Hamburg . Thomas Wiedermann, neuer Präsident des Clubs an der Alster, über den Umbau der Anlage am Rothenbaum und die Vision „Alster 2020“.

Beruflich orientiert sich Thomas Wiedermann gerade neu, nachdem er Ende März aus persönlichen Gründen von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender der in Wedel ansässigen m-u-t AG, die berührungslose Messinstrumente und frei programmierbare Steuerungen herstellt, zurückgetreten war. Sportlich hat der Diplom-Ingenieur und Diplom-Kaufmann seine Heimat seit mehr als 30 Jahren im Club an der Alster (siehe auch Menschlich gesehen auf Seite 1). Seit Ende September 2014 ist der 52-Jährige Präsident des Traditionsclubs mit 3800 Mitgliedern. Grund genug, um mit ihm über die Vision „Alster 2020“ zu sprechen.

Hamburger Abendblatt: Herr Wiedermann, ein gutes halbes Jahr führen Sie nun den Club an der Alster. Was ist anders in der Leitung eines Sportvereins im Vergleich mit einem Unternehmen, abgesehen natürlich von der im Ehrenamt nicht vorgesehenen Bezahlung?

Thomas Wiedermann: Der Hauptunterschied ist, dass es in einem Sportverein eine große Zahl von unbezahlten Freiwilligen braucht, um alle nötigen Abläufe zu gewährleisten. Deshalb kommt dem Thema Motivation eine viel größere Bedeutung zu. Menschen zu begeistern, sich ehrenamtlich für eine Sache zu engagieren, ist eine Kunst.

Wie versuchen Sie, diese Kunst zu beherrschen? Was ist Ihr Führungsstil?

Wiedermann : Ich arbeite zielorientiert, entscheide schnell und setze auf maximale Kommunikation und Transparenz. Außerdem versuche ich, immer Vorbild zu sein und von meinen Mitarbeitern nie mehr zu erwarten, als ich von mir selbst verlange. Ich respektiere jeden Menschen mit seinen Schwächen und akzeptiere in hohem Maße, wenn jemand besser ist als ich. Solcherlei Expertise versuche ich zu nutzen, indem ich alle so einbinde, wie es ihren Fähigkeiten entspricht.

Sie sind im September nicht um Ihre Kandidatur gebeten worden, sondern selbst initiativ geworden. Warum war ein Führungswechsel notwendig?

Wiedermann : Mein Team und ich, wir hatten das Gefühl, dass das Wir-Gefühl ein Stück weit verloren gegangen war. Inwieweit der amtierende Vorstand weitermachen wollte, war nicht klar, somit haben wir die Kommunikation aufgenommen und die Initiative ergriffen. Mit vielen unterstützenden Mitgliedern können wir nun das große Potenzial unseres Clubs heben und diesen in die Zukunft führen. Wir sind angetreten, um aktiv etwas spürbar zu verändern.

Und ist Ihnen das schon gelungen?

Wiedermann : Ich denke, dass wir einiges angeschoben haben. Zunächst mussten wir eine umfangreiche Bestandsaufnahme in allen Bereichen durchführen und all das, was an mündlichen Absprachen vorlag, in schriftliche Formen gießen. Wir sind als Clubführung Treuhänder der Gelder unserer Mitglieder, und als solche sind wir zu Transparenz und Offenheit verpflichtet. Wir haben eingeführt, dass es dreimal jährlich Informationsabende für die Mitglieder gibt. Und wir haben mittlerweile einen Kern von 50 Unterstützern, die uns helfen, allesamt Experten auf ihrem beruflichen Gebiet. Das zeigt, dass ein neuer Zusammenhalt entstanden ist. Ich darf nach sechs Monaten im Amt sagen, dass wir mittlerweile gut dastehen, weil wir wissen, wo wir hinwollen.

Lassen Sie uns das bitte auch wissen. Es gibt das Projekt „Alster 2020“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Wiedermann : Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahr 2020 unsere Anlage am Rothenbaum so umgestaltet zu haben, dass wir drei Ziele erfüllen: Wir wollen alles dafür tun, dass im Zuge der Hamburger Bewerbung, für die wir alle extrem Feuer und Flamme sind, 2024 das olympische Tennisturnier bei uns ausgetragen wird. Außerdem wollen wir das Herrentennisturnier als Aushängeschild für Deutschland langfristig am Rothenbaum bewahren. Und wir möchten, dass unsere Tennis- und Hockeyabteilungen auf höchstem Bundesliganiveau auf der Anlage trainieren und spielen können.

Der Umbau der Anlage am Rothenbaum wird seit Jahren öffentlich diskutiert. Ist der von Ihren Vorgängern angedachte Abriss des Tennisstadions vom Tisch?

Wiedermann : Ich habe mich als einfaches Mitglied immer geärgert, wenn ich aus der Zeitung erfahren habe, was sich alles ändern soll. Fakt ist: Es gab nie einen Masterplan für die Neugestaltung der Anlage. Es fehlte die bewertete Beteiligung aller vom Umbau betroffenen Parteien, uns lag keine hinreichende Projektentwicklung vor. Wir werden deshalb zunächst mit allen Partnern die Ziele erörtern. Daraus entsteht ein Masterplan, den werden wir den Mitgliedern und der Öffentlichkeit vorstellen. Aktuell kann ich nicht seriös sagen, was mit dem Stadion passiert.

Ist die Anlage am Rothenbaum nicht aber zu klein, um einem internationalen Tennisturnier und dem Bundesligabetrieb im Hockey und Tennis den benötigten Raum zu geben?

Wiedermann : Nein. Auch beim Erhalt des Stadions in seiner jetzigen Form gibt es umsetzbare Ideen. Wir planen in den Grenzen, die wir jetzt haben, weil wir sicher sind, dass es viele Möglichkeiten gibt, um hier etwas zu schaffen, das auch dem Bezirk und der Stadt neue Möglichkeiten bietet. Besonders was die Nachhaltigkeit der Stadionnutzung betrifft, wollen wir im Sinne der Sportstadt Hamburg und im Sinne des Mottos der Olympiabewerbung handeln. Ziel ist, dass alle beteiligten Parteien von der Neugestaltung profitieren.

Es gibt Stimmen, die behaupten, dass die Bewerbung für die Austragung der Olympischen Spiele die Pläne Alsters, das Stadion abzureißen und eine kleine Hockeyarena zu bauen, torpediert hat.

Wiedermann : Das sehe ich überhaupt nicht so. Im Gegenteil, ich denke, dass das Projekt Olympia unsere Planungen voranbringt. Wir müssen unsere Anlage modernisieren, und die Olympiabewerbung beschleunigt diesen Prozess.

Das ist schon allein deshalb vonnöten, weil auf der Außenstelle Wellingsbüttel, wo derzeit der Hockeybetrieb stattfindet, wegen der Klage einiger Anwohner das Aus für den Sport droht. Wie ist da der Stand der Dinge?

Wiedermann : Wir haben noch keinen Bescheid, ob wir spielen dürfen oder nicht, sind aber mit dem Bezirk in konstruktiven Gesprächen. In diesem Jahr werden wir kein Problem haben, werden freiwillig Schallschutzmaßnahmen ergreifen. Dennoch bereiten wir uns auf alle Eventualitäten vor und sind mit Vereinen im Gespräch, die uns ihre Plätze zur Verfügung stellen würden.

Bis wann wollen Sie den Standort Wellingsbüttel komplett aufgegeben haben?

Wiedermann : Auch da ist 2020 ein ambitioniertes, aber erreichbares Ziel.

Warum ist der Uniplatz am Turmweg, im Herzen der Stadt, keine Alternative?

Wiedermann : Daran haben wir selbstverständlich auch schon gedacht. Aber er ist ein Gelände der Forschung und Lehre, und es wäre nicht zu vermitteln, dass wir als ambitionierter Sportclub dort Zeiten bekommen, um einen aus Steuergeld finanzierten Platz zu nutzen. Aber wir haben eine Partnerschaft für ein Forschungsprojekt übernommen, bei dem auch Jugendliche aus unserem Club unter Aufsicht der Lehre dort sporadisch trainieren. Diese Zusammenarbeit mit der Uni, aber auch mit Schulen wollen wir ausbauen.

Ein Vorwurf, den der Club an der Alster immer wieder zu hören bekommt, ist, dass er sich nicht ausreichend um die Jugendarbeit bemühe. Stattdessen wird das Image befeuert, dass man sich mit finanziellen Mitteln Mannschaften zusammenkaufe. Stört Sie das?

Wiedermann : Natürlich, und genau das wollen wir ändern. Wir wollen nicht mehr als der Schnöselclub wahrgenommen werden, der alles mit Geld löst, sondern verstärkt auf die eigene Ausbildung setzen. Das bedingt, dass wir an Schulen mit eigenen Trainern Scouting betreiben, um Talente zu finden, die uns in unseren Paradesportarten Hockey und Tennis weiterhelfen.

Tennis und Hockey haben bundesweit das Problem, dass sie sich zu wenig für die einkommensschwächeren Schichten öffnen. Migranten, die in anderen Sportarten oft Leistungsträger sind, spielen keine Rolle. Wie können Sie das ändern?

Wiedermann : Indem wir Stipendien anbieten, um solche Jugendlichen gezielt zu fördern. Es darf in Zukunft keine Rolle mehr spielen, was die Eltern zahlen können. Es muss darum gehen, was die Kinder leisten können. Wir wollen allen eine Chance bieten, die entsprechende Talente haben. Fakt ist aber auch, dass wir als Club nicht mehr wachsen können und wollen. Wir haben 3800 Mitglieder, 4000 ist die absolute Grenze des Machbaren. Deshalb müssen wir sehr selektiv vorgehen und die Talente finden, die uns helfen.

Fehlt bei Alster bisweilen das Bekenntnis zum Hochleistungssport? Waren sich die Mitglieder zu lange selbst genug?

Wiedermann : Dieses Image heftet uns an, und diesen elitären Touch wollen wir loswerden. Der Eindruck, dass bei uns die Türen verschlossen sind, muss der Vergangenheit angehören. Natürlich wollen wir auch weiterhin den Menschen in unserem Viertel eine Heimat bieten. Aber wir sind nicht die Elite, die die Welt um sich herum nicht wahrnimmt. Wir stehen mitten im Leben, auf einem zugegeben hohen Level.

Sind Topsportler als Vorbilder auch für einen Club wie Ihren wichtig?

Wiedermann: Natürlich. Deshalb bin ich glücklich, dass sich die Beachvolleyballer Markus Böckermann, der deutscher Meister war, und Lars Flüggen entschieden haben, für uns anzutreten. Sie hat unser Konzept, Leistungssport und Ausbildung in einem hochklassigen Umfeld anzubieten, überzeugt. Für uns ist das ein Bekenntnis, dass wir die Sportstadt Hamburg nach vorn bringen wollen. Deshalb ist es uns auch wichtig, eine Top-Tennisspielerin wie Carina Witthöft zu haben. Für einen Club wie Alster muss es das Ziel sein, jährlich ein bis zwei Hockeynationalspieler auszubilden und auch den „zukünftigen Wimbledonsieger“ hervorzubringen.

Bitte schildern Sie zum Abschluss, wo Ihr Verein stehen wird, wenn Ihre Vision „Alster 2020“ zur Realität wird.

Wiedermann : Dann haben wir einen Club, in dem wir am Rothenbaum für 4000 Mitglieder, darunter 250 Top-Leistungssportler, alle Möglichkeiten geschaffen haben, um langfristig in der nationalen und europäischen Spitze mitzuhalten. Und wir werden ein nachhaltiger Teil der Sportstadt Hamburg auf dem Weg zur Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 sein.