

Zeitstrafen: 5; 7.