München . Fast vier Jahrzehnte arbeitete Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt für den Verein. Jetzt geht er und sorgt für große Aufregung in München

Pep Guardiola wirkte sehr überrascht, als er am Freitag in den überfüllten Presseraum an der Säbener Straße trat. Der Trainer von Bayern München blickte in neun Fernsehkameras und die gespannten Gesichter von drei Dutzend Reportern, die nicht wegen des anstehenden Bundesliga-Spiels am Sonnabend (15.30 Uhr) bei 1899 Hoffenheim gekommen waren. Sie erwarteten eine Erklärung zum überraschenden Abschied des langjährigen Mannschaftsarztes Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt am Vorabend.

Doch Guardiola enttäuschte. Er habe „großen, großen Respekt“ vor Müller-Wohlfahrt, sagt er, die Entscheidung des Arztes könne er „nur akzeptieren, das ist alles.“ Nein, das ist nicht alles.

Der Schritt von Müller-Wohlfahrt, der dem Vernehmen nach mit Guardiola im Dauerstreit lag, hat den Club in seinen Grundfesten erschüttert – in der entscheidenden Phase der Saison mit dem Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League am Dienstag gegen den FC Porto. Das gehen die Bayern mit einem Rumpfkader und der 1:3-Hypothek aus dem Hinspiel an.

„Ich habe keine Zeit zu lamentieren“, sagte Guardiola, der aufgewühlt wirkte, „ich will kämpfen mit den Spielern, die hier sind – für die, die nicht hier sind“. Und ehe jemand auf die Idee kam, dass er wegen des Ärgers um Müller-Wohlfahrt seine eigene Zukunft in München trotz laufenden Vertrages in Frage stellen könnte, fügte er an: „Ich bin sehr zufrieden hier mit diesen Spielern und will mehr denn je kämpfen – und natürlich: Ich will nächstes Jahr hier bleiben.“

Was darüber hinaus passiert, musste zunächst offenbleiben – ähnlich wie die Hintergründe für Müller-Wohlfahrts Demission. Der 72-Jährige behauptete in seiner Rücktrittserklärung, die medizinische Abteilung sei aus ihnen unerklärlichen Gründen „hauptverantwortlich“ für die Niederlage in Porto gemacht worden. Weil das Vertrauensverhältnis damit „nachhaltig beschädigt“ sei, verabschiede er sich mit seinen Mitarbeitern Peter Ueblacker, Lutz Hänsel und Sohn Kilian vom Club.

Gut unterrichtete Quellen wollen von einem Streit zwischen Müller-Wohlfahrt und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge noch in Porto erfahren haben. Bei einem Treffen am Donnerstag in München, bei der es um die Knöchelblessur von Franck Ribéry gegangen sein soll, sei der Streit dann eskaliert. Der Franzose konnte letztmals am 11. März spielen, aus wenigen Tagen Pause, wie zunächst verkündet, sind mehrere Wochen geworden. Mit Ribéry, so sehen es wohl Guardiola und Rummenigge, hätte es in Porto anders laufen können.

Guardiola wies diese Deutung jedoch zurück. „Ich weiß, dass wir auch mit den Spielern, die nicht dabei waren, in Porto hätten verlieren können“, sagte er. Auch gebe er Müller-Wohlfahrt keine Schuld an der Misere mit dem Ausfall der Stars Ribéry, Arjen Robben, Bastian Schweinsteiger (erkrankt), Javi Martínez, Medhi Benatia und in Hoffenheim auch noch Philipp Lahm (erkrankt). „Wenn ein Spieler verletzt ist, ist es nicht die Schuld des Doktors. Verletzt ist verletzt“, sagte er.

Doch das Verhältnis von Arzt und Trainer gilt seit Monaten als gestört. Guardiola soll sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit im Sommer 2013 darüber mokiert haben, dass Müller-Wohlfahrt beim Training nicht am Clubgelände ist. Bei Verletzungen mussten Spieler in dessen fünf Kilometer entfernte Praxis in der Innenstadt gebracht werden. Der FC Bayern stellte Guardiola deshalb zu Jahresbeginn Müller-Wohlfahrts Sohn Kilian zur Seite, doch da war die Lage schon verfahren.

Das zeigte exemplarisch der Fall Thiago. Guardiola schickte den Profi gegen Müller-Wohlfahrts Rat zu einem Arzt nach Barcelona, danach verletzte sich Thiago erneut schwer. Guardiola sprach von einem Fehler, rückte aber nicht näher an Müller-Wohlfahrt heran. Wenn er über Blessuren reden musste, zuckte er oft mit den Schultern und antwortete genervt: „Frag den Doc!“

Der wollte sich am Freitag nicht weiter zu seinem Abschied erklären. „Ich werde mich äußern, aber heute ist es noch zu früh“, sagte er am Morgen vor seiner Praxis einem Reporter der „Bild“-Zeitung. Die „Sport Bild“ will erfahren haben, dass die Physiotherapeuten der Bayern erwägen, sich Müller-Wohlfahrt anzuschließen. Arzt der Mannschaft ist vorerst Volker Braun, bislang schon verantwortlicher Mediziner für die Regionalliga-Mannschaft.

In dieser Gemengelage muss der FC Bayern nun am Dienstag das Ausscheiden gegen Porto verhindern – mit einem Rumpfteam, in dem höchstens Schweinsteiger zurückerwartet wird. „Diese Spieler sind meine Helden“, sagte Guardiola über das noch vorhandene Team, „sie werden probieren, sie werden machen.“