Der 1. FC Köln greift hart durch und entzieht der Gruppierung Boyz den Fanclub-Status. Zudem sprach der Verein Stadionverbote aus.

Hamburg/Köln. Beim Bundesligisten 1. FC Köln herrscht nach dem Wochenende Zorn, Fassungslosigkeit und völliges Unverständnis vor. Nach dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach waren zahlreiche Hooligans aus dem Gästeblock auf das Spielfeld gelaufen, brannten Pyrotechnik ab und zündeten Böller. Dem vorbelasteten Verein drohen nun drastische Strafen, etwa ein Geisterspiel.

Nun hat der Verein selbst Konsequenzen gezogen und entzog der Gruppierung Boyz den Fanclub-Status und schloss sie aus der AG Fankultur aus. Allen etwa 40 bekannten Mitgliedern will der Verein noch vor dem Heimspiel am Sonnabend gegen Hannover 96 ein lokales, unbefristetes Stadionverbot erteilen und sämtliche Dauerkarten für Heim- und Auswärtsspiele kündigen. Zudem werden alle Vereins-Mitglieder, die den Boyz angehören, aus dem Gesamtverein ausgeschlossen. Auf seiner Internetseite veröffentlichte der Verein Bilder von den mutmaßlichen Tätern.

„Der 1. FC Köln wird Personen, die gegen Stadionordnungen, die Regeln des Fairplay oder gar Gesetze vorsätzlich massiv verstoßen, nicht verteidigen“, hieß es unter den Bildern der Hooligans. Der Verein forderte „alle Fans auf, den 1. FC Köln in dieser Haltung zu unterstützen. Wer wegsieht und solche Leute deckt, lebt eine falsche Solidarität und schadet dem Club.“

Zum harten Durchgreifen hieß es in einer Mitteilung: „Der FC begründet diese drastischen Maßnahmen mit dem wiederholten vorsätzlich vereinsschädigenden Verhalten aus den Reihen der Boyz“, hieß es in einer Mitteilung: „Führende Mitglieder der Gruppierung waren beim Derby in Mönchengladbach sowohl am massiven, erkennbar verabredeten Einsatz von illegaler Pyrotechnik als auch am Platzsturm nach Spielende beteiligt.“

Auch über die Gruppe hinaus würden alle Verursacher der Vorfälle, die ermittelt werden können, mit denselben Sanktionen belegt: „Wie in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen, gehört dazu explizit auch, die Täter für etwaige Verbandsstrafen des DFB und andere durch die Vorfälle verursachten Folgekosten in Regress zu nehmen.“

Der FC erklärte, er handele damit „im Sinne der überwältigenden Mehrheit seiner Mitglieder und Fans. Mit Straftätern sitzen wir nicht an einem Tisch.“

Verantwortliche und Spieler zeigen sich verärgert

Nach dem 0:1 in Gladbach war nicht nur Manager Jörg Schmadtke regelrecht angewidert: „Das ärgert mich extrem.“ Sein Freund und Kollege Max Eberl, Sportdirektor der Borussia, verglich die Hooligans im ZDF mit „wilden Tieren“. Schon wenige Stunden nach dem unrühmlichen Verhalten der Anhänger im 82. Bundesliga-Rheinderby distanzierte sich der FC „ohne Wenn und Aber“ von den Hooligans.

Dem Verein und seinen ansonsten „großartigen Fans“ sei „massiv“ geschadet worden. In einer Phase, in der die Kölner mit dem DFB in einem Austausch über angemessene Strafen und die richtige Bewertung von Fan-Arbeit sind, seien die Vorkommnisse „ein schwerer Rückschlag, der den Club enttäuscht und ärgert“.

Schmadtke ließ schon wenige Minuten nach der Niederlage und dem hässlichen Ende wissen, dass der FC – nicht zum ersten Mal – mit harten Strafen rechnen muss: „Die wird schon deutlich werden.“ Auch die Borussia muss wegen mangelnder Platzaufsicht mit einer Bestrafung rechnen, obwohl die Aktion der rund 25 Vermummten nur aus dem Kölner Block resultierte. Der DFB kündigte am Sonntag bereits entsprechende Ermittlungen an. „Das ist der bitterste Tag seit ich hier bin“, sagte Kölns fassungsloser Trainer Peter Stöger dem „Express“.

Die Deutsche Fußball Liga will zukünftig bei der Terminierung „noch sensibler vorgehen“, wie der scheidende Geschäftsführer Andreas Rettig betonte. Da kostümierte Fans an Karnevalstagen nicht ungewöhnlich sind, waren die FC-Randalierer mit ihrer Verkleidung bei der Stadionkontrolle offenbar nicht aufgefallen.

Neben den Vereinsverantwortliche reagierten auch die Spieler empört auf die Geschehnisse. „Es kann nicht sein, das geht einfach nicht. Das sind keine Fans – die schaden nur dem Verein“, verurteilte Kölns Torhüter Timo Horn das Geschehen vor den 54.010 Besuchern im ausverkauften Stadion. Granit Xhaka, der in der Nachspielzeit (90.+1 Minute) mit seinem ersten Kopfballtor im Fohlen-Dress die Partie entschied, sagte, es sei „bitter für den Fußball, dass so etwas passieren kann“.

Der Schweizer und seine Mitspieler eilten in die Kabine, als die Vermummten, bekleidet mit weißen Overalls, praktisch mit dem Schlusspfiff ein Fluchttor stürmten und unbegreiflicherweise auf das Feld rennen konnten. Es gab heftige Rangeleien, Fußtritte und Faustschläge. Bei den Ausschreitungen wurden ein Polizist und mehrere Ordner verletzt. Zwei der Krawallmacher wurden nach Angaben eines Polizeisprechers vorübergehend festgenommen, von mehreren anderen FC-Fans hätten die Beamten die Personalien festgestellt. Die Abreise der Anhänger sei ohne Zwischenfälle verlaufen.

Polizeigewerkschaft fordert Umsetzung der Konzepte

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert nun, die Konzepte gegen Gewalttätigkeiten von Fußball-Fans endlich durchzusetzen. Der DPolG-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Erich Rettinghaus, verurteilte die Ausschreitungen scharf: „Im Schatten vom Karneval scheint alles erlaubt. Das Maß ist mehr als voll und die Zeit der Runden Tische vorbei.“ Weiter kritisiert Rettinghaus: „Überforderte Ordner in den Stadien und Ultras, die sich unter dem Denkmantel einer gewaltfreien Fankultur an die Verhandlungstische schleichen und mitreden wollen, behindern eine notwendige Deeskalation.“

Weiter sieht Rettinghaus die Runden Tisch als gescheitert, „denn die basieren auf gegenseitigem Interesse an einer dauerhaft friedlichen Lösung. Eine absolute Minderheit dominiert den Sport, weil wir als Staat nicht durchgreifen und uns über Zuständigkeiten im Innenbereich des Stadion und außerhalb des Stadions streiten.“

Als Lösung für das Problem fordert DPolG-Bundesvorsitzender Rainer Wendt, das Stadioninnenraumkonzept bei Fußballspielen auf den Prüfstand zu stellen: „Gewalttäter gehören raus aus den Stadien, bessere Einlasskontrollen durch qualifizierte Ordner sind dringend von Nöten.“ Zudem sieht Wendt die Stehplätze als Sicherheitsrisiko: „Außerdem müssen sich die Verantwortlichen fragen, ob Stehplätze der Sicherheit im Stadion nicht eher schaden. Zur Not muss das Stadioninnenraumkonzept komplett unter polizeiliche Führung gestellt werden.“

Vorfälle wiederholen sich

Es ist nicht das erste Mal, dass Kölner Hooligans dem Verein extrem schaden. Im März 2014 war der damalige Zweitligist wegen ähnlicher Dinge vom DFB-Sportgericht zu einer 50.000-Euro-Strafe und einem für neun Monate zur Bewährung ausgesetzten Zuschauer-Teilausschluss verurteilt worden. Dem FC war seinerzeit vom Sportgericht kein Verschulden zugesprochen worden.

Beim letzten Abstieg der Kölner am 5. Mai 2012 hatte es nach dem 1:4 gegen Bayern München ähnliche Vorkommnisse gegeben. Damals hatte Schiedsrichter Florian Mayer die Partie einige Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit beendet, damit die Profis beider Teams, die vor einer schwarzen Rauchwolke und einem Fan-Mob flüchteten, sicher in die Kabinen kommen konnten.

Die Jagdszenen von Mönchengladbach haben noch ein anderes Kaliber. Xhaka bekannte zwar, nicht unbedingt Angst gehabt zu haben: „Aber man muss natürlich aufpassen.“ Der Schweizer und seine Kollegen rannten in die Katakomben und kamen erst Minuten später wieder raus, um sich von den Borussia-Anhängern für den Sieg, mit dem die Elf von Lucien Favre ihre Champions-League-Ansprüche untermauerte, feiern zu lassen.

Wie Peter Stöger war auch Favre erbost ob der Ausschreitungen. „Das gehört nicht zum Fußball“, kommentierte der Borussia-Coach, am Sonnabend exakt vier Jahre im Amt, das unrühmliche Verhalten. Stöger hielt sich noch zurück, als er feststellte, er könne „mit solchen Dingen nichts anfangen. Das kann ich nicht gut heißen – das ist bitter, mindestens so bitter wie das 0:1.“