Hamburg. Die BG Baskets kämpfen am Wochenende in der eigenen Halle um den Pokal – und gewähren zuvor einen spannenden Einblick in ihr rasantes Spiel.

Es sei gar nicht so schwer, hatte Annika Zeyen versichert. Wichtig sei, den Rollstuhl nicht am Greifring zu bewegen, sondern direkt auf dem Reifen, damit gehe es noch schneller. Aber mehr als zwei Armzüge seien nicht erlaubt, dann müsse der Ball wieder gedribbelt, gepasst oder geworfen werden. Ansonsten sei eigentlich alles wie beim Fußgänger-Basketball auch. Dann noch einen passenden Stuhl aussuchen, anschnallen, und schon sind wir mittendrin im Trainingsspiel der BG Baskets Hamburg.

Nicht so schwer also? Für den Rollstuhl mag das zutreffen. Er wiegt nur etwa halb so viel wie ein Straßenmodell. Aber genau hierin liegt die Tücke: Die Räder reagieren schon auf kleine Impulse, der Stuhl kreiselt anstatt geradeaus zu rollen, immer wieder prallt der Metallring, der die Beine vor Zusammenstößen schützt, gegen den eines Mitspielers. Es fühlt sich an wie beim Autoscooter. Und der Korb ist von hier unten verdammt weit weg.

Mit jedem Scheppern, jedem Fehlwurf, jeder unwillkürlichen Pirouette wächst der Respekt vor dem, was die deutsche Rekordnationalspielerin Zeyen, 30, und ihre Mannschaft tagtäglich leisten. Die BG Baskets gehören zu den Spitzenteams in der Bundesliga, die wiederum als beste ihrer Art in der Welt gilt. An diesem Wochenende spielen sie in der heimischen Inselparkhalle in Wilhelmsburg um den DRS-Pokal und erwarten dort bis zu 1000 Zuschauer. „Ein solches Finalturnier vor heimischem Publikum ist natürlich das vorläufige Saisonhighlight“, sagt Zeyen.

Vorläufig deshalb, weil ihre Mannschaft Ende April in Spanien auch noch um den Europapokal kämpft. Das Finale um die deutsche Meisterschaft hatte man am vergangenen Wochenende im Play-off gegen den RSV Lahn-Dill verpasst. Der Titelverteidiger aus Wetzlar ist der Maßstab in diesem paralympischen Sport. Die Mannschaft wird von hauptamtlichen Kräften gemanagt, der Zuschauerschnitt ist vierstellig, der Etat liegt bei einer halben Million Euro.

Die BG Baskets müssen mit etwa 150.000 Euro haushalten, den größten Teil steuert das namensgebende Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus bei. „Wenn wir sportlich mehr erreichen wollen, müssten wir noch mehr investieren“, sagt Trainer Holger Glinicki. Schon jetzt ist der Aufwand beträchtlich. Trainiert wird fünfmal die Woche, an nahezu jedem Wochenende gespielt. Reo Fujimoto und Hiroaki Kozai, die japanischen Leistungsträger, werden als Vollprofis beschäftigt. „Ihr Anreiz ist, in der Bundesliga Spielpraxis zu sammeln“, sagt Glinicki. Das gilt auch für den Niederländer Mustafa Korkmaz, der vergangene Saison bei Galatasaray Istanbul auf wenig Einsatzzeit kam. Sein Landsmann Robin Poggenwisch reist allwöchentlich für vier Tage aus der Heimat an. Für uns führt er vor, wie man sich abrollt und wieder aufrichtet, wenn der Stuhl umgerammt wird. Es ist ein Stunt.

Von der Ergotherapie zum Action-Sport

Was einmal als Ergotherapie für Kriegsversehrte begann, ist längst ein professioneller Action-Sport geworden. Vor allem die Technik hat den Rollstuhlbasketball enorm beschleunigt. „Das Spiel ist in den vergangenen fünf Jahren wesentlich dynamischer geworden, weil die Stühle viel wendiger sind“, sagt Glinicki, „es wird mehr mit ihnen gearbeitet, der Trainingsaufwand ist gestiegen.“

Kaum jemand hat die Entwicklung so aufmerksam verfolgt wie Glinicki, 62. Vor 32 Jahren gewann er mit dem damaligen RSC Hamburg die deutsche Meisterschaft, damals noch als Spieler. Seit 2005 ist er als Trainer auch für die Damennationalmannschaft verantwortlich, vor drei Jahren führte er sie bei den Paralympics zur Goldmedaille.

Die Grundlage für diesen Erfolg ist auch an diesem Freitagvormittag in der Inselparkhalle zu besichtigen. Zeyen, ihre Nationalmannschaftskollegin Gesche Schünemann und die US-Amerikanerin Desiree Miller studieren gemeinsam mit Fujimoto, Kozai, Korkmaz und Poggenwisch Spielzüge ein. In der Bundesliga spielen beide Geschlechter gemeinsam in einem Team. Eine festgeschriebene Quote gibt es zwar nicht, doch erhalten die Damen bei der Klassifizierung, die den Behinderungsgrad beziffern soll, eineinhalb Punkte gutgeschrieben – was deshalb ins Gewicht fällt, weil Glinicki nicht mehr als 14,5 Punkte aufstellen darf.

Schünemann, 32, etwa ist als Fußgängerin mit dem Maximalwert von 4,5 klassifiziert. Etwa 20 Prozent aller Aktiven im Rollstuhlbasketball haben wie sie keine oder kaum eine Behinderung. Die querschnittsgelähmte Annika Zeyen dagegen wird mit 1,5 gewertet. Dass die Paralympics-Siegerin aus Bonn seit zwei Jahren in Hamburg spielt, liegt auch an den Bedingungen, die sie hier vorfindet. Anders als die alte Spiel- und Trainingsstätte in Wandsbek ist die Inselparkhalle barrierefrei und „die schönste in der ganzen Bundesliga“, wie der sportliche Leiter Christian Hübenbecker glaubt. Auch von der Nachbarschaft mit dem Zweitligateam der Hamburg Towers habe man profitiert: „Sie haben sogar unseren Hallensprecher übernommen. Und ihr Fanclub kommt auch zu unseren Spielen.“

Warum, das glauben wir am Ende der kurzen Trainingseinheit zu verstehen. Die Hände sind schwarz vom Reifengummi, das Hemd verschwitzt. Hat verdammt Spaß gemacht! Aber es macht genauso viel Spaß, denen zuzuschauen, die es wirklich können.